Die Kurswechsel der US Außenpolitik im Nahen Osten und in der Ukraine sind nicht einfach das Handeln eines unberechenbaren Despoten. Von Arthur Townend
Kaum einen Monat nach seiner Präsidentschaft scheint Donald Trump das außenpolitische Drehbuch der Vereinigten Staaten zu zerreißen. Er will ethnischen Säuberungen im Gazastreifen durchführen, den Stellvertreterkrieg in der Ukraine beenden und Grönland und den Panamakanal annektieren.
Es ist verlockend zu glauben, dass dies die Schritte eines unberechenbaren Despoten sind. Aber die USA stehen vor beispiellosen Herausforderungen für ihre Vormachtstellung in der Welt.
Trump ist alles andere als irrational, er reagiert auf den Niedergang der US-Vormachtstellung genauso wie Joe Biden und seine anderen Vorgänger. Aber er bevorzugt einen »Alleingang«. Nach der Wahl von Trump verkündete die Financial Times: »Trumps Sieg signalisiert das Ende der von den USA geführten Nachkriegsordnung«.
US-Imperialismus
Nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten die USA eine liberale kapitalistische Ordnung. Der US-Imperialismus basierte nicht auf kolonialer Kontrolle, sondern auf freiem Handel und freien Märkten, die von den US-Unternehmen dominiert werden konnten. Auf der Bretton-Woods-Konferenz im Jahr 1944 gründeten die USA und ihre Verbündeten den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank. Sie nannten dies eine »regelbasierte Ordnung« – in Wirklichkeit waren die Regeln jedoch so manipuliert, dass sie den USA zugutekamen.
Diese Institutionen und die Macht des Dollars ermöglichten es den USA, ihre Dominanz mit wirtschaftlichen Mitteln aufrechtzuerhalten. So waren beispielsweise finanzielle »Hilfen« des IWF oder der Weltbank für Entwicklungsländer immer an Bedingungen geknüpft.
Die NATO als Werkzeug der USA
Diese wirtschaftliche Dominanz wurde durch Militärbündnisse wie die NATO und ein Netz von Militärbasen auf der ganzen Welt unterstützt. An der NATO ist nichts Liberales oder Demokratisches – sie führt einfach Kriege im Namen der USA.
Die USA feierten 1991, am Ende des Kalten Krieges, einen Triumph für diese »liberale« und »regelbasierte« Ordnung. Die USA waren die einzige militärische Supermacht. Aber Teile der herrschenden Klasse der USA erkannten, dass sie in den kommenden Jahrzehnten einem intensiven wirtschaftlichen Wettbewerb ausgesetzt sein würden – insbesondere durch China.
Trumps »America First«-Strategie ist voller Widersprüche – und das eröffnet Raum für Widerstand
Die Kriege in Afghanistan und im Irak in den 2000er Jahren waren ein Versuch, ein Zeichen zu setzen, dass die USA immer noch die führende Macht der Welt sind. Doch die Niederlagen im Nahen Osten beschleunigten die Krise ihrer Vormachtstellung.
Ökonomische Konkurrenz nimmt zu
Als Trump 2016 zum ersten Mal gewählt wurde, wurde er als Bedrohung für diese liberale internationale Ordnung angesehen. Die liberalen Politikwissenschaftler Robert Keohane und Jeff D. Colgan sagten: »Es ist an der Zeit, diese Realität anzuerkennen. Wir müssen auf eine Politik drängen, die die liberale Ordnung retten kann, bevor es zu spät ist.«
Doch Trumps aggressive Haltung war eine Reaktion auf die Herausforderung durch China. Im Jahr 2018 erklärte das Weiße Haus, dass der »Wettbewerb der Großmächte« die größte Herausforderung für die USA darstelle und nicht der Krieg gegen den Terror. Die Krise der US-Hegemonie beschleunigte sich, seit Trump 2021 aus dem Amt schied. Die Bedrohung durch China ist nur noch größer geworden – verkörpert durch die Entwicklung und Popularität seiner DeepSeek-KI, die den US-Aktienmarkt zum Absturz brachte.
Bidens Präsidentschaft baute auf vielen der politischen Maßnahmen Trumps auf. Er setzte den Handelskrieg mit China fort. Er verabschiedete den »Inflation Reduction Act« und den »Chips Act«, die darauf abzielten, in die US-Fertigung zu investieren, um die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China zu erhöhen.
Aber Biden hielt am Geflecht der Allianzen der USA fest, während Trump Verbündete als Ressourcenverschwender betrachtet, die nicht für sich selbst aufkommen. Sein »America First«-Ansatz steht im Widerspruch zu den »multilateralen Vereinbarungen« zwischen den USA und vielen Verbündeten. Stattdessen möchte er sich auf bilaterale Abkommen mit Ländern konzentrieren.
Der erste Monat der Präsidentschaft von Trump spiegelt die Verschärfung des imperialistischen Wettbewerbs wider. Dies gilt sowohl für die »Großmächte« wie die USA und China als auch für regionale Akteure wie Saudi-Arabien, Iran und Israel. Als Trump sagte, dass »wir uns Grönland holen werden«, war dies eine Reaktion auf diesen zunehmenden Wettbewerb. Da die Polkappen schmelzen, ist die Nordwestpassage nun für kurze Zeit befahrbar.
America First und der Gaza Genozid
Viele Staaten, darunter China, wetteifern nun um die Kontrolle über eine potenziell wichtige Schifffahrtsroute. Außerdem ist Grönland die Heimat von Metallen, die für die Technologie von entscheidender Bedeutung sind.
Trumps Forderung nach einer ethnischen Säuberung des Gazastreifens ist ebenfalls ein Versuch, die imperialistische Kontrolle über den Nahen Osten zu erlangen. Trumps »America First«-Strategie ist jedoch voller Widersprüche. So droht beispielsweise sein Handelskrieg die herrschende Klasse der USA zu spalten.
Als Reaktion auf Trumps vorgeschlagene 25-prozentige Zölle auf Stahl und Aluminium sagte der Chef des Automobilkonzerns Ford, Jim Farely, dass dies »hohe Kosten und viel Chaos« mit sich bringen würde. Farely setzt sich derzeit bei US-Politikern dafür ein, die Zölle zu kippen.
Selbst Trumps eigenes Kabinett ist sich uneins über den Plan zur ethnischen Säuberung des Gazastreifens. US-Außenminister Marco Rubio behauptete, sie würde nur »vorübergehend« sein. Trump droht Jordaniens König Abdullah II. mit dem Entzug von Finanzmitteln, falls er sich weigert, sich dem Plan anzuschließen. Doch die arabischen Regime, die den Plan akzeptieren, könnten in der Region eine Revolte gegen Diktatur, Imperialismus und Israel auslösen.
Die Herrschenden Ägyptens und Jordaniens werden von der Erinnerung an den Arabischen Frühling von 2011 verfolgt. Eine Rückkehr dieser revolutionären Kraft würde die USA in eine noch größere Krise stürzen. Trump hat die Welt gefährlicher gemacht – aber diese Widersprüche eröffnen Möglichkeiten für Widerstand.
Dieser Artikel erschien zuerst am 16. Februar 2025 auf Socialst Worker.
Aus dem Englischen von Simo Dorn
Titelbild: cato.org