DIE LINKE scheitert erneut an der Palästina-Solidarität. Die Partei darf der staatlichen Repression keinen Freifahrtschein geben, kommentiert Christine Buchholz
Die Tatsache, dass sich der Berliner Landesparteitag der LINKEN am 27. April nicht gegen das Verbot des Palästina-Kongresses, die Repression der Palästina-Solidarität und die Schließung zweier Mädchen- und Frauenzentren positioniert hat, ist eine Schande. Mit zweifelhaften formalen Argumenten empfahl die Antragskommission den Delegierten die Nichtbefassung von Anträgen zu dem Thema. Leider folgte die Mehrheit diesen Argumenten.
Mitglieder der LINKEN, die einen Beitrag dazu leisten wollen, sich gegen die Bombardierung in Gaza, die Hungerblockade und die Vertreibung der Palästinenser:innen zu stellen und die Bewegung zu verbreitern und alle, die sich gegen die Repression der Palästina-Bewegung stellen, sollten sich jetzt nicht den Mund verbieten lassen und aktiv werden.
DIE LINKE und die Palästina-Solidarität in Deutschland
Am 27. April fand in Berlin der Landesparteitag statt. Aus verschiedenen Bezirksverbänden, insbesondere aus Neukölln und Mitte, wo es klare Beschlusslagen zu Palästina gibt, hatten Mitglieder einen Antrag eingebracht, der Landespartei und Fraktion aufforderte, sich gegen die massive staatliche Repression und die ungerechtfertigten und dem Anschein nach teilweise illegalen Polizeimaßnahmen zu stellen, die gegen die Organisator:innen und Teilnehmenden des Palästina-Kongresses in Berlin sowie gegen Genoss:innen und linke Strukturen in Berlin richten, die sich mit Palästina solidarisch zeigen.
Der Antrag forderte Partei und Fraktion auf, sich konsequent dafür einzusetzen, dass die Stigmatisierung der Bewegung beendet und Einreise- sowie Betätigungsverbote gegen Teilnehmende des Palästinakongresses geprüft und aufgehoben werden.
Angesichts um sich greifender Raumverbote forderte der Antrag von der LINKEN „Orte für linke und migrantische Selbstorganisierung, z.B. in den Bezirken Tempelhof, Wedding und Neukölln, gilt es nicht nur zu schützen, sondern auch zu ermöglichen. Orte der interkulturellen feministischen Mädchen- und Jugendsozialarbeit sowie Angestellte innerhalb dieser, z. B. im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, müssen vor willkürlicher Repression, Schikane und Schließung durch das Bezirksamt geschützt werden.“
Eskalation der Repression
Dieser Antrag war notwendig geworden, weil sich DIE LINKE Berlin – abgesehen von einzelnen Personen und Parteigliederungen wie die Bezirksverbände Neukölln und Mitte – nicht offensiv gegen die massive Repression des Palästina-Kongresses und eines Protestcamps vor dem Bundestag gestellt hatte.
Prominente Parteimitglieder, wie die Ex-Senator:innen und Fraktionsmitglieder Klaus Lederer und Elke Breitenbach hatten sogar den Aufruf des so genannten „Bündnisses gegen antisemitischen Terror“ unterzeichnet, der dem Palästina-Kongress Terrorverharmlosung und Antisemitismus unterstellt hat. Damit haben sie die Hetzkampagne gegen die Kampagne und die linken, palästinensischen und antizionistisch-jüdischen Aktivist:innen, die den Kongress organisiert haben unterstützt und den Behörden eine Legitimation für die Veranstaltungs- und Einreiseverbote gegen den ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis und den Arzt Dr. Ghassan Abu Sittah, der seit Jahren in Kriegsgebiete reist, um dort Verletzte zu versorgen, gegeben.
Die Kündigung zweier Freizeitzentren für junge Frauen und Mädchen durch das Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg unter Leitung von Bezirksstadtrat Max Kindler (CDU) nach dem Kongress ist eine weitere Stufe der Eskalation.
Das Ziel ist, die Solidarität mit Palästina mundtot zu machen.
Einzelne Vertreter:innen der LINKEN und einzelne Gliederungen haben sich gegen diese repressive Politik positioniert. Mit der Weigerung, sich auf Landesebene einheitlich und klar zu positionieren, gibt DIE LINKE Berlin der repressiven Politik jedoch einen Freifahrtschein.
Inzwischen gibt es 35.000 Tote im Gazastreifen. Die UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanes spricht davon, dass die Schwelle zum Völkermord erreicht sei. Wer angesichts der andauernden uneingeschränkten Solidarität der Bundesregierung mit Israel und den fortgesetzten Waffenlieferungen schweigt, nimmt dieses Unrecht hin.
Wer der Kriminalisierung der Palästina-Solidarität nicht entschlossen entgegentritt, nimmt auch dieses Unrecht hin.
Dabei wissen Vertreter:innen der LINKEN, die sich ja als „Bürgerrechtspartei“ versteht, dass Repression und eine Ausweitung der Befugnisse der Behörden, sich zukünftig gegen andere Teile der Linken oder internationalistischer Bewegungen richten werden.
Rund um den Parteitag haben verschiedene Teilen der Linken verschiedene Gründe angeführt, warum sich die Partei in der Frage der Palästinasolidarität nicht positionieren solle: Funktionäre wie Klaus Lederer und Elke Breitenbach sowie der Bezirksvorstand der LINKEN in Pankow stimmen in die Hetze des schwarz-roten Senats und der Springerpresse von der angeblichen „antisemistischen Hetze“ auf dem Kongress nach – ohne Belege dafür zu nennen.
Andere glauben, DIE LINKE dürfe sich zu diesen „heiklen“ Fragen nicht äußern, weil die Frage in der Mitgliedschaft und Wählerschaft der Linken zu umstritten sei und man nach außen das Bild der Zerstrittenheit vermeiden müsse. Schließlich hörte man noch das Argument, dass ein Landesparteitag der LINKEN nicht über die Weltpolitik zu befinden habe.
In der Konsequenz laufen alle diese Begründungen auf dasselbe hinaus: Die Partei DIE LINKE schweigt, wenn demokratische Grundrechte in Deutschland in so großem Maßstab außer Kraft gesetzt werden wie seit 1989 nicht mehr.
Bis heute hat DIE LINKE in Berlin noch nicht den Mut gefunden, die Kriegsverbrechen der israelischen Regierung als Kriegsverbrechen zu benennen. Damit äußerst sie sich zur wichtigsten weltpolitischen Krise und zu den größten Kriegsverbrechen unserer Zeit bestenfalls uneindeutig.
Bekenntnis zur Solidarität ist das Gebot der Stunde
Genauso wie DIE LINKE zurecht Angriffe auf die Position zu offenen Grenzen und eine antirassistische Politik zurückgewiesen hat, muss sie auch hier mutig sein und Farbe bekennen. Ansonsten bleiben ihre Wahlkampfslogans für Frieden hohle Floskeln. Alle Mitglieder der LINKEN, denen die Lebensinteressen der Menschen in Gaza und die demokratischen Grundrechte in Deutschland wichtiger sind, als die „Parteiraison“ der LINKEN, sollten sich jetzt gegen die Weigerung des Landesparteitags, Position zu beziehen widersprechen und sich an den kommenden Protesten gegen den Krieg in Gaza beteiligen.
Es ist Zeit, dass sich alle, die sich in der LINKEN gegen die Repression stellen, dies jetzt auch klar und deutlich nach außen deutlich machen. Gegen die Schließung des Frieda-Frauen-Zentrum, für die Aufhebung von Einreise und Versammlungsverboten und bei der Ausweitung der Proteste gegen die Bombardierungen Gazas und die deutschen Rüstungsexporte nach Israel.
Am 18. Mai findet in Berlin die nächste große Gaza-Demonstration statt. Es ist Zeit, Gesicht zu zeigen – gegen den Krieg in Gaza, gegen die deutschen Waffenlieferungen an Israel, gegen die staatliche Repression der Solidaritätsbewegung.
Titelbild: Svu