Die Erfahrungen im Kampf gegen die faschistische Bedrohung der Goldene Morgenröte in Griechenland. Von Dimitra Kyrillou
Am 24. April gab die Abteilung A1 des griechischen Obersten Gerichtshofs bekannt, dass die Partei Spartiates (Spartiaten) von der Liste derjenigen gestrichen wurde, die an den kommenden Europawahlen teilnehmen dürfen. Der Kern des Urteils des Obersten Gerichtshofs lautet: »Es ist erwiesen, dass Ilias Kasidiaris, der eigentliche Führer der ›Spartiaten‹, die für die verbotene Goldene Morgenröte eintritt, Hassreden, gewalttätige und rassistische Aktionen innerhalb des kriminellen Apparats der Partei, deren führendes Mitglied er war, nie auch nur im Entferntesten missbilligt oder abgelehnt hat«. [Entscheidungsnummer: 1/2024, Oberster Gerichtshof, A1′ Zivilbereich]
Es überrascht nicht, dass der Oberste Gerichtshof erst jetzt entdeckt hat, dass die Spartiaten das Schaufenster des verurteilten und inhaftierten ehemaligen Kommandanten der Goldenen Morgenröte (GM), Kasidiaris, sind und eine Schönfärberei der kriminellen Naziorganisation. Jede:r wusste das schon vor einem Jahr, als Spartiates zum ersten Mal mit gerichtlicher Genehmigung an den Parlamentswahlen teilnahm. Gegen alle elf Abgeordneten von Spartiates und Kasidiaris ist nun ein Verfahren anhängig, weil sie die Wähler:innen darüber getäuscht haben sollen, wer der wahre Anführer der Spartiaten ist.
Der Ausschluss von den Europawahlen erfolgte nach einem Einspruch der sozialdemokratischen PASOK, der linken Syriza-Abspaltung Nea Aristera (NEAR) und der regierenden rechtsgerichteten Neuen Demokratie. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis beansprucht das Primat des Antifaschismus: »Wir bekämpfen den Rechtsextremismus mit Taten, nicht mit Worten […]«, erklärte er. Ist das eine gute Nachricht für Antifaschist:innen? Die Antwort ist nein. Es ist eine schiere Frechheit, dass Neue Demokratie behauptet, Lektionen im Kampf gegen den Faschismus zu erteilen. Wir müssen uns daran erinnern, wie wir gegen die Nazibande Goldenen Morgenröte gekämpft haben und an die Kämpfe, die zu ihrer Verurteilung als kriminelle Organisation geführt haben.
Ein fehlerhaftes Argument
Das Hauptargument ist nicht der laufende demagogische öffentliche Diskurs darüber, welche Partei die Stimmen der faschistischen Spartiaten »erben« wird. In diesem Wettbewerb konkurriert die Neue Demokratie mit drei ultranationalistischen, rassistischen und homophoben Gruppierungen: »Hellenische Lösung«, »Nike« (die Partei der orthodoxen Kirche) und die neu gegründeten »Patrioten«. Der gerichtliche Ausschluss rechtsextremer Parteien als »verfassungsgefährdend« gab anderen, weniger extremistischen rechten Gruppierungen die Möglichkeit, sich durch die Einteilung in »gute und schlechte extreme Rechte« zu läutern.
Die rechte Rhetorik der Mitglieder und Abgeordneten von Nike, Hellenische Lösung und manchmal sogar der Regierungspartei ist ebenso gefährlich für die Demokratie. Aber diese Parteien versuchen, ihren Diskurs zu normalisieren, indem sie einer »schlechten und kriminellen« extremen Rechten, die beseitigt werden muss, eine gute extreme Rechte gegenüberstellen, die nicht nur toleriert werden, sondern das Land auch regieren soll.
Die entscheidende Frage ist jedoch, ob ein Verbot in der Verfassung ein wirksames Mittel ist, um den Vormarsch der extremen Rechten zu stoppen. Schauen wir uns einige Teile des langen Urteils des Obersten Gerichtshofs an.
Die gesamte Argumentation des Gerichts beruht auf dem folgenden Gedanken:
eine politische Partei, die zu Gewalt aufruft und politische Ansichten vertritt, die die Demokratie nicht respektieren, oder die darauf abzielt, sie abzubauen und die von ihr anerkannten Rechte zu verletzen, keinen Schutz vor gesetzlichen Regelungen genießt, die als notwendig und wünschenswert dargestellt werden, um die Demokratie selbst zu schützen
Damals, in den 1970er Jahren, als nach dem Sturz der Militärjunta eine neue griechische Verfassung ausgearbeitet wurde:
Eine solche Bestimmung wurde vorgeschlagen, aber nach dem Einspruch der Oppositionsparteien wieder zurückgezogen, da sie den damals vorherrschenden gesellschaftspolitischen Bedingungen entsprach, in denen Griechenland aus der siebenjährigen Diktatur hervorging und ein berechtigtes Misstrauen gegenüber den wahren Absichten des Verfassungsgesetzgebers für das erste postdiktatorische Funktionieren der griechischen Demokratie bestand. Diese Umstände erforderten damals die Ablehnung des Parteienverbots.
[Beschlussnummer: 1/2024, Oberster Gerichtshof, Zivilabteilung]
Die Richter argumentieren heute, dass sich die Umstände geändert haben und ein »ordnungsgemäßes und gerechtfertigtes« Verbot zulassen, weil das Vertrauen in das Funktionieren der Demokratie im Lande endlich wiederhergestellt sei (!).
An dieser Entscheidung gibt es nichts zu feiern. Dieselben Leute (die Gerichte), die die Spartiaten heute richtigerweise als Gefahr für die Demokratie einschätzen, könnten die gleichen Maßnahmen weniger oder bereitwilliger auf die linken Parteien anwenden, wenn die politische Situation und das Kräfteverhältnis es ihnen erlauben.
Die griechische Verfassung von 1975 versuchte, den Mangel an demokratischen Rechten auszugleichen, der durch den Bürgerkrieg (1945-49) und den Niedergang der Linken entstanden war. Schon vor dem Militärregime von 1967-74 waren nicht nur alle linken Parteien als Bedrohung der Demokratie verboten, sondern auch harte Strafen für jeden Sympathisant:innen kommunistischer Ideen vorgesehen. Bürgern wurde eine Anstellung im öffentlichen Dienst verweigert, wenn sie familiäre Verbindungen zu Kommunist:innen hatten, Menschen wurden zur Strafe für jede Äußerung von Unzufriedenheit mit dem Regime auf isolierte Inseln mitten in der Ägäis verbannt, und um einen Arbeitsplatz zu bekommen, musste man das berüchtigte »Zertifikat der politischen Überzeugungen« erlangen. So funktionierte das Verbot »um der Demokratie Willen« damals. Dank des Widerstands der Arbeiter:innenklasse erwies es sich auf lange Sicht als völlig erfolglos bei der Zerschlagung linken Gedankenguts.
Ist es also richtig, wenn die antifaschistische Bewegung das Verbot von Neonazis fordert? Der Widerspruch liegt darin, dass für die Mehrheit der Menschen, die Neonazis hassen und über ihr Wiederauftauchen beunruhigt sind, ein Verbot wie eine unmittelbare, legitime und praktische Lösung aussieht, vor allem wenn man bedenkt, dass die Goldene Morgenröte bisher zwar verurteilt, aber von den Gerichten milde bestraft wurde und die Staatsapparate weiterhin Mitglieder der Nazis decken. Andererseits ist die Mehrheit der Linken und der sozialen Bewegungen verständlicherweise gegen ein Verbot, da sie Verbote als mögliche Waffe in den Händen des bürgerlichen Staates betrachten, die gegen die Militanten und nicht gegen die Faschist:innen eingesetzt werden sollte.
Die bisherigen Erfahrungen im Kampf gegen die Goldene Morgenröte
In den Jahren 2010-2012 erlebte Griechenland den Aufstieg der Goldenen Morgenröte von einer faschistischen Schlägerbande zu einer politischen Partei, die auf eine neue Art und Weise als in der Vergangenheit Erfolge forderte und erzielte: Sie profitierte vom Zusammenbruch der etablierten Rechtsparteien, weil diese bei der Einführung von Sparmaßnahmen und Memoranden eine Rolle spielten, und sammelte Hunderttausende von Stimmen ein, was ihr eine parlamentarische Vertretung und finanzielle Mittel verschaffte.
Hat sich die Goldene Morgenröte in eine andere »legitime politische Partei« verwandelt, wie sie damals behauptete? Die Antwort auf diese Frage ist und bleibt ein klares Nein. Die Goldene Morgenröte war schon immer eine Nazi-Bande. Ihre Entscheidung, die Form einer Partei anzunehmen, war eine bewusste Strategie, um jeden Freiraum auszunutzen, um mit Hilfe ihrer Straßenbataillone, die die Kontrolle in den Stadtvierteln fordern, Gewalt gegen ihre Feinde anzuwenden.
In der griechischen antifaschistischen Bewegung haben wir uns nicht auf die Forderung nach einem Verbot der GM konzentriert, auch nicht zu den Zeiten, als diese Frage im politischen Mainstream-Diskurs auftauchte. Es war auch wichtig, den politischen Kontext zu erkennen: Als die GM eine Randgruppe war und das bürgerliche politische System eine klare Abgrenzung von ihrer politischen Meinung behaupten konnte, wäre eine Forderung nach ihrem Verbot vielleicht sinnvoll gewesen. Aber im Jahr 2012, nachdem die Goldene Morgenröte sieben Prozent erreicht hatte und auf dem Vormarsch war, und die Regierung die rechtsextreme Agenda tatsächlich umsetzte, war die Forderung nach einem gesetzlichen Verbot als Reaktion auf die neonazistische Bedrohung unangemessen und desorientierend. Es stimmt, dass die herrschende Klasse und der Staat jahrzehntelang keine wirklichen Schranken für die Aktivitäten dieser kriminellen Bande errichtet haben. Dies ist eine Schande für die griechische Bourgeoisie, die erst handelte, nachdem die antifaschistische Bewegung den Nazi-Charakter der Goldenen Morgenröte aufgedeckt hatte.
Der Kampf gegen die Goldene Morgenröte wurde hauptsächlich andersherum organisiert: Eine starke Massenbewegung, bestehend aus mehreren Organisationen und Initiativen, mit Verbindungen zu den Gewerkschaften, den Universitäten und den linken Parteien, entstand im Land und stellte sich gegen alle Aktivitäten der Faschist:innen, sei es die Eröffnung eines neuen Hauptquartiers, Kundgebungen gegen Immigrant:innen oder die Organisation von Pogromen. Auch wenn sie in einzelnen Kampagnen nicht immer erfolgreich war, hat die Bewegung die rassistischen Praktiken von GM vor ihrem neu gewonnenen Publikum und der gesamten Gesellschaft bloßgestellt. Dies waren die Prioritäten und nicht die Forderung an die Regierung und den Staat, GM gesetzlich zu verbieten. Diese harte Arbeit wurde zu einem Zeitpunkt (2012-13) geleistet, als die Goldene Morgenröte von einem Teil der Regierungspartei als möglicher Regierungspartnerin angesehen wurde, um eine linke Regierung zu verhindern.
So drängte die Bewegung nach der Ermordung des militanten Rap-Sängers Pavlos Fyssas im September 2013 die Regierung, ein Verfahren gegen sie einzuleiten. Die Gruppe von Anwält:innen für die Zivilklage gegen die Goldene Morgenröte machte es sich zur Aufgabe, das ideologische Profil der GM mit den mörderischen Angriffen auf Pavlos Fyssas, die ägyptischen Fischer und die PAME-Gewerkschafter in Verbindung zu bringen. Dies war ein entscheidender Kampf, der mit einem Sieg endete. Die Goldene Morgenröte wurde weder für ihre Ideen noch für die Erklärungen ihres Anführers verurteilt, obwohl wir uns noch daran erinnern, dass Nikolaos Michaloliakos die Goldene Morgenröte seinerzeit als die »Saat der besiegten Armee von 1945« bezeichnete. Die Goldene Morgenröte wurde für nachgewiesene Verbrechen verurteilt, die von ihren Mitgliedern auf Anweisung der Parteiführung begangen und über den Parteiapparat verbreitet wurden. Zwischen dieser Verurteilung und der heute vom Obersten Gerichtshof ausgesprochenen »Bedrohung der Demokratie« besteht ein großer Unterschied.
Anführer der Goldenen Morgenröte ist aus dem Gefängnis entlassen
Am 2. Mai wurde der »Führer« der Goldenen Morgenröte, Nikolaos Michaloliakos, aus dem Gefängnis entlassen, nachdem ein Gericht ihn auf Bewährung freigelassen hatte, obwohl noch ein Berufungsverfahren läuft, in dem gefordert wird, die Haftstrafen für alle Führer der Goldenen Morgenröte zu erhöhen. Diese Entwicklung war empörend und ein Schlag gegen jeden Glauben, dass der Staat und die Gerichte Verbündete im antifaschistischen Kampf sein könnten.
»Die Freilassung von Nikos Michaloliakos aus dem Gefängnis ist eine riesige Provokation gegenüber den Opfern des Naziverbrechers Goldene Morgenröte und ihren Familien, der antifaschistischen Bewegung und der demokratischen öffentlichen Meinung«, heißt es in einer Erklärung der Zivilverfolgungsgruppe gegen die Goldene Morgenröte, die aus Thanasis Kampagiannis, Kostas Papadakis und Kostas Skarmeas besteht, den Anwälten, die die ägyptischen Fischer in dem GM-Prozess vertreten.
Michaloliakos wurde nur deshalb freigelassen, weil für seine Person, sein fortgeschrittenes Alter, seinen Gesundheitszustand und sein »positives Verhalten« die günstigsten Bestimmungen und die vorteilhaftesten Regelungen angewendet wurden! Er wurde offiziell entlassen, weil er etwas mehr als ein Drittel seiner Strafe verbüßt hat (was unter den bestmöglichen Bedingungen geschah, da er die letzten zwei Jahre in einem Rehabilitationszentrum in der Nähe von Athen verbrachte). Seine Freilassung konnte nur unter der Bedingung der Reue und des Bedauerns erfolgen, aber Michaloliakos zeigte nicht nur »keine Reue und kein Bedauern«, sondern führte weiterhin die kriminelle Goldene Morgenröte an, die trotz ihres Mitglieder- und Machtverlusts nie aufgehört hat, Anschläge zu organisieren und zu versuchen, lokale Fraktionen aufrechtzuerhalten, während ehemalige Kader der Goldenen Morgenröte im ganzen Land rassistische und faschistische Anschläge verübt haben.
Das Ende der Erklärung der Zivilverfolgungsgruppe schließt und fasst die Aufgaben für die unmittelbare Zukunft zusammen:
Angesichts der faschistischen und rassistischen Gewalt ist kein Platz für Selbstzufriedenheit. Die antifaschistische Bewegung und die große demokratische Gemeinschaft, deren Aufstand die staatlichen Behörden 2013 dazu zwang, ein Strafverfahren gegen die kriminelle Nazi-Organisation Goldene Morgenröte einzuleiten, müssen in Alarmbereitschaft sein.
Wir setzen den gerichtlichen Kampf vor dem Berufungsgericht für die endgültige Verurteilung der kriminellen Organisation mit den höchstmöglichen Strafen fort, in dem Bewusstsein, dass der Faschismus durch eine massenhafte, basisdemokratische, mehrheitliche, antifaschistische Bewegung von Arbeiter:innen und Jugendlichen innerhalb und außerhalb der Gerichte zerschlagen wird.
Dieser Artikel wurde zuerst auf theleftberlin am 15.05.24 veröffentlicht. Übersetzung aus dem Englischen von Simo Dorn.
Titelbild: Golden Dawn Watch