Strategien zur Befreiung: Alte und neue Argumente in der palästinensischen Linken

Von Ramsis Kilani

Nach mehr als zwölf Monaten israelischen Völkermords im Gazastreifen ist der palästinensische Widerstand ungebrochen.[1] Heute steht dieser Widerstand überwiegend unter der Führung von Organisationen des politischen Islams. Die führende militärische und politische Kraft im Gazastreifen (und zunehmend seit der Offensive vom 7. Oktober auch darüber hinaus) ist die islamische Bewegung der Hamas.[2] Ihr bewaffneter Flügel, die Brigaden Izz ad-Din al-Qassam, führt seine militärischen Operationen häufig gemeinsam mit der zweitgrößten militanten Gruppe, dem Islamischen Dschihad in Palästina (PIJ), durch.[3] Obwohl linke Organisationen wie die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) dem Gemeinsamen Palästinensischen Operationsraum angehören, der 2018 gegründet wurde, um den bewaffneten Kampf in Gaza zu koordinieren, ist der militärische und politische Einfluss der traditionellen palästinensischen Linken derzeit marginal.

Das war jedoch nicht immer der Fall. In den 1970er und 1980er Jahren war die PFLP als größte palästinensische politische Partei, die sich als marxistisch-leninistisch bezeichnete, wegen ihrer militanten Aktionen weltweit berühmt und berüchtigt zugleich. Die Organisation gab die wöchentliche arabischsprachige Zeitung Al-Hadaf (Das Ziel) sowie das monatlich erscheinende englischsprachige PFLP Bulletin heraus. Beide enthielten politische Analysen und Theorien und befassten sich mit internationalen Angelegenheiten, sozialen Fragen und Kultur. Die PFLP hatte allein in Jordanien schätzungsweise 5.000 Mitglieder, von denen fast die Hälfte bewaffnete Kämpfer waren.[4] Sie unterhielt in Jordanien und Libanon soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen und Kindertagesstätten. Mein Vater sympathisierte wie Zehntausende andere Palästinenser:innen im Gazastreifen und darüber hinaus mit den säkularen linken Gruppierungen in der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), dem Dachverband der palästinensischen Gruppierungen. Diese linken Gruppen hatten enge Verbindungen zur palästinensischen Diaspora, zu kommunistischen Parteien und zu militanten Organisationen weltweit.

In diesem Artikel werde ich darlegen, dass die Gründe für den Niedergang der traditionellen Organisationen der palästinensischen Linken vor allem darin zu suchen sind, dass sie militärischen Strategien den Vorrang gaben und dadurch von den Strukturen der PLO abhängig wurden. Der bürokratische Wettbewerb zwischen den Fraktionen der PLO um Finanzierung und Unterstützung seitens der Regime der Region wurde zum Hindernis für die Entfaltung der kreativen Energie der einfachen Menschen durch den Kampf von unten. Die vorherrschenden stalinistischen Vorstellungen von einer Revolution in »Etappen«, bei der der nationale Kampf immer Vorrang vor dem Kampf für die soziale Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung hat, erstickte die revolutionäre Dynamik der palästinensischen Bewegung.

Nach der Arabischen Revolution von 2011 und den folgenden Konterrevolutionen, der dramatischen militärischen Zuspitzung im Nahen Osten seit der Offensive der Hamas gegen Israel am 7. Oktober 2023, der brutalen israelischen Antwort und dem Widerhall all dessen in der wachsenden Palästina-Solidaritätsbewegung in westlichen Ländern sind Fragen der Strategie wieder aktuell. Vor allem in der Diaspora wächst eine neue palästinensische Linke heran. Formationen wie die Palästinensische Jugendbewegung (PYM) spielen nun eine wichtige Rolle bei der Herausbildung radikaler Strömungen in der Solidaritätsbewegung.

Für revolutionäre Sozialist:innen hatten und haben die Palästinenser:innen schon immer jedes Recht, sich mit allen Mitteln dem vom Imperialismus unterstützten zionistischen Siedlerkolonialismus zu widersetzen, der ihr Land besetzt und sie unterdrückt. Sie verdienen unsere uneingeschränkte Unterstützung, wenn sie für ihre Freiheit kämpfen. Unsere Solidarität mit dem Kampf eines unterdrückten Volkes enthebt uns jedoch nicht notwendiger Kritik an den Taktiken und Strategien der palästinensischen Organisationen.[5] Die Aufarbeitung der Geschichte und der kontroversen Debatten in der palästinensischen Linken können wesentlich dazu beitragen, die Lehren der Vergangenheit zu verstehen und eine Strategie für die Befreiung vom zionistischen Kolonialismus heute zu entwickeln.

Die Ursprünge der palästinensischen Linken

In den 1950er Jahren wurde eine Version des arabischen Nationalismus im gesamten Nahen Osten und in Nordafrika immer beliebter: Nach dieser Ideologie galten die Araber als ein einziges Volk (qawm), das durch die künstlich geschaffenen Grenzen der Kolonialzeit geteilt worden war. Im Jahr 1952 stürzten junge Militäroffiziere in Ägypten und 1958 in Irak ihre von den Briten gestützten Monarchien, woraus der ägyptische Führer Gamal Abdel Nasser als Verfechter des arabischen Nationalismus hervorging. Mit der Verstaatlichung des Suezkanals im Jahr 1956 forderte Nasser die alten imperialistischen Mächte Großbritannien und Frankreich politisch wie wirtschaftlich heraus. Diese Entwicklungen nährten die Vorstellung, dass die »arabische Einheit« durch das Handeln radikaler nationalistischer Staatspolitiker geschaffen werden könnte. Im Jahr 1958 stimmten Ägypten und Syrien dem ersten großen Zusammenschluss arabischer Staaten zu, der Vereinigten Arabischen Republik. Die Befreiung Palästinas galt als wesentliches Anliegen des arabischen Nationalismus, und viele Palästinenser:innen hofften, dass Nasser gegen Israel vorgehen würde.[6]

Die palästinensische Linke ging aus einer zweifachen Krise dieses arabischen Nationalismus hervor. Die erste Krise setzte 1961 ein, als sich der syrische Staat von der nur drei Jahre zuvor gegründeten Vereinigten Arabischen Republik abspaltete. Die zweite und schwerwiegendere Krise folgte der verheerenden Niederlage der arabischen Armeen gegen Israel im Sechstagekrieg von 1967. Das militärische Scheitern Ägyptens, Jordaniens und Syriens stellte die Doktrin infrage, dass Palästina durch die Einheit der arabischen Staaten befreit werden würde. Zu diesem Zeitpunkt begannen linksnationalistische Ideologien, die sich selbst als »marxistisch« bezeichneten, mit dem Nasserismus in der Arabischen Nationalistischen Bewegung (ANM) zu konkurrieren. Die ANM war eine panarabische Organisation, die von palästinensischen Studierenden an der Amerikanischen Universität Beirut im Gefolge der Nakba (Katastrophe) gegründet wurde. Nakba bezeichnet die gewaltsame Vertreibung von etwa 750.000 Palästinenser:innen durch den neu gegründeten Staat Israel im Jahr 1948.

Laut dem palästinensischen Soziologen Jamil Hilal griffen die linken Kritiker des Nasserismus jede Idee auf, die »auf dem Markt erhältlich war«.[7] Auf dem »Markt« waren damals vor allem die Ideologien das nationalen Befreiungskampfs in Algerien und Vietnams beliebt, für den viele Palästinenser:innen großen Respekt hatten. Die Texte der führenden Köpfe des antikolonialen Kampfs – wie Mao Zedong, Che Guevara und Ho Chi Minh – wurden viel gelesen und diskutiert. In diesem Zusammenhang gewann die stalinistische Etappentheorie in der palästinensischen Linken an Einfluss. Diese Theorie besagt, dass die Aufgabe der Kommunist:innen in nationalen Befreiungskämpfen darin besteht, die einheimische Kapitalistenklasse bei dem Aufbau ihres Nationalstaats zu unterstützen. Dabei dürften sie keinesfalls auf eine gesellschaftliche Revolution drängen, weil dann das Bündnis mit den Kapitalisten gefährdet wäre. Bevor der Sozialismus auf die Tagesordnung gesetzt werden könne, müsse die nationale Unabhängigkeit erreicht werden; zunächst müsse die erste Phase, die bürgerliche Revolution, abgeschlossen sein, bevor eine zweite Phase, die sozialistische Revolution, eingeleitet werden könne.

Zu denjenigen, die dieses Modell der nationalen Befreiung anstrebten, gehörten zwei Gründer der ANM: George Habasch, ein während der Nakba aus Lydda vertriebener Palästinenser, und Wadie Haddad, der 1948 aus Safad vertrieben worden war. Die beiden waren junge, panarabisch gesinnte Ärzte und leiteten gemeinsam eine Klinik in Amman, Jordanien. Sie trugen dazu bei, die palästinensische Sektion der ANM in die PFLP umzuwandeln, die sich mit der Palästinensischen Befreiungsfront und anderen Fedajin-Gruppen zusammenschloss.[8]

Die PLO hingegen wurde 1964 im Rahmen der regionalen Rivalitäten von Nasser als sein Werkzeug gegründet. Das änderte sich jedoch mit der militärischen Niederlage Nassers im Sechstagekrieg und der überraschend erfolgreichen Guerillaoperation der palästinensischen Fatah gegen die israelische Armee in Jordanien in der Schlacht von Karameh.[9] Später übernahm die Fatah die PLO und wandelte sie zu einer Massenbewegung um, die sich stärker von Kairo löste. Die neu gegründeten linken Gruppen, deren Führung die PLO zuvor abgelehnt hatten, schlossen sich ihr nun an.

Somit bestand die PLO in dieser Zeit aus einer Reihe bewaffneter Widerstandsgruppen mit einer säkularen Ideologie. Die Fatah war die größte Organisation und existierte bereits seit den 1950er Jahren, obwohl sie erst 1965 mit militärischen Operationen begann. Ihre Politik gründete auf einer Art watani-Nationalismus einer gemeinsamen palästinensischen nationalen Identität im Unterschied zum qawmi-panarabischen Projekt.[10] Die Fatah verfolgte mit ihrem Nationalismus das Ziel, alle palästinensischen Gesellschaftsschichten zu vertreten. Das kam bei der palästinensischen Kapitalistenklasse gut an, die eine Massenbewegung für ihren Kampf zur Schaffung eines palästinensischen Nationalstaats brauchte, aber auch ihre Bündnisse mit den arabischen kapitalistischen Staaten nicht gefährden wollte. Die Fatah wurde die Partei der palästinensischen Bourgeoisie. Die führenden Köpfe der Fatah sowie ihrer linken Konkurrenten in der neu gegründeten PLO stammten aus der in den arabischen Staaten im Exil lebenden palästinensischen Mittelschicht und Intelligenz.

Die Fatah verfolgte eine Politik der Nichteinmischung in die Angelegenheiten arabischer Staaten und lehnte es ab, sich in die politischen Kämpfe in anderen arabischen Ländern einzumischen. Im Gegensatz dazu hielt die PFLP eine Einmischung für unerlässlich. Allerdings gelang es ihr nicht, sich vollständig von ihrem panarabischen Hintergrund zu lösen, und unter Einmischung verstand sie keinesfalls Arbeiterrevolutionen und die Zerstörung der kapitalistischen Staatsapparate. Die ideologischen und organisatorischen Vorstellungen der PFLP folgten dem Beispiel der nationalen Befreiungsbewegungen der Dritten Welt, deren radikale Intellektuelle sich an dem chinesischen und sowjetischen Modell des Staatskapitalismus zur Schaffung von Wirtschaftswachstum und Unabhängigkeit orientierten. Die Organisation vertrat weiterhin die Auffassung, dass die nationale Befreiung die Unterstützung des palästinensischen Widerstands seitens der arabischen Regierungen voraussetzte. Dies meinte Habasch, der erste Generalsekretär der PFLP, als er die einst von dem PLO-Vorsitzenden Ahmad Schukeiri geprägte panarabische Parole übernahm: »Der Weg nach Palästina führt über Amman, über Beirut, über Kairo und über Riad.«[11] Wenn revolutionäre Sozialist:innen dieselbe Parole erheben, erhält sie eine ganz andere Bedeutung: Die revolutionären Kämpfe der arbeitenden Klasse und der Armen in den Ländern um Palästina werden entscheidend für den Sieg der palästinensischen Revolution sein.

Der Preis der Abhängigkeit

Die PLO nutzte die Taktik der »asymmetrischen Kriegsführung«, um es mit dem mächtigen israelischen Feind aufzunehmen. Allerdings waren die Risiken enorm für diejenigen, die den aufopferungsvollen und oft notwendigerweise geheim organisierten Widerstand im Untergrund gegen einen militärisch überlegenen Feind führten. Mit dem Sieg Israels über den arabischen Nationalismus im Sechstagekrieg war der Siedlerstaat zum Wachhund des US-Imperialismus in der Region geworden. Palästinensische Politiker mussten damit rechnen, innerhalb wie außerhalb Palästinas ermordet oder inhaftiert zu werden, und ihre Organisationen wurden von Israel und dem Westen kriminalisiert und unterdrückt.
Nach dem Bruch mit Nasser akzeptierte die PLO die Unterstützung neuer staatlicher Akteure, die von den Golfmonarchien über das postkoloniale Algerien bis nach Vietnam und Kuba reichten. Die Organisation versuchte, finanziell, militärisch und diplomatisch zu gedeihen, indem sie sich die imperialistische Konkurrenz Washingtons und Moskaus im Kalten Krieg sowie die regionalen Rivalitäten zwischen den arabischen Regimen zunutze machte.

Auch der linke Flügel der PLO war auf Unterstützung staatlicher Akteure von außen angewiesen. Omar Mostafa schrieb:

»[Obwohl] sie zu Recht die Vorstellung zurückwies, dass einige arabische Regime sozialistisch seien, machte die PFLP eine falsche Unterscheidung zwischen reaktionären Regimen, die sich dem Imperialismus anpassten, und fortschrittlichen nationalistischen Regimen, die gezwungen waren, gegen ihn zu kämpfen. Auf der Grundlage dieser Unterscheidung verbündete sich die PFLP mit einer Reihe repressiver arabischer Regierungen wie dem Baath-Regime im Irak und dem Regime Assads in Syrien.«[12]

Die PFLP war die größte linke PLO-Fraktion der Fatah, aber sie war nicht die einzige. Die Demokratische Volksfront zur Befreiung Palästinas (DPFLP) war nach einer Abspaltung des linken Flügels von ehemaligen Mitgliedern der ANM und der PFLP gegründet worden und organisierte sich als »progressiver Flügel« um die Zeitung Al-Hurriyya (Freiheit). Im Jahr 1969 spaltete sie sich von der PFLP ab, weil sie die Unterscheidung zwischen reaktionären und fortschrittlichen arabischen Staaten ablehnte. Im Jahr 1975 nahm die Organisation offiziell den Namen Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) an. Mit ihrer Kritik an der PFLP stellte sie auch deren militärischen Ansatz infrage und plädierte zunächst dafür, zu einem umfassenden »Befreiungsvolkskrieg« durch Schaffung eines »politischen Massenbewusstseins« überzugehen.[13] Der DFLP gelang es jedoch nicht, finanziell unabhängig von den arabischen Regimen zu bleiben, die sie der Theorie nach ablehnte. Mamdouh Nofal, einst Schatzmeister der DFLP, behauptete in einem Interview mit Al Jazeera, dass »die DFLP von 1978 bis 1980 monatlich eine Million Dollar von Libyen erhielt, die PFLP über eine Million Dollar und die PFLP – Generalkommando 1,5 Millionen Dollar«.[14]

Die DFLP begann zwar als linke Abspaltung der PFLP und lehnte die Theorie von den »fortschrittlichen arabischen Regimen« ab, hielt jedoch an der falschen Etappentheorie fest. Als im Jahr 1970 die jordanische Monarchie einen brutalen Bürgerkrieg gegen die PLO führte und diese in die Krise stürzte, vollzog die DFLP einen scharfen Rechtsruck. Im Jahr 1973, nur wenige Jahre nachdem sie davon gesprochen hatte, Räte (Sowjets) zu gründen, entwickelte die DFLP ihr Programm der »Etappenpolitik«, in dem sie für eine »unabhängige kämpferische Nationalbehörde« eintrat, somit für einen palästinensischen Ministaat im Gazastreifen und im Westjordanland. Im folgenden Jahr wurde dieser Vorläufer der »Zweistaatenlösung« vom Palästinensischen Nationalrat und dem Führer der Fatah und der PLO, Jassir Arafat, angenommen.

Dieser politische Kurswechsel der DFLP und der Fatah war eine tragische und falsche Reaktion auf die schwere Niederlage, die der palästinensischen Nationalbewegung in Jordanien im Jahr 1970 zugefügt worden war. Die Haltung der Regionalstaaten gegenüber der palästinensischen Nationalbewegung blieb widersprüchlich. Saudi-Arabien und Kuwait behaupteten, die PLO zu unterstützen, finanzierten aber gleichzeitig die jordanische Monarchie, die ihre Angriffe auf die palästinensischen Organisationen noch verschärfte.[15] Trotz der Anzeichen für die Instabilität des jordanischen Regimes und der Aufrufe linker palästinensischer Parteien in Jordanien, die reaktionäre Herrschaft von König Hussein zu beenden, bereitete sich keine dieser Organisationen 1969/70 ernsthaft auf die Möglichkeit eines revolutionären Aufstands gegen die Monarchie vor. Der Aufbau einer Massenbewegung aus Palästinenser:innen und Jordanier:innen gegen die Monarchie hätte die drohende Vertreibung der palästinensischen Guerilla aus Jordanien verhindern und einen Weg zur Befreiung Palästinas eröffnen können. Doch anstatt sich in der palästinensischen und jordanischen arbeitenden Klasse zu verankern, setzte die PFLP auf Flugzeugentführung, brachte im September 1970 mehrere westliche Flugzeuge in ihre Gewalt und leitete sie nach Jordanien um.

Als das jordanische Regime daraufhin mit großer Härte gegen die PLO vorging und dies mit den Flugzeugentführungen rechtfertigte, war keine der palästinensischen Kräfte darauf vorbereitet. Die Fatah-Führung, die ihre arabischen Freunde in der arabischen herrschenden Klasse nicht vor den Kopf stoßen wollte, stimmte angesichts der Bombardierung palästinensischer Hochburgen in Amman einem Waffenstillstand zu, der es König Hussein erlaubte, die Disziplin in seiner Armee zu festigen. Es gab keinen ernsthaften Versuch, die einfachen Soldaten gegen ihre unpopuläre Führung aufzubringen. Nach monatelangem Hin und Her wurden die palästinensischen Guerillas besiegt und aus Jordanien vertrieben, was als Schwarzer September in die Geschichte einging.[16] Die vermeintlich »radikaleren« arabischen Führer kamen den Palästinenser:innen nicht zu Hilfe. Chris Harman, der aus Jordanien berichtete, schrieb: »Unterdessen schaut Nasser, der selbsternannte Führer der arabischen Revolution, zu und hofft, dass der König gewinnt.«[17] Hafis al-Assad, Syriens Diktator, verhielt sich ebenso.

Trotz Stalins diplomatischer und militärischer Unterstützung für die Gründung des Staates Israel wurde die Sowjetunion zu einem wichtigen Bezugspunkt für die PLO. Bis 1970 stellte die Sowjetunion nicht nur Geld und geheimdienstliche Informationen zur Verfügung, sondern bildete auch militärisch aus und lieferte Panzerfäuste, Minen und Raketen. Die Waffen wurden insbesondere an PFLP-Kämpfer weitergeleitet. Die Ausrichtung der Gruppe auf die Sowjetunion ging über den Erhalt materieller Zuwendungen hinaus und beinhaltete die Übernahme von Organisationskonzepten wie einem Zentralkomitee, das auf der stalinistischen Interpretation des »demokratischen Zentralismus« aufbaute. In der Praxis lief dieses stalinistische Organisationsmodell auf einen bürokratischen Zentralismus hinaus und schwächte die interne Demokratie.

Die Sowjetunion strebte in der Tat danach, die an sie gebundenen Organisationen in loyale Instrumente ihrer eigenen außenpolitischen Ziele zu verwandeln. Ein Bericht des sowjetischen Geheimdienstes legte die Absichten bei der Unterstützung der PFLP-Guerilla offen: »Die Art unserer Beziehungen zu Haddad erlaubt uns eine gewisse Kontrolle über die Aktivitäten der Abteilung für Auslandseinsätze der PFLP, was es uns ermöglicht, einen für die Sowjetunion günstigen Einfluss auszuüben – und auch einige unserer eigenen Ziele durch die Aktivitäten der PFLP unter Wahrung der notwendigen Geheimhaltung zu erreichen.«[18] Die Abhängigkeit von der Sowjetunion bedeutete zumindest ein gewisses Maß an Gefolgsamkeit in Bezug auf ihre Anweisungen und weltanschaulichen Vorgaben.

Die Grenzen einer militärischen Strategie der nationalen Befreiung

Die linken Kräfte in der PLO ließen sich vom Guevarismus inspirieren und legten den Schwerpunkt auf den bewaffneten Kampf und den revolutionären Voluntarismus. Leila Chaled, Mitglied des PFLP-Kaders und eine der Entführerinnen vom September 1970, griff in ihrer Autobiografie Guevaras berühmte Worte über die Aufgabe der Revolutionäre auf: »Wir handeln als Revolutionäre, um die Massen zu bewegen und den revolutionären Umsturz in einer Ära der Konterrevolution einzuleiten.«[19] Was hier zum Ausdruck kommt, ist die Vorstellung, dass der revolutionäre Wille des Einzelnen eine konterrevolutionäre Phase in eine revolutionäre verwandeln kann. Der bewaffnete Widerstand wurde als Mittel zur Verwirklichung der Revolution angesehen. Khaleds Strategie für die Befreiung Palästinas beruhte auf dem Beispiel des bewaffneten Kampfs unter anderen kolonialen Umständen: »Wir müssen lernen, unseren algerischen Brüdern nachzueifern.« Ähnlich behauptete die PFLP, die Befreiungsfront Vietnams habe bewiesen, dass »wir dem Imperialismus mit seiner technologischen, wirtschaftlichen und militärischen Überlegenheit nur mit der Methode des Guerillavolkskriegs begegnen können«.[20]

Viele Kräfte der palästinensischen Linken lehnten zu Recht die Logik der Fatah ab, die auf Scheindiplomatie, politische Zugeständnisse und fruchtlose Verhandlungen mit der israelischen Kolonialmacht setzte. Ghassan Kanafani, Schriftsteller und führendes PFLP-Mitglied, beschrieb solche ungleichen Gespräche als »Gespräch zwischen Schwert und Hals«.[21] Wie Jabra Nicola, ein bedeutender palästinensischer revolutionärer Sozialist, jedoch richtig feststellte, bedeutete die fast ausschließliche Betonung einer Militärstrategie, dass sich die linken Kritiker der Fatah kaum an den dringend notwendigen Kämpfen palästinensischer Basisorganisationen beteiligten.[22] Der bewaffnete Widerstand diente als Ersatz für ein Projekt der Massenbeteiligung zur Erringung der nationalen Befreiung. Jabra, der unter dem Pseudonym »A Said« schrieb, fasste in einem Artikel mit dem Titel »Thesen zur Revolution im arabischen Osten« seine Auffassung von den »Gründen für die palästinensische Niederlage« zusammen:

  1. Das Versagen der Führung, in Theorie und Praxis die regionale (gesamtarabische) Reichweite der Revolution zu begreifen; die Trennung des Kampfes für die »Befreiung Palästinas« vom Kampf gegen alle arabischen Regime für eine proletarisch-sozialistische Revolution im gesamten arabischen Osten, die allein den Imperialismus und das zionistische Israel besiegen kann.
  2. Die Übernahme der Theorie der »Etappenrevolution« und der Theorie vom »Haupt- und Nebenwiderspruch«, die den Klassenkampf für »eine bestimmte Zeit« der »nationalen Einheit« unterordnet und somit die arabischen Regime und die arabischen herrschenden Klassen als Verbündete im Kampf gegen den Imperialismus und den Kampf gegen Israel betrachtet und nicht als Klassenfeinde, die bekämpft und gestürzt werden müssen.
  3. Ihre Übernahme der Theorie vom »Fokus«, die fast ausschließlich den militärischen Aspekt des Kampfes betont, und die Weigerung, die Notwendigkeit einer gesamtarabischen revolutionären Avantgardeorganisation anzuerkennen, und [die Notwendigkeit] militärische Operationen der politischen Strategie und politischen Führung unterzuordnen. Deshalb unternahm sie keine Anstrengungen, die Massen in den verschiedenen arabischen Ländern zu politisieren und sie für einen revolutionären Kampf zu gewinnen, nicht nur für die »Befreiung Palästinas«, sondern für die Befreiung des gesamten arabischen Ostens von der imperialistischen Vorherrschaft und von den arabischen Herrschern und Regimen, mittels derer der [Imperialismus] herrscht. Ihre Betonung der Trennung des palästinensischen Kampfes vom lokalen Kampf in den arabischen Ländern führte dazu, dass sie mit ihrer Politik in Bezug auf die arabischen Massen sogar die jordanischen und libanesischen Massen, unter denen sie tätig war und ihre Basis hatte, entmutigte und gegen sich aufbrachte.[23]

Die Logik ihrer Konzentration auf den Guerillakrieg führte dazu, dass linke Kräfte in der PLO mit immer spektakuläreren bewaffneten Operationen militärisch mit der Fatah konkurrierten. Doch selbst der militärisch radikalste Flügel des revolutionären Nationalismus sah in der Aktivität der Massen lediglich ein Werkzeug für den Aufbau eines Nationalstaats, anstatt zu erkennen, dass die einfachen Menschen sich durch die Aneignung der Produktionsmittel befreien können. Diese Haltung lässt sich auch an dem Gründungsdokument der PFLP von 1967 ablesen, in dem die Massen aufgerufen werden, ihre Rolle als Unterstützer des bewaffneten Widerstands zu erfüllen:

Die Massen (oh Söhne unseres heldenhaften Volkes!) sind der Atem der Kämpfer, und die Beteiligung der Massen am Kampf wird uns langfristig den Sieg bringen. Die Unterstützung des Volkes für die Kämpfer auf allen Ebenen und in jedem Land bildet die Grundlage für einen echten, entschlossenen und sich zuspitzenden Kampf und für Standhaftigkeit, bis wir den Feind geschlagen haben.[24]

Nach dieser Auffassung ist die Massenaktivität Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit einer kleinen Gruppe von Kämpfern. Anstatt dass die Arbeiter ihre eigenen Fähigkeiten zur revolutionären Selbstregierung entwickeln, wird von ihnen erwartet, dass sie in erster Linie die militärischen Operationen der Guerillaorganisationen unterstützen.

Vom Gewehr zum Olivenzweig

Nachdem die bewaffneten palästinensischen Gruppierungen in Jordanien im September 1970 von den Streitkräften König Husseins besiegt worden waren, musste die PLO das Land verlassen und nach Libanon gehen, wo sie bald in den libanesischen Bürgerkrieg geriet. Das erwies sich als Wendepunkt für die Entwicklung der palästinensischen Linken. Während ihrer Zeit in Libanon schuf die PLO ein quasistaatliches Gebilde, was zur Bürokratisierung und Institutionalisierung auch der linken Fraktionen führte.[25] Dies wirkte sich auch auf die PFLP aus, die ebenfalls Gelder über PLO-Kanäle erhielt. Der politische Aktivismus wurde einer »Professionalisierung« unterworfen, es entwickelten sich bürokratische Strukturen und die materielle Abhängigkeit von den Geldern der PLO und den staatlichen Geldgebern wuchs. Diese Bürokratisierung »beeinflusste unter der Hand die Handlungsfähigkeit der PFLP und stellte ein Hindernis für Veränderungen dar«, weil »bestehende Positionen in der Organisation gefährdet« gewesen wären:

Darüber hinaus diente die bürokratische Struktur der Führung auch als ein Instrument, um eine stärkere Kontrolle über die Mitglieder der Partei auszuüben. Die Notwendigkeit für die PFLP, die Integration in die PLO-Institutionen aufrechtzuerhalten, und die Bürokratisierung ihrer Struktur […] förderten daher einen konservativen Ansatz in der PFLP-Führung.[26]

Die weitverbreitete Korruption in der PLO wirkte sich durch das System der Gelderverteilung zwischen den Fraktionen auch auf die linken Strömungen aus und der Wettbewerb um Gelder von staatlichen Gebern wurde auf diese Weise institutionalisiert. Letztlich kontrollierte das Exekutivkomitee der PLO den Haushalt der Organisation. Die Entscheidungsfindung und die Haushaltskontrolle wurden unter Fatah-Führer Jassir Arafat konsolidiert, der dadurch auch politisch Einfluss nahm. Die PFLP verließ das Exekutivkomitee, als die PLO mit ihrem Zehnpunkteprogramm von 1974 eine Zweistaatenlösung ins Auge fasste, trat aber sieben Jahre später wieder ein. Die Schwächung der Demokratie in der PLO spiegelte sich auch im Palästinensischen Gewerkschaftsbund wider, wo nach 1981 keine Wahlen mehr stattfanden, sondern der Vorstand von der Partei ernannt wurde. Die Fatah bestimmte sechs der Sitze, drei gingen an die PFLP, und die anderen linken Parteien entschieden über die übrigen drei Sitze.
In den 1980er Jahren verloren auch die unabhängigen Zeitungen an Gewicht. Sie waren zuvor ein wichtiges Medium für die Autonomie des linken Flügels in der PLO gewesen. Das englischsprachige PFLP Bulletin stellte 1984 sein Erscheinen ein. Die nachfolgende, zweimonatlich erscheinende Publikation Democratic Palestine überlebte nicht einmal ein Jahrzehnt. Nachdem die PFLP 1986 ihren Sitz nach Syrien verlegt hatte, stand ihre Wochenzeitung Al-Hadaf unter der Zensur des Regimes von Assad.[27]

Die PLO-Führung operierte weiterhin vom Exil aus und war nicht wesentlich an Aktivitäten im besetzten Palästina beteiligt. Der Hauptsitz der PFLP wurde 1982 nach Damaskus verlegt, und das syrische Regime wurde »ihr wichtigster regionaler Partner.«[28] Vor Mitte der 1970er Jahre, als die linken PLO-Fraktionen im besetzten Palästina an Bedeutung gewannen, war die einzige PLO-Fraktion dort die winzige Kommunistische Partei Palästinas.[29]

Im Jahr 1987 lenkte der Ausbruch der Ersten Intifada die Aufmerksamkeit auf den besetzten Gazastreifen und das Westjordanland.[30] Die Palästinenser:innen wehrten sich gegen die israelische Besetzung mit Massendemonstrationen, Generalstreiks und der Bildung von Basisorganisationen, was Menschen weltweit begeisterte. Basiskomitees organisierten Proteste, Streiks und physischen Widerstand gegen die israelischen Besatzungstruppen und schufen Untergrundeinrichtungen für Gesundheit und Bildung. Diese Volkskomitees wurden von Teilen der palästinensischen Führung vor Ort im Gazastreifen und im Westjordanland gefeiert. In einem Kommuniqué vom 28. Mai 1988 forderte die Vereinte Nationale Aufstandsführung die Palästinenser:innen auf, »den Selbstverwaltungsapparat des Volks mittels der Volkskomitees aufzubauen«.[31] Eine mögliche Alternative zum Selbstverständnis der PLO als »alleinige Vertreterin« des palästinensischen Volks zeichnete sich ab, auch wenn die Linke in der Aufstandsbewegung nicht gut verankert war.

Natürlich widersetzte sich eine PLO unter der Führung der Fatah dieser Entwicklung. Die Gefahr, von der sich in Gaza und im Westjordanland von unten herausbildenden alternativen Führung ersetzt zu werden, trieb Arafat zu weiteren Verhandlungen mit Israel und den USA. Dies hätte ein entscheidender Moment für eine revolutionäre linke Alternative sein können. Doch obwohl die PFLP im besetzten Palästina durch ihre Untergrundorganisation eine Präsenz aufgebaut hatte, blieb ihre bürokratisierte Führung im Exil an die PLO gebunden. Deshalb nahm sie eine zwiespältige Haltung zu Arafats Politik ein, was sie von ihrer Basis in Gaza und im Westjordanland entfremdete.

Die revolutionären Energien der Ersten Intifada wurden nicht nur durch den Bürokratismus der Fatah und ihre Neigung zum Kompromiss erstickt. Eine entscheidende Rolle bei der Niederschlagung des Aufstands spielte auch die Vertreibung von Millionen Palästinenser:innen und die durch den israelischen Siedlerkolonialismus erzwungene Zersplitterung der palästinensischen arbeitenden Klasse.[32] Die Streiks und Massendemonstrationen bereiteten der israelischen herrschenden Klasse einige Kopfschmerzen und verursachten militärische und politische Krisen. Diese Kämpfe reichten jedoch nicht, den israelischen Staat zu lähmen und zu spalten. Dank der Bereitschaft der jüdischen Israelis, palästinensische Arbeitskräfte zu ersetzen, und aufgrund der fortgesetzten Militär- und Wirtschaftshilfe der USA konnte der Staat Israel weiterbestehen.

Ab Mitte der 1990er Jahre führte die Schaffung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) als Handlangerin der Besetzung im Rahmen des Osloer Abkommens zur Konsolidierung und Institutionalisierung des Normalisierungsprozesses zwischen der PLO und Israel. Die PFLP wie auch die DFLP stellten sich von Anfang an in ihren Verlautbarungen gegen das Abkommen, und die PFLP rief sogar eine »Ablehnungsfront« unter ihrer Führung ins Leben, der sich die DFLP anschloss. Weil die PFLP-Strukturen von der PLO jedoch abhängig waren, war es ihr ideologisch, organisatorisch und finanziell nicht möglich, ihrer ablehnenden Haltung Taten folgen zu lassen.

Die Hamas trat als neuer Konkurrent um die palästinensische Führung außerhalb des PLO-Rahmens auf. Von 1988 bis 1989 verzeichnete die PFLP noch starken Mitgliederzuwachs, der jedoch bis 1991 drastisch abnahm. Ein Jahr später gewann sie keine Mitglieder mehr. Etliche PFLP-Mitglieder wechselten zur Hamas als die neue, aufstrebende Organisation über.[33] Die Zustimmungswerte zur PFLP sanken 1995 auf nur noch drei Prozent, als die PLO-Führung nach weiteren Verhandlungen mit Israel das Abkommen von Taba, auch bekannt als »Oslo II«, unterzeichnete.[34] Im Jahr 2006 lag die Zustimmung zur Hamas bei den palästinensischen Wähler:innen nach Angaben des Palästinensischen Zentrums für Politik- und Umfrageforschung (PCPSR) bei 38,6 Prozent, verglichen mit 42,1 Prozent für die Fatah.[35] Laut derselben Umfrage erhielt die PFLP nur 4,4 Prozent, während die DFLP 1,2 Prozent erhielt. Die jüngste Umfrage des PCPSR vom Dezember 2023 ergab eine Unterstützung für die Hamas von 43 Prozent, für die Fatah von 17 Prozent und für die PFLP von nur einem Prozent.[36]
Keine der linken Fraktionen der PLO wurde von weiten Teilen der palästinensischen Massen als konsequente und unabhängige Alternative zur Fatah angesehen, stattdessen füllten Parteien des politischen Islams das Vakuum.

Die palästinensische Linke hat sich nach Oslo in den vergangenen Jahrzehnten nicht von ihrem Niedergang erholt. Dennoch spielen die durch ihren Aufstieg und Niedergang aufgeworfenen strategischen und politischen Fragen in der Politik Palästinas weiterhin eine Rolle. Heute identifizieren sich die führenden nationalen Widerstandskräfte weitgehend mit dem politischen Islam, aber die palästinensische Befreiungsbewegung steht immer noch vor ähnlichen Herausforderungen wie die säkularen nationalistischen und linken Fraktionen der PLO von den 1960er bis zu den frühen 1990er Jahren, auch was die Abhängigkeit des Widerstands von einer militärischen Logik und von regionalen staatlichen Förderern betrifft.

Iran ist in den vergangenen Jahrzehnten zum wichtigsten staatlichen Unterstützer der palästinensischen Widerstandskämpfer geworden. Wie bereits erwähnt, gehören die PFLP und die DFLP im Gazastreifen dem Gemeinsamen Palästinensischen Operationsraum an. Dieser ist Teil der von Iran angeführten Achse des Widerstands, eines informellen politischen und militärischen Bündnisses mit Irans Verbündeten und Stellvertretern im Nahen Osten. Vor seiner Ermordung durch die Palästinensische Autonomiebehörde stellte der bekannte linke Intellektuelle Nizar Banat in einem seiner Videos eine rhetorische Frage: »Woher habt ihr die Raketen, die den Gazastreifen schützen?«[37] Damit wollte er den nichtislamischen Gruppierungen sagen, dass die Palästinenser:innen dankbar sein sollten, weil der Iran die Widerstandskräfte mit Waffen versorgte.

Wie immer ist die Unterstützung Irans für den Widerstand jedoch an Bedingungen geknüpft. Als die Hamas sich weigerte, die mit dem Iran verbündete Diktatur Assads während der syrischen Revolution bedingungslos zu unterstützen, senkte Iran seine finanzielle Unterstützung von 150 Millionen Dollar auf unter 75 Millionen Dollar. Als der palästinensische Islamische Dschihad sich weigerte, sich mit der von Iran unterstützten Bewegung der Houthi in Jemen zu solidarisieren, wurden seine Mittel entsprechend gekürzt und an die inzwischen aufgelöste Sabirin-Bewegung, eine schiitische Organisation im Gazastreifen, weitergeleitet. Schließlich fügte sich der Islamische Dschihad.[38]

In den vergangenen Jahren gab es auch bei der im Exil in Katar lebenden Hamas-Führung Anzeichen dafür, dass sie den bereits von der Fatah und der PLO-Führung vorgezeichneten Weg einschlagen wollte, nämlich Anpassung an die westlichen Mächte und das internationale Staatensystem. Dazu wurden im Jahr 2017 in der Hamas-Charta – dem Gründungsdokument der Gruppe – Formulierungen gestrichen, die eine Zweistaatenlösung ausschlossen. Mit der überarbeiteten Charta wurde auch ein palästinensischer Staat in den Grenzen der 1967 besetzten palästinensischen Gebiete anerkannt.[39] Darüber hinaus bekräftigten Hamas-Vertreter im April 2024 ihr Bekenntnis zu einem »vorübergehenden« Zweistaatenkompromiss.[40]

Die Hamas ist nach wie vor eine Organisation, die von inneren politischen und Klassenwidersprüchen zerrissen ist. Dennoch sind ihre Parteibasis und ihr militärischer Flügel im Gazastreifen entschlossen, weiterhin Widerstand zu leisten. Die Widerstandsfähigkeit ihrer politischen Basis wie auch ihres militärischen Apparats hat trotz des enormen Ausmaßes des mörderischen israelischen Angriffs gleichermaßen Gegner und Anhänger der Hamas überrascht.

Widerhall in der Diaspora

Alte Argumente über Befreiungsstrategien kommen wieder hoch, da die internationale Palästina-Solidaritätsbewegung nach der Hamas-Offensive vom 7. Oktober und dem völkermörderischen Einmarsch der Israelis in Gaza ungeahnte Ausmaße angenommen hat.

Aufgrund der wiederholten ethnischen Säuberung Palästinas seit 1948 umfasst die palästinensische Diaspora weltweit Millionen Menschen. Die Diasporagemeinden unterscheiden sich je nach sozialer Zusammensetzung, Herkunftsorten und Ländern, aus denen sie geflohen sind. Dementsprechend haben sie unterschiedliche Erfahrungen mit den historischen und derzeitigen Herausforderungen, denen sich die Palästinenser:innen im Gazastreifen, im Westjordanland, im »Palästina von 1948« (dem Gebiet, das Israel seit der Nakba offiziell beansprucht), in Jordanien, Libanon, Syrien, den Golfstaaten und anderen Regionen des Nahen Ostens gegenübersehen. In den Diasporagemeinden und der Solidaritätsbewegung kommt es immer wieder zu Kontroversen und Spannungen über die Haltung zur Hamas und zur PLO, zu den arabischen Revolutionen und den anschließenden Gegenrevolutionen sowie zu Strategien für die nationale Befreiung Palästinas.

Das sollte nicht überraschen. Auch die Exilgemeinden sind von inneren Gegensätzen geprägt. Alte PLO-Strukturen haben im Westen überlebt, und die Diasporagemeinden stehen häufig unter der Führung von im Exil lebenden Mitgliedern der Kapitalistenklasse oder langjährigen Parteikadern. Einige pflegen diplomatische und finanzielle Beziehungen zu den arabischen Staaten, die mit ihren jeweiligen politischen Parteien verbunden sind. In mancher Hinsicht ähneln die politischen Strukturen der Diaspora in Miniatur der PLO. Da diese Exilformationen seit Jahrzehnten aktiv sind, haben viele Merkmale bewahrt, die vor der Entstehung der Hamas und der Gründung der Palästinensischen Autonomiebehörde von größerer Bedeutung waren. Einige sehen die PLO nach wie vor als »alleinige Vertreterin des palästinensischen Volkes« an – wie auch die Vereinten Nationen und die Arabische Liga sie nennen – und betrachten sich deshalb als alleinige Vertreterin ihrer jeweiligen palästinensischen Diasporagemeinde. Viele dieser politischen Exilstrukturen haben jedoch Nachwuchsprobleme, weil mitunter sogar ihre eigenen Nachkommen sich höchstens abstrakt mit diesen historisch gewachsenen Gruppen identifizieren können.

In den vergangenen Jahren sind vielversprechende neue palästinensische Diasporagruppierungen entstanden, insbesondere im Zuge der Bewegung Black Lives Matter im Jahr 2020 und der Solidaritätsbewegung gegen die Räumung und ethnische Säuberung von Palästinenser:innen im Jerusalemer Stadtteil Scheich Dscharrah. Beispiele hierfür sind die Palästinensische Jugendbewegung in den USA, in Kanada und Großbritannien sowie »Palästina spricht« in Deutschland. Diese politischen Strukturen wurden maßgeblich von der zweiten und dritten Generation der Diasporapalästinenser:innen geschaffen. Die von den Aktivist:innen dieser Gruppen vertretenen politischen Positionen sind notwendigerweise unterschiedlich, zumal sie von einer unbestimmten Vorstellung von palästinensischer Identität ausgehen. So erklärt beispielsweise die Palästinensische Jugendbewegung: »Ungeachtet unseres unterschiedlichen politischen, kulturellen und sozialen Hintergrunds bemühen wir uns, eine Tradition des pluralistischen Engagements für unsere Sache wiederzubeleben.«[41] In ihrem öffentlichen Auftritt betont die Organisation ihre Unabhängigkeit und ihre Nichtzugehörigkeit zu einer palästinensischen Partei sowie ihre Bemühung, eine Bewegung für die palästinensische Befreiung durch Beteiligung an Kämpfen an der Seite anderer unterdrückter Gruppen wiederaufzubauen. Auf ihrer Website dokumentiert sie beispielsweise ihre Solidaritätsaktionen für die Gegner der Dakota Access Pipeline und ihren Versuch, eine Verbindung zwischen dem palästinensischen Kampf und dem der indigenen Völker Nordamerikas gegen Völkermord und Unterdrückung herzustellen.

Wie bei anderen jungen Aktivengruppen ist der Anteil der Studierenden in der Regel hoch. Viele dieser palästinensischen Aktiven sind als Migrant:innen in westlichen Ländern sozialisiert worden, bevor sie sich als Palästinenser:innen politisch organisierten. Andere, die in diesen Gruppen aktiv sind, sind erst vor Kurzem in den Westen gekommen, zum Beispiel auf der Flucht vor dem syrischen Bürgerkrieg und der Zerstörung des am Rande von Damaskus gelegenen palästinensischen Flüchtlingslagers Jarmuk. Die Frage der staatlichen Zugehörigkeit zum palästinensischen Widerstand ist für die Aktiven, die miterlebt haben, wie das PFLP Generalkommando zur Verteidigung des Regimes von Assad gegen das Lager vorging, etwas sehr Konkretes.

Natürlich stellen sich in diesen Formationen auch weitere Fragen, darunter konkurrierende Visionen für ein freies Palästina und der Druck zu separatistischer Politik aufgrund einer unklaren Vorstellung von palästinensischer Identität. Darüber hinaus sind sich die weitsichtigsten palästinensischen Aktiven darüber im Klaren, dass selbst die Organisierung der gesamten Gemeinde in einem bestimmten imperialistischen Land nicht ausreichen würde, die Unterstützung dieses Staats für Israel wesentlich zu schwächen.

In diesem Zusammenhang kommt es häufig zu Diskussionen über die Taktik der Einheitsfront. Angesichts des oben erläuterten historischen Verrats besteht unter palästinensischen Aktivist:innen verständlicherweise eine weit verbreitete Angst vor dem, was als »Normalisierung« bezeichnet wird: der Aufbau von Beziehungen zu Zionisten und der Besatzungsmacht. Wird der Versuch unternommen, die Solidaritätsbewegung auszuweiten, gibt es Diskussionen darüber, wie unterschieden werden kann zwischen einer Einheitsfronttaktik zur Erreichung der Basis der Organisationen der arbeitenden Klasse und Aktivitäten, die den Verrat an der palästinensischen Sache normalisieren.

Eine der dringlichsten Debatten für Sozialist:innen während der laufenden Massenmobilisierungen gegen den israelischen Völkermord in Gaza ist die Frage, wie sie sich zu anderen Bewegungen und Kämpfen, insbesondere zur Arbeiterbewegung, verhalten sollen. In den vergangenen Monaten hat es inspirierende Aktionen von Arbeiter:innen gegeben, um Waffenlieferungen an Israel zu stoppen. Weltweit wurde auf 1.-Mai-Demonstrationen die Solidarität mit Palästina in den Vordergrund gestellt. An einigen Orten haben sich propalästinensische Demonstrierende den Arbeiterprotesten angeschlossen; an anderen Orten haben Arbeiter:innen und Gewerkschafter:innen selbst propalästinensische Forderungen aufgestellt. In mehreren Gegenden der Welt haben sich Arbeiter:innen und Aktive gegen das von ihrer eigenen Gewerkschaftsbürokratie ausgesprochene Verbot palästinensischer Flaggen gewehrt. Die neue, junge Generation palästinensischer Aktivist:innen wird zunehmend in diese Konflikte und politischen Erfahrungen hineingezogen.

Der Aufbau einer Solidaritätsbewegung, die in der arbeitenden Klasse verankert ist, ist angesichts der zunehmenden staatlichen Repression und des harten Durchgreifens der Polizei gegen die weltweite Palästina-Solidaritätsbewegung besonders wichtig, wie die Studierendencamps in den USA, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden zeigen. Trotz brutaler staatlicher Angriffe wird intensiv darüber diskutiert, mit welchen Taktiken dieser Repression begegnet werden kann. Autonome militante Methoden und geheim vorbereitete Aktionen sprechen unter diesen Bedingungen viele an, insbesondere diejenigen, die von dem bewaffneten Guerillawiderstand der Palästinenser:innen angezogen sind. Zudem werden Aktivist:innen gezwungen, zu Fragen des militärischen Kampfes Stellung zu beziehen, weil Regierung und Medien jede Form palästinensischen Widerstands verurteilen. Der gegenseitige Beschuss Israels und Irans mit Raketen und Drohnen sowie die Blockade der internationalen Schifffahrt im Roten Meer durch die jemenitischen Houthis haben eine neue Debatte über die sogenannte Achse des Widerstands ausgelöst.

Für die Palästinenser:innen und die Solidaritätsbewegung im Ausland ist es notwendig, sowohl die historischen als auch die heutigen Ereignisse zu analysieren, um eine fundierte Haltung zu den Strategien zur Befreiung Palästinas einnehmen zu können. Die Debatten der Vergangenheit über das Verhältnis zwischen bewaffneten Aktionen und Massenmobilisierung können uns dabei helfen, Strategien für die Zukunft zu klären. Wie bereits dargelegt, zeigt die Erfahrung der früheren Formationen der palästinensischen Linken, dass geheim geplante Taten einiger weniger Spezialisten kein Ersatz für die kollektive Kraft von Massenaktivität und Massensolidarität sein können.
Die Befürwortung der Guerillataktik ist bei Weitem nicht auf die Aktivenszene beschränkt. Der schwedische marxistische Ökologe und Autor Andreas Malm zum Beispiel befürwortet zivilen Ungehorsam für die Klimabewegung.[42] Dementsprechend vertrat er angesichts des völkermörderischen Angriffs Israels auf Gaza in einer kürzlich erschienenen Analyse die Auffassung, die von der Hamas geführten Guerillaoperationen vom 7. Oktober seien die bisher größte Errungenschaft der palästinensischen Bewegung und stellten die Erste Intifada in den Schatten.[43] Bashir Abu-Manneh, Dozent für palästinensische und israelische Literatur, warf Malm in einem Artikel in der Zeitschrift Jacobin zu Recht vor zu übersehen, »dass die Erste Intifada die größte selbstorganisierte antikoloniale Massenbewegung in der palästinensischen Geschichte war, die Israel zu beispiellosen politischen Zugeständnissen gezwungen hat«.[44] Malms Propaganda der direkten Aktion ist dem Guerillakonzept des bewaffneten Widerstands verwandt, denn beide entspringen einem tiefen Zweifel an dem Potenzial und an der Macht der organisierten Arbeiter:innenklasse.

Bashir Abu-Manneh benennt jedoch kaum eine Alternative. Demoralisiert von dem Gemetzel in Gaza schlägt er vor, dass die Palästina-Solidaritätsbewegung den Kampf als eine Frage des Völkerrechts behandeln sollte, das keinen Unterschied zwischen Unterdrückern und Unterdrückten, Kolonisatoren und Kolonisierten macht. Seiner Ansicht nach hat der bewaffnete Widerstand der Hamas nur Zerstörung und Niederlage gebracht. Von einem internationalistischen Standpunkt aus betrachtet, ist das nicht stichhaltig.

Die Lage in Gaza ist verheerend, aber Israels völkermörderische Praktiken gehen dem Oktober 2023 voraus. Im Jahr 2018 hatten die Vereinten Nationen den Gazastreifen aufgrund der israelischen Belagerung bereits für »unbewohnbar« erklärt.[45] Israel übt nicht einfach Vergeltung für den Angriff vom 7. Oktober, sondern nutzt dies als Rechtfertigung für sein Bestreben, den Gazastreifen auszulöschen. In der Tat hat das in der israelischen Politik eine lange Tradition: Im Jahr 1992 sagte Premierminister Jitzchak Rabin: »Ich wünschte, ich könnte eines Tages aufwachen und Gaza wäre im Meer versunken.«[46] Darüber hinaus ist die Intensität der Angriffe auf palästinensische Zivilist:innen durch israelische Streitkräfte keineswegs einzigartig: Von Juni bis August 1982 wurden über 17.000 Menschen in Libanon von Israel getötet, angeblich als »Vergeltung« für das versuchte Attentat auf den israelischen Botschafter in London.[47]

Der palästinensische Autor Toufic Haddad erklärt, dass sich die palästinensische Nationalbewegung vor dem 7. Oktober »in der wenig beneidenswerten Lage befand, ihre Sache durch interne Spaltungen und die Zwangsjacke des Osloer Abkommens Stück für Stück zu zerreiben«, verschärft noch durch »die arabischen Normalisierungsabkommen mit Israel und weil niemand Israel ernsthaft zur Rechenschaft zog«.[48] Nun aber hat der israelische Angriff nach dem 7. Oktober eine beispiellose weltweite Solidaritätsbewegung ausgelöst, bei der Demonstrant:innen in Jordanien, Ägypten und Marokko mit ihren Regimen in Konflikt geraten sind. Über den Nahen Osten und Nordafrika hinaus gab es auch in den Zentren des westlichen imperialistischen Bündnisses, darunter in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, große Bewegungen zur Unterstützung der Palästinenser:innen.

Eine ähnliche Dynamik entwickelte sich während der Zweiten Intifada, die im September 2000 ausbrach. Die Zweite Intifada war nicht wie die Erste Intifada von unten organisiert, sondern war mit der Durchführung militärischer Avantgardeoperationen verbunden. Dennoch löste sie Solidaritätsaktionen von Studierenden in Ägypten aus, was später als erstes Anzeichen einer Basisbewegung im Vorfeld der Ägyptischen Revolution von 2011 angesehen wurde, die einen der stärksten Pfeiler der Unterstützung des israelischen Staats und des Imperialismus unter den arabischen Regimen erschütterte.[49]

Ein entscheidender Faktor heute ist die militärische Resistenz des palästinensischen Widerstands. Das wird inzwischen von israelischen Militäranalysten wie auch von einem wachsenden Teil der israelischen Bevölkerung anerkannt. Trotz überwältigender Vorteile in Bezug auf Feuerkraft und Militärtechnik sowie der eifrigen Unterstützung seitens der mächtigsten Staaten der Welt ist es der israelischen Armee nicht gelungen, die Hamas »auszulöschen«. Auch hat sie die palästinensische Bewegung nicht besiegt. Im Gegenteil, die Hamas hat die politische Kontrolle in Gebieten des Gazastreifens wiedererlangt, die angeblich vor Monaten von den israelischen Streitkräften erobert wurden, weshalb führende israelische Funktionäre einen »langwierigen Kampf« vorhersagen und erwarten, dass ihre Streitkräfte ihre militärischen Ziele bis 2026 oder 2027 nicht erreichen werden.[50]

Auch wenn wir gegen eine Strategie argumentieren, die sich allein auf ein militärisches Vorgehen stützt, können wir nicht leugnen, dass der bewaffnete Widerstand die Staaten im Zentrum des westlichen Imperialismus in Schock versetzt hat. Doch die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass der bewaffnete Kampf den Internationalismus der arbeitenden Klasse nicht ersetzen kann, auch nicht die Macht, die die Arbeiter:innen gegen das weltweite System des Kapitalismus und des Imperialismus besitzen. Auch wenn die arbeitende Klasse derzeit im Nahen Osten unterdrückt wird, können die Demonstrationen und Proteste von Arbeiter:innen in der Region zweifellos am ehesten das Blatt zugunsten einer Revolution gegen den israelischen Staat wenden und Möglichkeiten für die Zerschlagung der zionistischen Kriegsmaschine eröffnen.

Wie andere Autoren dieser Zeitschrift seit vielen Jahren argumentieren, hat insbesondere die ägyptische Arbeiter:innenklasse das Potenzial, die durch den palästinensischen Kampf verursachten Krisen im israelischen Staat wie auch in den USA und bei ihren westlichen Verbündeten erheblich zu verschärfen. Die ägyptischen Arbeiter:innen haben die Macht, das ägyptische Militärregime zu erschüttern, das ein wichtiger Brückenkopf für den imperialistischen Einfluss in der Region ist.[51] Bei Abfassung dieses Artikels sorgte die Diktatur von Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi mittels brutaler Repression immer noch für Ruhe auf Ägyptens Straßen und in den Betrieben. Dennoch verfolgt ihn die ägyptische Revolution von 2011 mit ihrer organischen Verbindung mit dem palästinensischen Kampf und der Solidarität der ägyptischen Massen mit dem besetzten Palästina.

Die palästinensische Linke hat nie eine ernsthafte Strategie zur Förderung der Selbstorganisation und der Macht der Arbeiter:innenklasse verfolgt, weder im historischen Palästina noch in der Region oder in der palästinensischen Diaspora. Die traditionellen linken Formationen haben sich nie von der Vorstellung gelöst, dass die heldenhaften Taten der bewaffneten Minderheit den Weg zur nationalen Befreiung des palästinensischen Volkes vom Siedlerkolonialismus weisen würden, statt der Selbstaktivität von Millionen.

Wie ich mit diesem historischen Abriss über den Aufstieg und die Niederlage der palästinensischen Linken zu zeigen versucht habe, war die Krise während der Ersten Intifada eine Krise der Führung. Die Führung der palästinensischen linken Organisationen stützte sich auf bewaffnete Avantgardeoperationen und die Hilfe der arabischen Staaten. Während der Intifada gab es keine in der Arbeiter:innenklasse verankerte revolutionäre Partei, die eine klarsichtige Alternative zur Kapitulation der PLO hätte bieten können.

Die bedingungslose Unterstützung des gesamten palästinensischen Widerstands muss mit einer ernsthaften Auseinandersetzung darüber einhergehen, wie der Widerstand am wirkungsvollsten sein kann und wie letztlich die Befreiung erreicht wird. Wir brauchen eine Diskussion über die in der Vergangenheit gemachten Fehler und einen Dialog darüber, welche Strategien erfolgreich sein können. Die Notwendigkeit eines strategischen Aufbaus revolutionärer Parteien – im besetzten Palästina und darüber hinaus –, die sich der Herausforderung des Sturzes des zionistischen Kolonialismus stellen, wächst mit jedem Tag der Fortsetzung des Völkermords am palästinensischen Volk.


Titelbild: Magne Hagesæter

aus: International Socialism 183, Sommer 2024, zuerst erschienen in International Socialism

aus dem Englischen von dem Svu-Übersetzungskollektiv

Referenzen:

  • 1 Vielen Dank an Anne Alexander für die Bearbeitung dieses Artikels und die Bereitstellung einiger wichtiger Hintergrundinformationen.
  • 2 „Hamas“ ist das arabische Wort für „Eifer“, aber es ist auch ein Akronym für den offiziellen Namen der Gruppe, die Islamische Widerstandsbewegung (Harakat al-Muqawama al-Islamiya).
  • 3 Der bewaffnete Flügel der Hamas ist nach Izz ad-Din al-Qassam benannt, einem syrischen Prediger und frühen militanten Gegner des Zionismus. Er gründete 1930 die Schwarze Hand, eine anti-britische und anti-zionistische Guerillagruppe. Al-Qassam wurde 1935 von den britischen Kolonialbehörden ermordet. Seine bewaffnete Kampagne war ein Vorläufer des palästinensischen Massenaufstands gegen die britische Herrschaft und die zionistische Kolonisierung zwischen 1936 und 1939.
  • 4 Chaliand, 1971, S.83.
  • 5 Wie Tony Cliff in einem Artikel nach dem Krieg von 1967 schrieb: „Nur Menschen, die ein Kolonialvolk, das sich gegen den Imperialismus auflehnt, von ganzem Herzen unterstützen, sind berechtigt, die Politik und Taktik ihrer Führer scharf zu kritisieren“ (Cliff, 1967).
  • 6 Siehe Marshall, 1989, S.106-113.
  • 7 Siehe https://player.vimeo.com/video/25917251?h=d811a692fa. Siehe ebenfalls Marshall, 1989, S.112-113; Sayigh, 1991, S.609.
  • 8 Fedajin (was „diejenigen, die sich opfern“ bedeutet) waren frühe palästinensische Guerillakämpfer.
  • 9 Fatah bedeutet „Eroberung“, ist aber auch ein umgekehrtes Akronym für den offiziellen Namen der Organisation, die Palästinensische Nationale Befreiungsbewegung (Harakat al-Tahrir al-Watani al-Filastini).
  • 10 „Watan“ ist das arabische Wort für „Nation“ oder „Heimat“, und „wataniyya“ (übersetzt „Nationalismus“ oder „Patriotismus“) wird mit Nationalismusformen assoziiert, die auf den bestehenden Nationalstaaten im Nahen Osten und Nordafrika basieren. Dies steht im Gegensatz zum „qawmiyya“-panarabischen Nationalismus. In einigen Fällen haben watani nationalistische Bewegungen die qawmiyya ausdrücklich abgelehnt, weil sie eine Einheit auf der Grundlage der arabischen Identität vorschlägt, wobei einige watani Nationalisten argumentieren, dass dies nicht-arabische Gruppen von ihrem Befreiungsprojekt ausschließt. Diese Kritik am qawmi-Nationalismus war im Irak einflussreich, wo die kurdische Bewegung ebenfalls in Befreiungskämpfe verwickelt war.
  • 11 Buck, 2013, S.4.
  • 12 Omar, 2002.
  • 13 Siehe Maher Charif’s Artikel, „Die Demokratische Front für die Befreiung Palästinas: 1969 to Present“, auf Interaktive Enzyklopädie der Palästinafrage—www.palquest.org/en/highlight/23611/democratic-front-liberation-palestine-%E2%80%93-dflp
  • 14 Tieses Interview erschien in einer arabischsprachigen Al Jazeera-Dokumentarserie mit dem Titel The Tale of a Revolution, die 2008 ausgestrahlt wurde. Die Folge mit dem Titel „In the Land of the Cedars“ ist online verfügbar unter www.dailymotion.com/video/xq98wp. Das Generalkommando der PFLP ist aus einer Abspaltung der PFLP im Jahr 1968 hervorgegangen. Es ist größtenteils in Syrien ansässig.
  • 15 Salibi, 1988, S.233.
  • 16 Harman, 2006.
  • 17 Harman, 1970.
  • 18 Bergman, 2016.
  • 19 Khaled, 1973, S.64.
  • 20 Volksfront zur Befreiung Palästinas, 1969, S.31; Khaled 1973, S.27. Die vietnamesische Nationale Befreiungsfront hatte 1968 die entscheidende Tet-Offensive gestartet.
  • 21 Siehe https://youtu.be/oHgZdCJOUAk?si=EWAyc_GaaiJrcGfN.
  • 22 Siehe Cliff, 2000; Greenstein, 2011. Nicola war ein palästinensischer trotzkistischer Aktivist aus Haifa. Ursprünglich war er ein führendes Mitglied der Palästinensischen Kommunistischen Partei, verließ diese jedoch, als sich die Gruppe 1939 in einen jüdischen und einen palästinensischen Flügel aufspaltete. In den 1940er Jahren schloss er sich dann Ygael Gluckstein (später bekannt als Tony Cliff) in einer kleinen trotzkistischen Organisation an. Nach Glucksteins Weggang nach London (wo er die Socialist Review Group, den Vorläufer der Socialist Workers Party, gründete) und im Gefolge der Nakba wurde Nicola zu einem führenden sozialistischen palästinensischen Intellektuellen. Er spielte eine wichtige Rolle bei der politischen Entwicklung von Matzpen („Kompass“), einer israelischen sozialistischen Organisation, der er 1963 beitrat. Nach dem Sechs-Tage-Krieg wurde er unter Hausarrest gestellt, bevor er 1970 nach London zog.
  • 23 Nicola, 1972.
  • 24 Volksfront für die Befreiung Palästinas, 1967, S.17.
  • 25 In den 1970er Jahren war die PLO in der Lage, eine relativ große Infrastruktur aufzubauen, die sowohl der Versorgung der Palästinenser:innen in den Flüchtlingslagern als auch der Unterstützung ihres politischen Projekts diente. Die arabischen Staaten unterstützten die PLO mit finanziellen Mitteln und ermöglichten so die Entwicklung eines „Staates ohne Territorium“. Siehe Marshall, 1989, S.130.
  • 26 Leopardi 2017, S.192-193.
  • 27 Eleftheriadou, 2021.
  • 28 Leopardi, 2017, S.50.
  • 29 Hiltermann 1993, S.46-52.
  • 30 Intifada ist das arabische Wort für „Aufstand“. Die erste Intifada brach im Dezember 1987 im Gazastreifen nach einem schrecklichen Zwischenfall aus, bei dem ein israelischer Panzertransporter im Flüchtlingslager Jabalia in ein Auto mit palästinensischen Arbeitern raste und vier Insassen tötete. Die Beerdigungen der Toten wurden zu Massendemonstrationen gegen die israelische Besatzung und lösten große Mobilisierungen und Zusammenstöße im gesamten Gazastreifen und im Westjordanland aus. Siehe Marshall, 1989, S.11.
  • 31 Mishal and Aharoni, 1994, S.98.
  • 32 Marshall, 1989, S.154-155.
  • 33 Siehe https://player.vimeo.com/video/25917251?h=d811a692fa
  • 34 Palestinian Center for Policy and Survey Research, 1995.
  • 35 Palestinian Center for Policy and Survey Research, 2006.
  • 36 Palestinian Center for Policy and Survey Research, 2023.
  • 37 Video available at https://youtu.be/eHqSH7Gwc7g?si=fuwV_FbOP02iL3Dk
  • 38 Skare, 2023.
  • 39 Al Jazeera, 2017.
  • 40 Associated Press, 2024.
  • 41 Siehe https://palestinianyouthmovement.com/about
  • 42 Malm, 2021.
  • 43 Malm, 2024.
  • 44 Abu-Manneh, 2024.
  • 45 United Nations, 2018.
  • 46 Munayyer, 2023.
  • 47 Ross, 1982.
  • 48 Haddad, 2024.
  • 49 Die zweite Intifada endete 2005 und führte zur Auflösung der israelischen Siedlungen im Gazastreifen und zum Rückzug des israelischen Militärs aus dem Gebiet. Ein Großteil der Intifada bestand aus Schießereien und Bombenanschlägen, die von den militanten Gruppen organisiert wurden.
  • 50 Zitun, 2024.
  • 51 Alexander, 2024.

Literaturverzeichnis