Trump will, dass die Ukraine die Kontrolle über Ressourcen und Infrastruktur abgibt. Von Tomáš Tengely-Evans
Donald Trump will die Ukraine ausplündern und sie in einen Außenposten des amerikanischen Imperiums verwandeln. Er fordert eine »Rückzahlung« in Höhe von 400 Milliarden Pfund und die Kontrolle über die ukrainischen Ressourcen und die Infrastruktur.
Ein geheimes Dokument, das der Daily Telegraph zugespielt wurde, besagt, dass die Vereinigten Staaten und die Ukraine einen gemeinsamen Investitionsfonds bilden sollten. Dadurch würden die USA an dem »wirtschaftlichen Wert im Zusammenhang mit Ressourcen« beteiligt, darunter »Mineralressourcen, Öl- und Gasressourcen, Häfen und andere Infrastrukturen«.
»Diese Vereinbarung unterliegt dem Recht von New York, ohne Rücksicht auf kollisionsrechtliche Grundsätze«, heißt es darin. Die USA würden 50 Prozent der Einnahmen aus der Rohstoffgewinnung erhalten – und 50 Prozent des finanziellen Werts »aller neuen Lizenzen, die an Dritte vergeben werden«. Dies ist mit Nichten die erste Invasion des Kapitals in die Ukraine seit Beginn des Krieges.
Eine Klausel würde es den USA ermöglichen, die Einnahmen einzubehalten, bis die Ukraine ihre Schulden für die Kriegsanstrengungen zurückgezahlt hat. Eine Quelle, die mit den Verhandlungen vertraut ist, sagte: »Diese Klausel bedeutet: ›Zahlt uns zuerst und dann könnt ihr eure Kinder ernähren‹.« Es heißt, dass »die USA bei allen künftigen Lizenzen ein Vorkaufsrecht für den Erwerb exportfähiger Mineralien haben werden«.
Die NATO ist kein Verteidigungsbündnis
Trumps Plan zur Plünderung ist keine Verirrung. Er ist eine erschütternde Bestätigung dafür, dass der Konflikt in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg zwischen dem US-Imperialismus und dem russischen Imperialismus ist. Die Befürworter:innen des Krieges haben jeden verleumdet, der die Rolle des Westens als »Verteidiger« des russischen Imperialismus in Frage gestellt hat.
Ihr Argument basiert auf zwei Behauptungen. Erstens, dass es sich bei dem Krieg in der Ukraine um einen »Verteidigungskrieg« gegen Russland handelt. Zweitens, dass die Idee eines Stellvertreterkrieges die »Handlungsfähigkeit« der Ukrainer leugnet.
Russland versucht seit den 1990er Jahren, die Ukraine und ihre anderen Nachbarn zu dominieren. Es annektierte 2014 die Krim und schürte einen separatistischen Aufstand unter der Führung rechtsextremer Gangster in den Regionen Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine. Als Russland 2022 einmarschierte, kämpften die Ukrainer:innen um ihre Verteidigung gegen die Aggression Wladimir Putins.
Die Ukraine ist nicht das erste Mal, dass Sozialist:innen sich mit dem Zusammenhang zwischen imperialistischen Kriegen und nationaler Selbstbestimmung auseinandersetzen mussten
Aber das ist nur ein Teil des Bildes. Die Ukraine liegt im Zentrum einer Verwerfungslinie imperialistischer Konkurrenz, die durch Osteuropa bis nach Zentralasien verläuft. Der Westen und Russland ringen um Einfluss entlang dieser Linie.
Die USA dehnten das Bündnis der NATO-Kriegstreiber:innen auf Osteuropa aus und luden die Ukraine 2008 zum Beitritt ein. Dies war Teil der Versuche der USA, ihre Dominanz zu behaupten – neben ihren Kriegen im Nahen Osten.
Wie sollte die Linke mit solchen Situationen umgehen?
Erfahrung des Ersten Weltkriegs
Die Ukraine ist nicht das erste Mal, dass Sozialist:innen sich mit dem Zusammenhang zwischen imperialistischen Kriegen und nationaler Selbstbestimmung auseinandersetzen müssen. Die serbischen Sozialist:innen befanden sich in einer schwierigen Lage, als das österreichisch-ungarische Reich im Juli 1914 einmarschierte.
Es hatte lange versucht, seinen schwächeren Nachbarn und die Balkanregion zu beherrschen. Aber dies war nicht nur ein österreichischer Eroberungskrieg gegen Serbien – er löste den Ersten Weltkrieg zwischen den »Großmächten« Europas aus.
Dusan Popovic war ein führendes Mitglied der serbischen Sozialdemokraten. Er schrieb: »Was den Konflikt zwischen Serbien und Österreich-Ungarn betraf, befand sich unser Land offensichtlich in einer defensiven Position. Österreich hatte schon lange vor der Unabhängigkeit Serbiens eine Eroberungspolitik gegen das Land betrieben. Wenn die Sozialdemokratie irgendwo das legitime Recht hatte, für den Krieg zu stimmen, dann war dies sicherlich vor allem in Serbien der Fall.«
Trotzdem unterstützte Popovic den Krieg nicht. Er erklärte: »Die entscheidende Tatsache war, dass der Krieg zwischen Serbien und Österreich nur ein kleiner Teil eines Ganzen war.« Er war »lediglich der Prolog zu einem universellen, europäischen Krieg«, der »einen klar ausgeprägten imperialistischen Charakter« hatte.
In Kriegen zwischen Imperialist:innen sollten sich Sozialist:innen nicht hinter irgendeiner Macht aufstellen – auch nicht hinter ihrer »eigenen« Regierung.
Der Hauptfeind steht im eigenen Land. – Karl Liebknecht, Dezember 1914
Die beiden Situationen sind nicht identisch. Aber die entscheidende Schlüsselfrage bleibt: »Was ist der vorherrschende Charakter des Krieges?«
In der Ukraine hat die interimperialistische Rivalität zwischen den USA und Russland jeglichen Kampf für die nationale Verteidigung verdrängt.
Die Befürworter des Krieges sagten auch, dass sie durch die Leugnung, dass es sich bei dem Konflikt um einen Stellvertreterkrieg handelt, die Handlungsfähigkeit der Ukrainer anerkennen würden.
Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Zukunft der Ukraine an den Westen gebunden. Er sagte, er wolle, dass die Ukraine nach dem Krieg ein »großes Israel« sei – mit anderen Worten ein bewaffneter Außenposten des US-Imperialismus.
Im Jahr 1914 erkannte Popovic an, dass der serbische Staat Handlungsfähigkeit besaß. Er beschrieb jedoch, wie er »eine Politik der Versklavung durch die russische Diplomatie und die Pariser Börse« betrieben habe. »Doch die russische Diplomatie und die Pariser Börse haben nur die Interessen des russischen Zarismus und der französischen Finanzkapitalisten im Sinn«, warnte er.
Weder Putin, noch NATO
Heute ist es Selenskyj, der den ukrainischen Staat an die USA gebunden hat – mit verheerenden Folgen. Er würde an der Leine zerren und mehr westliche Waffen fordern, aber die USA geben das Tempo des Krieges vor.
Der ehemalige US-Präsident Joe Biden sah in der Ukraine eine Gelegenheit, die Macht der USA in der Welt zu behaupten. Doch der Krieg hat sich für beide Seiten zu einer blutigen Pattsituation entwickelt, und Trump will sich auf die größte Herausforderung konzentrieren – China.
Die Ukrainer:innen haben mit ihrem Blut bezahlt, jetzt will Trump, dass sie auch mit ihrem Vermögen und Ressourcen bezahlen. Die Antikriegsbewegung hatte Recht, als sie sagte: »Russische Truppen raus aus der Ukraine. Nein zur NATO.«
Dieser Artikel erscheint zuerst am 18. Februar auf Socialst Worker.
Aus dem Englischen von Simo Dorn
Titelbild: brasildefato.com