Die AfD will Ende Juni ihren Parteitag in Essen abhalten. Dort sollte auch die Bewegung gegen Rassismus zusammenkommen, die sich jetzt an vielen Orten zeigt.
Die Zeit, in der die AfD ihre menschenverachtende Propaganda unbehelligt in die Öffentlichkeit tragen konnte, scheint vorbei zu sein. In allen Winkeln Deutschlands regt sich Widerstand gegen rechts. Massenhaft Menschen stehen auf gegen Rassismus und immer mehr wollen sich über Kundgebungen und Demonstrationen hinaus engagieren. Ein wichtige Gelegenheit hierzu wird der Bundesparteitag der AfD Ende Juni in Essen sein.
Die AfD, die sich 2013 als europaskeptische und national-konservative Partei gegründet hat, war spätestens 2015 nicht weniger als eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei, die seither hauptsächlich über Rassismus und insbesondere Islamfeindlichkeit am Aufbau der Partei arbeitet. Dabei war sie ziemlich erfolgreich. Nach ihrer Gründung verpasste sie den Einzug in den Bundestag nur knapp (4,7 Prozent). Bei der darauf folgenden Europawahl waren es schon über 7 Prozent und daraufhin zog sie bei Landtagswahlen in alle deutschen Landesparlamente ein.
Seit der Bundestagswahl 2017 ist sie auch dort vertreten. Insbesondere zu Beginn sind nach mehreren Richtungsstreitigkeiten “gemäßigtere”, nationalkonservative Teile aus der AfD ausgetreten, übrig blieb eine von Faschisten wie Björn Höcke geprägte rassistische und im Kern faschistische Partei.
Weckruf gegen die AfD
Auch wenn es in den vergangenen Jahren immer wieder größere Proteste gegen Rassismus und für Flüchtlinge gab, war die AfD nicht im Fokus der Bewegung. Sie konnte größtenteils ungestört aufbauen.
Geändert hat sich das im Januar dieses Jahres, nachdem das Netzwerk Correctiv die Pläne einer Gruppe von hochrangigen AfD-Funktionären und anderen Faschisten und Rassisten veröffentlichte. Dort ging es unter anderem um die unlängst von der Partei geforderten Abschiebungen (“Remigration”) aller in Deutschland lebenden Migrant:innen, einschließlich aller „nicht-assimilierten“ deutschen Staatsbürger. Zwar versuchte die Parteiführung unter dem Druck der Öffentlichkeit daraufhin, das Ganze herunterzuspielen und sich zu distanzieren.
Aussagen von Mitgliedern bringen es jedoch auf den Punkt. So gab der Bundestagsabgeordnete René Springer nach der Veröffentlichung zu verstehen: „Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen.“ Björn Höcke hat bereits im letzten Jahr auf Nachfrage behauptet: „Wir werden auch ohne Probleme mit 20-30 Prozent weniger Menschen in Deutschland leben können, das halte ich für ökologisch sogar sinnvoll tatsächlich.“
Die Veröffentlichung der Recherche wirkte auf die Bevölkerung wie ein Weckruf. Seither gingen und gehen in ganz Deutschland hunderttausende Menschen auf die Straße, um sich gegen die Forderungen der AfD zu behaupten. Überall übertrafen die Teilnehmerzahlen die Erwartungen. Kundgebungen mussten aus Sicherheitsgründen nach kurzer Zeit abgebrochen werden, ganze Innenstädte waren lahmgelegt. An den Protesten beteiligten sich viele Menschen, die noch nie zuvor auf einer Demonstration waren.
Gegenbewegung auf die Straße bringen
Viele Menschen auf diesen Demos hoffen, das Problem durch ein Verbot der AfD lösen zu können. Es gibt durchaus Argumente, die dafür sprechen, aber mindestens genauso viele dagegen. Unter anderem dauert ein Verbotsverfahren Jahre. Jahre, in denen sich die Nazis neu organisieren können. Die Vergangenheit um die neofaschistische NPD zeigt, dass Verbotsverfahren an vielen juristischen Hürden scheitern können oder aber einfach, weil der Staat in Form von V-Leuten selbst Teil dieser Organisationen ist.
Die Gefahr eines Verbotsverfahrens besteht darin, dass es die Proteste auf der Straße bremsen könnte, weil man sich auf den Staat verlässt. Genau das ist es aber, was wir brauchen: Eine breite antifaschistische Bewegung auf der Straße.
Hitler selbst sagte: „Nur eines hätte unsere Bewegung stoppen können – wenn unsere Gegner ihr Prinzip verstanden hätten und vom ersten Tag an den Kern unserer neuen Bewegung mit aller Brutalität zerschlagen hätten“.
Wie die NPD gestoppt werden konnte
Die Geschichte zeigt, dass Faschisten, wenn sie als Nazis gebrandmarkt werden, in Bedrängnis geraten. Öffentlich mit ihrer eigenen Identität konfrontiert, haben sie immer wieder die Fassung verloren und sich selbst entlarvt.
Das beste Beispiel ist die NPD, die sich in den 1960er Jahren gegründet hat. Damals sammelten sich in ihr viele Altnazis, die zuvor in der DRP (Deutsche Reichspartei) organisiert waren, aber hoffnungslos isoliert blieben. Die NPD sollte ihnen eine respektable, national-konservative Tarnung geben. Zunächst schien die deutsche Öffentlichkeit darauf hereinzufallen. Der damalige Bundeskanzler Kiesinger, früher selbst Mitglied in der NSDAP, bescheinigte der NPD, nicht faschistisch zu sein. Die liberale Zeitung „Die Zeit“ warnte, die „NPD nicht länger als Neonazis zu verketzern“. Nach ihrer Gründung 1964 konnte die Partei starke Erfolge verzeichnen. Die Mitgliederzahlen verdoppelten sich. Nach ihrem ersten Wahlerfolg 1966 zogen sie innerhalb von 18 Monaten in sieben Landtage ein. Doch 1969 lag die NPD am Boden und geriet in eine tiefe Krise. Sie hatte wider erwarten den Einzug in den Bundestag verpasst und innerhalb der nächsten Jahre schrumpfte sie auf 6.000 Mitglieder zusammen. Was war passiert?
Adolf von Thadden, damaliger NPD Vorsitzender, gab später zu, dass der Stimmenrückgang der NPD 1968 auf das „Verbotsgeschrei und die Unterdrückung der Versammlungstätigkeit durch den zunehmenden Terror“ der Linken zurückzuführen war. Wo immer Adolf von Thadden auftrat, begrüßte man ihn mit der Parole „ein Adolf war genug“ und bewarf ihn mit Eiern, Tomaten usw. Praktisch alle öffentlichen NPD-Veranstaltungen wurden auf diese Weise gestört. Die Auseinandersetzungen um die NPD-Wahlkampfveranstaltungen verschärften sich weiter. Immer häufiger setzte die NPD ihren Ordnerdienst ein. Dieser handelte im Stil einer paramilitärischen Einheit. Er trat uniformiert auf, in weißen Helmen und bewaffnet mit Schlagstöcken. Übergriffe dieser SA-ähnlichen Truppen waren an der Tagesordnung. In Kassel schoss ein Nazi-Ordner auf Gegendemonstranten. Bilder prügelnder NPD-Ordner gingen durch die nationale und internationale Presse. Damit war die NPD enttarnt. Die national-konservative Fassade blätterte ab, die faschistische Fratze kam ans Tageslicht.
Direkte Konfrontation gegen Nazis
Um die Nazis zu demoralisieren, müssen sie bei jedem öffentlichen Auftritt merken, dass viele Menschen nicht nur ihre Inhalte ablehnen, sondern auch bereit sind, sich ihnen aktiv in den Weg zu stellen. Wenn Nazis nicht marschieren können, entmutigt man vor allem ihre jungen Mitglieder, die von dem Machtgefühl der Aufmärsche beeindruckt werden sollen. Auch Goebbels erkannte die Gefahr der entschiedenen Konfrontation durch Antifaschist:innen: „Man darf sich keine einzige Versammlung auseinander schlagen lassen, sonst bleiben einem die Leute weg“.
Die Erfahrungen Ende der 1970er, als die NPD wieder Zulauf fand, zeigt erneut, dass eine entschlossene Gegenbewegung auf der Straße sie schwächen kann. 1977 konnte die NPD einen Erfolg feiern, als sich bei ihrem „Deutschland-Treffen“ in Frankfurt 5.000 Teilnehmer versammelten, während nur 1.000 dagegen demonstrierten. Die Zahl derer, die sich ihr in den Weg stellen wollten, stieg aber schnell an, trotz polizeilicher Verbote. 1978 war die NPD bereits gezwungen, in Frankfurter Vororte auszuweichen, weil tausende Menschen bereit waren, den Naziaufmarsch in der Innenstadt zu verhindern. 1979 versammelten sich 50.000 zu einer polizeilich verbotenen Gegendemonstration. Dies konnte deswegen gelingen, weil sich der DGB unter dem Druck einer breiten Bewegung das erste Mal in seiner Geschichte über ein staatliches Demonstrationsverbot hinweg setzte. Daraufhin fing die Polizei etliche NPD-Anhänger bereits an der Autobahn ab und schickte sie wieder nach Hause.
1997 besetzten bis zu 20.000 Münchner:innen die Innenstadt und verhinderten so, dass die Nazis ihren größten Aufmarsch seit den 1970ern durchführen konnten. Die Kundgebung wurde abgebrochen und die Polizei eskortierte die Nazis zurück zu ihren Bussen. Die Folge waren viele Austritte aus der NPD. Auch in Dresden konnte der größte jährliche Naziaufmarsch Europas durch massenhafte Blockaden von Antifaschist:innen gestoppt werden. Ein breites Bündnis rief bundesweit dazu auf, sich den Nazis in den Weg zu stellen, den Aufmarsch durch menschliche Blockaden zu verhindern. 2010 gelang es 12.000 entschlossenen Antifaschist:innen, 6.000 Nazis zu blockieren. 2011 waren es 20.000 Antifaschist:innen, die sich 2.500 Nazis in den Weg stellten. 2013 kamen dann nur noch etwa 800 Nazis.
Massenbewegung gegen die AfD
All diese Erfolge lassen sich auf breite Bündnisse zurückführen, die die Faschist:innen und Rassist:innen direkt konfrontieren.
Im Kampf gegen den Faschismus ist es notwendig, immer wieder die größtmögliche Einheit der Arbeiter:innen und aller, die sich den Faschisten aktiv in den Weg stellen wollen, herzustellen. Das gilt auch für den Kampf gegen die AfD. Angesichts des anstehenden Europawahlkampfs müssen wir jeden Infotisch, jede Wahlkampfveranstaltung und jede Demonstration der AfD mit kreativen Aktionen und möglichst vielen Leuten stören. Dafür brauchen wir breite Bündnisse, die klar und deutlich machen, dass Rassismus und Faschismus in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.
Doch im kapitalistischen Wirtschaftssystem, in dem eine Minderheit die große Mehrheit ausbeutet, setzt diese Minderheit immer auch auf Rassismus, um die Unzufriedenheit der Mehrheit auf Sündenböcke umzulenken. In so einem Umfeld von Frustration über die herrschenden Bedingungen und allgegenwärtigen Rassismus entstehen immer wieder neue faschistische Organisationen. Antifaschistische Bewegungen können sie immer wieder zurückwerfen, aber für eine Welt ohne Nazis brauchen wir eine Welt ohne Unterdrückung und Ausbeutung. Deshalb ist es notwendig, heute den Aufbau sozialistischer Organisation voranzubringen.
AfD-Parteitag in Essen: Save the Date
Das Bündnis “Essen stellt sich quer” hat bereits angekündigt, den Bundesparteitag der AfD am 29. und 30. Juni nicht unwidersprochen zu lassen. Das bundesweit agierende Bündnis Aufstehen gegen Rassismus wird sich ebenfalls daran beteiligen, die Veranstaltung zu verhindern. Weitere Infos gibt es in Kürze hier: Aufstehen gegen Rassismus