Warnstreiks im öffentlichen Dienst in München

Unterstützt die Warnstreiks!

Die Warnstreiks im öffentlichen Dienst verdienen Solidarität. Sie stellen die herrschende Politik grundsätzlich in Frage – zu Recht. Von Jan Maas 

In der zweiten Verhandlungsrunde für die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen hat die Arbeitgeberseite kein Angebot vorgelegt. Die Gewerkschaft ver.di hat daraufhin beschlossen, die Warnstreiks auszuweiten. Alle sollten diese Warnstreiks nach Kräften unterstützen. 

Es geht um insgesamt 2,5 Millionen Beschäftigte des Bundes und der Kommunen. Darunter sind zum Beispiel die Beschäftigten der Verwaltungen und Sozialversicherungen auf Bundesebene. Auf Ebene der Kommunen sind unter anderem Beschäftigte in Pflege, Erziehung, Versorgung, Verkehrsbetrieben und Entsorgung betroffen. 

Warnstreiks für bessere Arbeitsbedingungen

Fast alle Menschen in Deutschland nehmen diese Dienstleistungen in Anspruch. Sie zahlen in die Rentenversicherung ein, haben Kinder in einer Kita, brauchen regelmäßig Dialyse im Krankenhaus, oder ein Familienmitglied lebt in einer Pflegeeinrichtung. Gute Arbeitsbedingungen der Beschäftigten dort sind im Interesse aller. 

Ver.di fordert acht Prozent mehr Geld, mindestens jedoch 350 Euro mehr pro Monat. Für besonders belastende Tätigkeiten soll es höhere Zuschläge geben. Dazu kommen drei freie Tage. Für all das soll eine Laufzeit von 12 Monaten gelten. Sowohl die Forderungen als auch die Laufzeit sind vollkommen gerechtfertigt. 

Die Gewerkschaft argumentiert, bessere Arbeitsbedingungen würden den öffentlichen Dienst attraktiver machen. Besonders in Pflege- und Erziehungsberufen herrschen Fluktuation und Personalmangel. Zudem könnten eine gerechtere Steuerpolitik und eine Lockerung der Schuldenbremse finanziellen Spielraum schaffen. 

SPD-Vertreterinnen gegen Beschäftigte

Für die Arbeitgeberseite verhandeln Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Präsidentin des Verbands der kommunalen Arbeitgeber Karin Welge (ebenfalls SPD). Diese hatte vor der zweiten Runde erklärt, ein mögliches Angebot wäre so weit weg von den Forderungen, dass es auf der Arbeitnehmerseite nur zu Entrüstung führen würde. 

Schon im Vorfeld hatte die Arbeitgeberseite erklärt, sich an der aktuellen Inflationsrate von etwa zwei Prozent orientieren zu wollen. Sie führt außerdem niedrige Steuereinnahmen wegen der schwachen Konjunktur an. Wenn der öffentliche Dienst mehr bekomme, müsse anderswo gespart werden. 

Sparen bei der Rüstung

Das sind größtenteils Scheinargumente. Richtig ist, dass man anderswo sparen könnte. Zum Beispiel beim Rüstungshaushalt. Außenministerin Annalena Baerbock hat bereits angekündigt, dass die EU nach der deutschen Bundestagswahl für bis zu 700 Milliarden Euro aufrüsten werde. Dieses Geld wäre besser im öffentlichen Dienst aufgehoben. 

Die aktuelle Inflationsrate, von der die Arbeitgeberseite spricht, täuscht. Das Statistische Bundesamt, das die Inflation berechnet, setzt den fiktiven Warenkorb immer wieder neu zusammen. Bei der letzten Anpassung 2022 hat es unter anderem Smartwatches und Fitnesstracker aufgenommen, jedoch Miet- und Heizkosten geringer gewichtet als vorher. Das verzerrt die Inflationsrate, weil Elektrogeräte billiger wurden, Mieten und Heizen jedoch teurer. 

Preisindizes von 2019 bis 2025

Verglichen mit 2020 liegen die Verbraucherpreise heute um 20 Prozent höher. Die Lohnerhöhungen der letzten Jahre haben das bei weitem nicht ausgeglichen. Dieser Reallohnverlust trifft vor allem die unteren Lohn- und Gehaltsgruppen. Das heißt: Besonders Frauen sind betroffen. Deutlich höhere Löhne sind also nötig.

Reichtum und Eigentum besteuern

Die beklagten niedrigen Steuereinnahmen ließen sich korrigieren, indem man die Reichen zahlen lässt. Das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland ist im dritten Quartal 2024 gegenüber dem dritten Quartal 2019 um rund 197 Milliarden Euro gestiegen. Es hat zum Quartalsende ein neues Rekordniveau von rund 9.004 Milliarden Euro erreicht.

Diese Geldmengen sind natürlich nicht in den Haushalten der öffentlich Beschäftigten zu finden. Mehr als die Hälfte des deutschen Kapitalmarktes befindet sich in der Hand der reichsten zehn Prozent der Bevölkerung. Dieser Anteil steigt seit Jahren an

Harte Zeiten erfordern harte Kämpfe 

Weder die geschäftsführenden Reste der Ampel noch die zu erwartende Regierung unter Friedrich Merz stehen für die nötige Umverteilung von oben nach unten. Vielmehr verschreiben sich alle Parteien außer der Linken der sogenannten »Zeitenwende«. Vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden weltweiten Konkurrenz wollen sie mehr Geld in Rüstung pumpen. Auf Feldern wie dem öffentlichen Dienst wollen sie sparen.  

Die Tarifforderungen stellen darum die grundsätzliche Orientierung der voraussichtlichen Bundesregierung in Frage. Daher ist der einzige Weg zu einem Tarifabschluss im Sinne der Beschäftigten ein harter Kampf gegen die öffentlichen Arbeitgeber und ihre Politik. Die Warnstreiks sind ein erster Schritt. Sie werden aber nicht reichen. 

Rassismus schwächt die Warnstreiks

Neben der Attacke auf den Sozialstaat droht eine rassistische Offensive der neuen Regierung. Schon im Wahlkampf haben sich alle Parteien außer der Linken darin überboten, wer schneller und mehr abschieben kann. Viele Menschen haben zu Recht Angst. Doch sie sind mächtiger, als sie denken. Ohne die gemeinsame Arbeit aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst gäbe es keine ausreichende Versorgung. In Krankenhäusern, Kitas, Nahverkehr und Müllabfuhr arbeiten auch Menschen mit Migrationsgeschichte. Nur ein gemeinsamer Kampf aller Beschäftigen ungeachtet ihrer Herkunft kann Löhne und Arbeitsbedingungen verbessern. 

Alle, die es können, sollten jetzt die Warnstreiks und Kundgebungen vor Ort unterstützen. Dabei kommt es darauf an, gleichzeitig die »Zeitenwende« und die rassistische Offensive der Herrschenden mit den entsprechenden Argumenten zu bekämpfen: Rüstung ist ebenso wenig im Sinne der Beschäftigten wie Rassismus. In ihrem Sinne ist es vielmehr, das Geld von den Reichen zu holen.


Titelbild: Svu