Erklärung von »Sozialismus von unten« zum Bundesparteitag der Linken in Halle
»Bereit für ein gerechtes Morgen« – unter diesem Slogan tagte der Bundesparteitag der Linken in Halle. Auch wenn es in der Form durchaus einen Aufbruch geben mag, bedeutet der Inhalt ein »weiter so«. Die Partei ist damit nicht auf der Höhe der politischen Auseinandersetzungen unserer Zeit.
Im Fokus der Partei steht der Bundestagswahlkampf 2025: zugeschnitten auf die in der Linken unstrittigen sozialen Themen. Was jedoch nicht thematisiert wird, ist der Aufbau gesellschaftlicher, außerparlamentarischer Gegenwehr. Weder zu Antifaschismus noch zu Protesten gegen den Krieg gibt es eine ausreichende Planung.
Der Parteitag hat vermieden, zu zentralen Fragen wie dem Genozid in Gaza klar Position zu beziehen, und solche strittigen Themen an den Rand geschoben, bzw. auf eine nach der Bundestagswahl stattfindende Programmdebatte verschoben. Auch wenn sich der linke Parteiflügel am Ende des Parteitages nach zwei Jahren absoluter Resignation erstmals wieder gestärkt fühlen konnte: Für uns ist das Ergebnis nicht akzeptabel.
Anstatt sich eindeutig gegen den Genozid in Gaza und den drohenden Flächenbrand in der gesamten Region zu positionieren, hat die Partei ein weiteres Mal auf einen Formelkompromiss zurückgegriffen. Auch wenn mit dem Beschluss, die Petition »Für einen gerechten Frieden in Gaza. Waffenexporte stoppen & Hilfsblockade beenden!« von Oxfam, Medico und anderen zu unterstützen, die Möglichkeit einer gemeinsamen Praxis eröffnet wurde, zeigen andere Ereignisse des Bundesparteitages, dass die Linke nicht bereit ist, praktisch die notwendige Solidarität mit all denen zu organisieren, die von rechts angegeriffen werden.
Linke-Parteitag: Geschlossenheit vor Klarheit
Als Delegierte für einen Dringlichkeitsantrag zur Solidarität mit mehreren Genoss:innen, die im Nachgang eines Berliner Parteitages in der Presse angegriffen wurden, Unterschriften sammelten, setzten andere Delegierte aus dem Spektrum der Reformer und der Bewegungslinken Genoss:innen unter Druck, nicht zu unterzeichnen.
Demonstrant:innen von Handala Leipzig und Students for Palestine Halle, die vor dem Parteitagsgebäude protestierten, wurde mehrheitlich verweigert, ihre Anliegen im Saal vorzutragen. Stattdessen reichte ein Mitglied der Linken eine Strafanzeige gegen die Demonstrant:innen ein. Andere wie der neu gewählte Parteivorsitzende Jan van Aken erweckten mit ihren Kommentaren den Eindruck, es handele sich bei der Kundgebung um einen bedrohlichen Protest, was wiederum die mediale Hetze beförderte.
Linke-Parteitag verweigert sich dem eigenen Antimilitarismus
Anstatt offensiv die NATO und die Bundesregierung mit ihrem Kriegskurs anzugreifen und die Auseinandersetzung um Waffenlieferungen, Aufrüstung und die Militarisierung der Gesellschaft zu einem zentralen Projekt der Partei zu machen, orientierte der Parteitag auf eine Programmdebatte und den Aufbau der Partei als Kümmererpartei in sozialen Fragen. Doch die Frage der Aufrüstung ist schon über die Frage der Finanzen eng mit den sozialen Fragen verbunden.
Man kann in Zeiten steigender imperialistischer Spannungen dem Kampf gegen Rüstung und Militarisierung nicht ausweichen.
Kompromisse in einzelnen Positionen können sinnvoll sein, wenn man einen ausreichenden Fundus an gemeinsamen Positionen und Initiativen hat, die praktisch wirksam werden.
So war es in den ersten Jahren der Linkspartei, in denen sich alle auf gemeinsame politische Schwerpunkte und Kampagnen geeinigt haben. Diese Schwerpunkte funktionierten im Zusammenspiel der Partei mit größeren politischen Bewegungen. Beispiele: Der Kampf gegen Hartz IV und die Agenda 2010, für einen gesetzlichen Mindestlohn in Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, Arbeitsloseninitiativen u.v.m. sowie der Kampf gegen den Krieg in Afghanistan als Teil der Antikriegsbewegung.
Die Linke: kaum noch eine Rolle als Motor von sozialen und politischen Kämpfen
Diese praktische Orientierung ist über die letzten Jahre geschwunden. Die Partei als Ganzes spielt heute kaum noch eine Rolle als Motor von sozialen oder politischen Kämpfen, sondern beschränkt sich vor allem auf Wahlkämpfe und Parteikampagnen.
Die Arbeit in den Parlamenten ist zum Zentrum der Aktivität an vielen Orten geworden. Kampagnen dienen vor allem dazu, die Linke zu positionieren, um sie sichtbar und letztlich wählbar zu machen.
Die Vorstellung, dass die Regierung die Macht habe, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern, führt zu der stellvertreterischen Vorstellung, mit Regierungsbeteiligung »Macht zu gewinnen, um für die Menschen etwas zu verbessern«. Das Ergebnis ist in der Regel schädlich, weil minimale Erfolge als Begründung benutzt werden, Mobilisierung an anderen Stellen zu unterbinden, was letztendlich alle Versuche schwächt, Selbstaktivität und wirklich emanzipatorische Politik zu fördern. (Lies hierzu weiter Chile 1973: Das Ende einer Illusion)
Viele von uns haben seit 2004 die WASG praktisch mit aufgebaut, inklusive Vorstandsarbeit und Wahlkampf. Dann haben wir uns in der WASG für eine Fusion mit der PDS eingesetzt, gegen alle Widerstände, um eine gemeinsame sozialistische Partei links von der SPD mit Anziehungskraft in der Arbeiter:innenbewegung zu schaffen. Seit der Gründung der Linken haben viele von uns die Partei von Anfang an auf allen Ebenen mit aufgebaut.
Revolutionär:innen in der Linken
Die Mitarbeit in der Partei Die Linke war für uns damit verbunden, im Kampf um Reformen gleichzeitig einen revolutionären Kern aufzubauen, weil wir die Einschätzung haben, dass der Kapitalismus letztendlich durch eine Massenbewegung gestürzt werden muss und sich im Kampf um Reformen die für dieses Ziel notwendigen Kräfte herausbilden können.
In einem langen, durchaus kontroversen Diskussionsprozess haben wir uns mit der Geschichte der Partei Die Linke, ihrem Aufschwung und ihrer Krise beschäftigt.
Wir sind zu der Einschätzung gelangt, dass sich in den letzten zwanzig Jahren die Kräfteverhältnisse in der Partei nach rechts verschoben haben.
Das Austarieren kontroverser Positionen kann sinnvoll sein, wenn es eine gemeinsame Praxis ermöglicht. Wenn es jedoch dazu führt, dass die Partei keine klaren Positionen in zentralen Auseinandersetzungen vertritt, hat sie ein Problem. Tatsache ist: Sowohl in der Frage des Ukrainekrieges, der Waffenlieferungen und der Kritik an der NATO, als auch in Bezug auf den von der deutschen Regierung und dem medialen Mainstream unterstützten Genozid der israelischen Regierung in Gaza, gibt es unvereinbare Positionen in der Partei.
Obwohl es viele Genoss:innen gibt, die sich gegen Waffenlieferungen und für einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine und in Gaza engagieren, trauen sich die Führungen oft nicht, sich öffentlich zu positionieren. Daran ändert auch der Austritt einiger Abgeordneter aus dem antideutsch geprägten, rechten Parteiflügel nichts.
Klaus Lederer, Elke Breitenbach, u.a. haben bereits in ihrer Austrittserklärung angedeutet, worum es ihnen geht: Sie wollen den neuen Parteivorstand zwingen, die Positionen durchzusetzen, die aus ihrer Sicht akzeptabel sind – dazu werden sie weiter wie bisher Druck organisieren, unter anderem aus der Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus heraus, der sie weiter angehören wollen.
Der Druck, jetzt alle zu disziplinieren, die nach links abweichen, hat bereits eingesetzt. Dabei sollen zunächst Palästina-solidarische Stimmen zum Schweigen gebracht werden. Wir werden das nicht hinnehmen und Solidarität mit allen organisieren, die angegriffen werden – in der Linken und darüber hinaus.
Das Problem ist jedoch nicht nur der rechte Parteiflügel, sondern auch das Zentrum der Partei, das nicht Position bezieht.
Wenn Die Linke sich nicht entscheidet, konsequent auf der Seite der Unterdrückten und Entrechteten zu stehen und die Kritik an deutscher, europäischer und transatlantischer Kriegstreiberei zurückzustellt, um nicht von den herrschenden Parteien und Medien angegriffen zu werden, dann ist der Punkt erreicht, an dem wir uns entscheiden müssen.
Genoss:innen von uns haben sich in den letzten drei Jahren dafür eingesetzt, dass die Partei nicht nur eine klare Haltung gegen den russischen Angriff auf die Ukraine einnimmt, sondern gleichzeitig gegen die Eskalationspolitik der NATO und der EU, inklusive der massiven Waffenlieferungen und NATO-Truppenstationierungen und -manövern auftritt – politisch, aber auch praktisch.
Klare Positionen und Praxis
Wir haben »Nein« gesagt zur deutschen Unterstützung für den genozidalen Krieg in Gaza und der Westbank, praktisch die Solidarität mit Palästina organisiert und sind der Repression offensiv entgegengetreten.
Wir haben Position für offene Grenzen und gegen Rassismus, insbesondere antimuslimischen Rassismus bezogen. Das werden wir auch weiterhin tun.
Wir wissen, dass wir in vielen dieser Auseinandersetzungen Die Linke oder zumindest einzelne Gliederungen an unserer Seite haben, wir wollen uns aber nicht von der Partei als Ganze abhängig machen.
Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass die Schwerpunktsetzung unserer Arbeit auf außerparlamentarische Bewegung unser Anliegen schneller voran gebracht hat, auch in der Wirkung auf die Linke.
Wir werden jetzt alle unsere Energie in den außerparlamentarischen Widerstand gegen die AfD, den steigenden Rassismus, in die Ausweitung der Palästina-Solidarität, die Antikriegsbewegung, in gewerkschaftliche Kämpfe sowie den Aufbau unserer eigenen Organisation konzentrieren.
Denn es reicht nicht, die Auswüchse des Kapitalismus zu verwalten. Es ist nötig, ihn zu überwinden und das geht nur von unten.
Wir sind überzeugt davon, dass die Erfahrungen in Kämpfen, die wir in den unterschiedlichen Bereichen der Linken gemeinsam geführt haben, auch zukünftig eine gute Basis für den Aufbau von Bewegungen gegen Krieg und Aufrüstung, Faschismus und Rassismus und von sozialen Kämpfen sind. Daran wollen wir anknüpfen.
Titelbild: Die Linke