Frau protestiert gegen Macron und Le Pen

Macron weigert sich, Wahlergebnis zu akzeptieren

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Präsident Macron facht die politische Krise in Frankreich wieder an. Massenaktionen werden entscheidend sein, um ihn zu schlagen. Von John Mullen

Vor fast acht Wochen erlitt die Partei von Präsident Macron bei den Parlamentswahlen in Frankreich eine Niederlage und verlor über 90 Sitze. Sie führte bereits vor der Wahl eine Minderheitsregierung. Am Montag, dem 27. August, gab Macron nun offiziell seine Weigerung bekannt, eine linke Premierministerin zu ernennen.

Das, obwohl das Linksbündnis (Neue Volksfront, NPF) mit über 185 Sitzen im Vergleich zu Macrons 160 Sitzen die größte Gruppe von Abgeordneten in der Nationalversammlung stellt. Jean-Luc Mélenchon, einer der Führer der Partei France Insoumise (Frankreich in Aufruhr, LFI), beschuldigte den Präsidenten, ein „Autokrat“ zu sein, der „Chaos verursacht“. Für den 7. September wurde eine große Demonstration zur Verteidigung der Demokratie angekündigt.

Macron setzt auf Links-Rechts-Koalition

In der Zwischenzeit versuchte Macron, das letzte bisschen politische Kapital aus dem Erfolg der Olympischen und Paralympischen Spiele herauszuholen. Er setzte die Athlet:innen peinlich langen Umarmungen aus, während seine Kumpane versuchten, eine Art Links-Rechts-Koalition zusammenzuschustern. Die Priorität, so das antidemokratische Macron-Lager, bestehe darin, „Extremisten der Linken und der Rechten“ auszuschließen – also die France Insoumise, die radikalste der vier Parteien des Linksbündnisses, und den faschistischen Rassemblement National.

Sie suchen also nach einem Premierminister, vorzugsweise von einer linken Partei, der das radikale Programm der NPF ablehnt und die France Insoumise hasst. Die traditionell rechten Republikaner unterstützen Macron dabei. Sie erklären, dass sie sofort ein Misstrauensvotum stellen werden, wenn der neuen Regierung Minister:innen der France Insoumise angehören, aber nicht, wenn es ein weiches Linksbündnis mit Macron gibt.

Macron erklärt der France Insoumise den Krieg

Macron hat der France Insoumise faktisch den Krieg erklärt. Rima Hassan, eine LFI-Europaabgeordnete, hatte einen pro-palästinensischen Tweet veröffentlicht, in dem sie darauf hinwies, dass selbst die Vereinten Nationen die Ereignisse vom 7. Oktober nicht wie Terroranschläge behandeln und dass außerhalb der westlichen Mächte fast niemand die Hamas als terroristische Organisation abtut. Daraufhin organisierte Macron 51 seiner Abgeordneten, um zu fordern, dass Rima Hassans parlamentarische Immunität aufgehoben und sie wegen Unterstützung des Terrorismus vor Gericht gestellt wird.

Er hofft, dass diese Art von fabriziertem „Skandal“ die Neue Volksfront spalten und schwächen wird. Die rechten Medien versuchen auf widerliche Weise zu behaupten, dass es eine Verbindung zwischen dem prinzipiellen Widerstand gegen den Völkermord in Gaza und dem schrecklichen antisemitischen Angriff auf eine Synagoge in La Grande Motte in Südfrankreich am 24. August gebe.

In seiner Rede anlässlich der Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Landung der Alliierten in Südfrankreich erreichte Macron den Gipfel der Heuchelei, als er erklärte: „Wir dürfen der Spaltung nicht nachgeben“. Dies von einem Präsidenten, der alle zwei Jahre länger arbeiten ließ und das Arbeitslosengeld kürzte, während er die Vermögenssteuer abschaffte, die Gelbwesten brutal unterdrückte und Muslim:innen dämonisierte.

Zombie-Regierung spart weiter

Macrons Zombie-Regierung, die offiziell zurückgetreten ist, setzt ihre Arbeit gegen uns fort. Darmanin, (Ex-)Innenminister, schürt wütend die Islamophobie, weil er weiß, dass der linke Widerstand in dieser Frage gedämpft sein wird. Einem muslimischen Prediger aus Pessac im Südwesten Frankreichs droht die Ausweisung, weil er Palästina verteidigt und weil er erklärte, dass Frankreich „ein islamfeindliches Land ist.“ Und einer großen Moschee in Marseille droht die Schließung durch die Polizei aufgrund erfundener Anschuldigungen.

Auch die Sparmaßnahmen gehen weiter. Der ehemalige Premierminister Gabriel Attal schickte Briefe an die Minister:innen für Gesundheit, Bildung und andere, in denen er ihnen mitteilte, dass sie im nächsten Jahr real hunderte von Millionen Euro aus ihren Haushalten streichen sollen. Selbst Mitte-Rechts-Abgeordnete wie Charles de Courson protestieren, dass es „nicht gut für die Demokratie“ sei, wenn eine Regierung, die nach ihrer Wahlniederlage theoretisch zurückgetreten ist, dies tue.

Im August kündigte die offiziell nicht existierende Regierung an, dass Saisonarbeiter:innen keinen garantierten freien Tag mehr pro Woche haben werden. Damit setzt Macron seinen Thatcher’schen Kreuzzug gegen die Arbeitsbedingungen fort.

Kann Macron das Linksbündnis spalten?

Am 23. August traf sich Macron mit den Vorsitzenden aller politischen Parteien und versprach, kurz darauf einen Premierminister zu wählen. Er will das demokratische Verfahren umgehen und vermeiden, Lucie Castets zu ernennen, eine Kandidatin, die dem radikalen NPF-Manifest treu ist und auf die sich die vier linken Parteien geeinigt haben.

In dieser sich langsam entwickelnden, aber tiefen Krise offenbaren die vier Parteien des Linksbündnisses (Frankreich in Aufruhr, Sozialisten, Kommunisten und Grüne) ihre politischen Differenzen, auch wenn noch keine von ihnen ein Bündnis mit Macrons Leuten eingegangen ist. Angesichts der Weigerung Macrons, Lucie Castets zu ernennen, beschloss die France Insoumise, ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn einzuleiten. Die Führung der Kommunistischen Partei verurteilte dies, und die Führungen der Sozialisten und der Grünen distanzierten sich von einem solchen „störenden“ Vorschlag. Umfragen zufolge befürwortet jedoch bereits die Hälfte der Bevölkerung diese Idee.

Die Massenmedien führen eine hektische Kampagne, um Macrons Entscheidungen als vernünftig und gut für das Land darzustellen, obwohl führende Vertreter:innen der Linken regelmäßig ausführlich (wenn auch aggressiv) im Fernsehen interviewt werden. Alternative Medien spielen eine wichtige Rolle, vor allem für linke Aktivist:innen und Sympathisant:innen: Eine 90-minütige Analyse der aktuellen politischen Situation von Jean-Luc Mélénchon wurde auf YouTube 400 000 Mal aufgerufen, ebenso wie ein kürzlich im Fernsehen ausgestrahltes Interview mit Marine Tondelier, der Vorsitzenden der Grünen Partei.

Vorbereitung der Gegenwehr

Ende August ist in Frankreich traditionell die Zeit der politischen Sommerschulen. Mehr als fünftausend Personen nahmen an der viertägigen Sommerschule von France Insoumise in Valence teil; 116 Veranstaltungen fanden dort statt. Zu den wichtigsten Redner:innen gehörten Lucie Castets, Olivier Besancenot (von der Neuen Antikapitalistischen Partei) und Assa Traore, die seit der Ermordung ihres Bruders durch die Polizei im Jahr 2016 eine inspirierende Kämpferin gegen Polizeigewalt und Rassismus ist.

Die Kommunistische Partei hielt ihre Sommerschule drei Tage lang mit 66 Sitzungen ab. Zweitausendfünfhundert Aktivist:innen hörten Lucie Castets bei der Sommerschule der Grünen am 22. August begeistert zu, und siebenhundert Menschen versammelten sich für vier Tage an der Südküste bei der Sommerschule der Neuen Antikapitalistischen Partei. Überall debattieren die Aktivist:innen über die beste Strategie in einer völlig neuen institutionellen Krise.

Macrons Versuch, die Linke zu spalten und die linke Mitte davon zu überzeugen, jede radikale Politik aufzugeben, hat bisher nicht funktioniert. Er könnte gezwungen sein, die Bildung einer Minderheitsregierung durch die Neue Volksfront zuzulassen. Eine solche Regierung könnte Schwierigkeiten haben, Gesetze zu verabschieden. Allerdings könnte es durchaus eine Mehrheit im Parlament für bestimmte begrüßenswerte Maßnahmen geben, wie z.B. die Rücknahme der im letzten Jahr erfolgten Anhebung des Regelrentenalters oder die Einführung von Mindestpreisen in der Landwirtschaft zum Schutz der Kleinbauernschaft.

Doch die Verabschiedung neuer Gesetze ist nicht das Einzige, was Regierungen tun. Eine Reihe wichtiger Punkte des NPF-Programms könnte von einer linken Regierung ohne Abstimmung im Parlament umgesetzt werden: die Auflösung der rassistischsten Polizeieinheiten, die Erhöhung des Mindestlohns und der Mindestrente, die Anhebung der Löhne im öffentlichen Dienst, das Einfrieren der Preise für Grundnahrungsmittel und die Anerkennung des Staates Palästina zum Beispiel.

Massenaktionen werden entscheidend sein

Es ist wichtig, was in den nächsten Monaten im Parlament passiert. Wenn es Macron gelingt, die Wahl ohne einen Massenaufstand zu ignorieren, wird dies die extreme Rechte enorm ermutigen. Unabhängig davon, welche Regierung gebildet wird, wird es sich um eine Minderheitsregierung handeln. Neuwahlen können nicht vor Juni nächsten Jahres abgehalten werden.

Die Mobilisierung der Massen wird entscheidend sein. Wir werden Massenaktionen brauchen, um Macron zu zwingen, einen NPF-Premierminister zu ernennen. Wir werden sicherlich Massenaktionen brauchen, um die Umsetzung der Reformen im Programm zu unterstützen, wenn sich der Widerstand der Reichen und Mächtigen als noch bösartiger erweist, als die radikale linke Führung glaubt. Und wenn Macron seine Verachtung für die Demokratie noch weiter treibt und seine Links-Rechts-Allianz-Regierung handverlesen auswählt, werden Massenstreiks und Demonstrationen nötig sein, um sie zu stürzen. Wenn keine Minderheitsregierung überleben kann, müssen wir fordern, dass Macron zurücktritt und ein neuer Präsident gewählt wird.

Das von der Linken eingeleitete Amtsenthebungsverfahren muss für alle Radikalen in diesem Monat die oberste Priorität sein.

John Mullen ist bei France Insoumise in der Region Paris aktiv. Seine Website lautet randombolshevik.org

Foto: Jeanne Monjoulet (CC BY 2.0)