Die AfD ist in Brandenburg mit 29,2 Prozent der Stimmen nicht stärkste Kraft, hat aber ihr bisher bestes Ergebnis für das Bundesland einfahren. Was das bedeutet und was jetzt zu tun ist, kommentiert Gerrit Peters
Die AfD konnte bei der gestrigen Landtagswahl in Brandenburg ihr Ergebnis aus 2019 noch einmal um 5,7 Prozent auf knapp 30 Prozent steigern. Fast jede:r dritte Wahlberechtigte hat damit eine im Kern faschistische Partei gewählt, ein Trend, der vorher schon in Sachsen und Thüringen zu beobachten war. Die im Wahlkampf gesetzten Themen reihen sich dabei nahtlos in das Programm der Bundespartei ein. Auf den Wahlplakaten wurden neben konservativen Themen wie »Bildung ohne Ideologie« oder Anti-Klimaschutz-Maßnahmen nicht nur mehr Abschiebungen und mehr Abschottung gefordert, sondern auch ganz offen eine »Remigration« propagiert. Auf der Wahlparty wurde dementsprechend auch mit einem »Abschiebesong« mit dem Text »Hey das geht ab wir schieben sie alle ab sie alle ab« gefeiert.
Darüber hinaus wurde im Wahlkampf die völkische Ideologie der AfD betont, indem Politik lediglich für »unser Volk« oder »unsere Familien« gefordert wurde. Die angefachte Verteilungsdebatte und die angeblich nötige Begrenzung von Migration wurde von den anderen Parteien aufgegriffen, nützte aber lediglich der AfD. So haben mit 46 Prozent der Wählenden überdurchschnittlich oft Arbeiter:innen oder Menschen, die ihre finanzielle Lage als schlecht einordnen, die AfD gewählt. Bei der SPD dagegen waren es vor allem Rentner:innen (40 Prozent) und die finanziell bessergestellten (34 Prozent). Über die Altersgruppen waren die Stimmen für AfD und SPD recht gleichmäßig verteilt, mit Ausnahme der 16-24 jährigen und der Wähler:innen jenseits der 70 Jahre. Bei den jungen Wahlberechtigten schnitt die SPD mit 19 Prozent deutlich schlechter ab als bei anderen Altersgruppen, bei den über 70-jährigen dafür mit 49 Prozent deutlich besser. Die AfD wurde von älteren Menschen mit 17% dagegen deutlich seltener gewählt. Männer wählten mit 35 Prozent überdurchschnittlich oft die AfD, wogegen sie bei Frauen nur 24 Prozent erreichte.
Das im Vergleich zum Bundestrend starke Wirtschaftswachstum in Brandenburg (2,1 Prozent gegenüber -0,3 Prozent) hat die Lage der Armen und Schlechtverdiener:innen, wie so oft, nicht spürbar verbessert. So empfindet eine Mehrheit (52 Prozent) die wirtschaftliche Lage im Land als schlecht.
Die Linke verliert stark in Brandenburg
Obwohl der Linke Spitzenkandidat Sebastian Walter im Wahlkampf durchaus kämpferisch auftrat, verfehlte die Linke zum ersten Mal den Einzug in einen ostdeutschen Landtag. Dies mag auch am Anti-AfD-Wahlkampf der SPD gelegen haben (75 Prozent der SPD-Wähler:innen sind mit der Partei zwar nicht zufrieden, haben sie aber gewählt, um die AfD zu verhindern), welcher der Linken (25.000) aber vor allem den Grünen (47.000) Stimmen und den Wiedereinzug ins Parlament gekostet hat. Der Linken ist auch wieder einmal die schwächelnde Bundespartei mit ihrer unklaren Antikriegsposition und ihre jahrelange Haltung »Regierung im Wartestand« zum Verhängnis geworden, sie verlor die meisten Stimmen (44.000) an das BSW, das sich zumindest vorerst als neue Protest- und Oppositionspartei etablieren konnte. So spielte die Positionierung zum Krieg um die Ukraine für BSW-Wähler:innen mit 29 Prozent eine entscheidende Rolle.
Der SPD Wahlkampf mag die AfD als stärkste Kraft verhindert haben, so konnte er auch 51.000 Nichtwähler:innen davon überzeugen, ihr Kreuz bei den Sozialdemokraten zu setzen, ein Parlament mit lediglich vier Parteien, ohne Grüne und Linke, bei dem eine Koalition nur zwischen SPD und BSW eine Mehrheit hätte, ist allerdings in keinem Fall ein gutes Zeichen. Zudem hat die AfD mit 30 der 88 Sitzen eine parlamentarisch Sperrminorität bei Abstimmungen, die eine 2/3-Mehrheit erfordern.
Brandenburg AfD zeigt offen ihre faschistische Ideologie
Die AfD stellte im Wahlkampf und durch ihre Kandidierenden ihre faschistische Ideologie offen zur Schau. So stand die stellvertretende Parlamentarische Geschäftsführerin der AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag, Lena Kotré, in den Schlagzeilen, weil sie bei Wahlkampfveranstaltungen Schlagwaffen verteilt hatte, um sich gegen Migrant:innen zu »verteidigen«. In ihrem Wahlkreis Barnim gab sie sogenannte Kubotans aus, etwa 15 cm lange Metallstifte, die als Stich- und Schlagwaffen verwendet werden können. In einem Video auf Facebook verkündete sie, dass man sich damit gegen die »täglichen Messerangriffe und Schlägereien« »zur Wehr setzen« könne.
Über AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt, der mitunter versucht seine faschistische Gesinnung zu verschleiern, ist zu lesen: Berndt ist Mitbegründer der neofaschistischen »Zukunft Heimat« und marschierte schon 2015 in der Lausitz gegen Geflüchtetenunterkünfte. In Dresden war er Redner bei Pegida, ebenso auf Podien der Faschisten Jürgen Elsässer und Götz Kubitschek. Doch sein Wirkungsfeld ist nicht nur die Straße: Im Landtag ist er berüchtigt für seine Hassreden. Man müsse alle »verjagen«, die »Heimat und Identität zerstören«.
Der faschistische Kern wächst schnell
Ein weiterer Kandidat der AfD, über den vor kurzem berichtet wurde, ist Tim Krause, der laut taz am 14. September ein »Regime-Change« Treffen moderiert hat, bei dem auch zahlreiche Neonazis anwesend waren. Anders als das Potsdamer »Remigrationstreffen«, an dem Krause ebenfalls teilgenommen hatte und das hohe Wellen schlug und zu Massenprotesten führte, verursachte dies allerdings keinen Aufschrei geschweige denn eine Protestwelle wie wir sie Anfang des Jahres erlebt haben. Dass ist ein weiterer Ausdruck davon wie weit die AfD die Grenze des sag- und machbaren immer weit nach rechts gerückt hat und es auch weiterhin tut.
Bürgerlicher Rassismus durch alle Parteien hindurch
Insgesamt haben 25,6 Prozent der Wähler:innen mit der CDU oder dem BSW Parteien gewählt, die ebenfalls auf dem Rücken von geflüchteten Menschen und Migrant:innen Wahlkampf gemacht haben und das gesellschaftliche Klima weiter nach rechts rücken. Die rassistische Kampagne aus Politik und Medien, die von Spar- und Kürzungspolitik bei gleichzeitiger Militarisierung ablenken soll, wirkt.
Die CDU hetzte gegen Migrant:innen und machte sie für praktisch alle Probleme verantwortlich. Friedrich Merz sagte in einer Rede: »Seht euch die Schulen an, schaut euch die Wohnraumsituation an, schaut euch die Universitäten an, schaut euch die Krankenhäuser an, schaut euch die Arztpraxen an, schaut euch an, was das für Konsequenzen hat, wenn ein Land durch Migration überfordert wird«. Der amtierende CDU-Innenminister von Brandenburg, Michael Stübgen, forderte sogar die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl.
Auch die Ampel hat ihren Anteil am Aufstieg der AfD und dem allgemeinen Rechtsruck. Denn neben der wirtschaftlichen und sozialpolitischen Krise, die sie zu verantworten hat, zündelt auch sie kräftig mit. Olaf Scholz (SPD) forderte: »Wir müssen endlich im großen Stil abschieben!«, Christian Lindner (FDP) mit einer »Null-Euro-Politik«, die Streichung aller Sozialausgaben für ausreisepflichtige Asylsuchende oder Ricarda Lang (Grüne) »endlich mehr Tempo beim Thema Abschieben«.
Brutaler Rassismus ohne Gegenwehr?
Viele dieser Forderungen, sowie die aktuelle quasi-Abschaffung des Asylrechts mit dem GEAS-Abkommen, genau wie die aktuell von Nancy Faeser eingeführten Kontrollen an den deutschen Grenzen waren vor einigen Jahren undenk- und unsagbar, mit Ausnahme von der AfD. Von einer tatsächlichen Umsetzung ganz schweigen. Trotzdem bleibt der Aufschrei größtenteils aus.
In diesem Klima der politischen Verrohung steigen die Angriffe von Nazis auf Migrant:innen und Nazi-Demonstrationen gegen CSDs sind zum Normalzustand geworden. Im niedersächsischen Gifhorn schlugen und traten nach einem CSD mehrere Nazis auf eine Frau ein und vier Nazis beleidigten in Niederndodeleben (Sachsen Anhalt) eine Afghanin rassistisch und verprügelten sie, um nur zwei traurige Beispiele zu nennen. Überall in Deutschland sind in den letzten Wochen und Monaten migrantische Kleingewerbe in Flammen aufgegangen, die Berichte sind spärlich. Zuletzt starben in Eberswalde (Brandenburg) die Mutter und das Kind einer türkischstämmigen Familie. Die Polizei ermittelt mittlerweile wegen Brandstiftung mit Todesfolge.
Die Herrschenden sind entschlossen, die Kosten der Bewältigung der Krisen in Deutschland und in der EU auf die Masse der Bevölkerung abzuwälzen und Geflüchtete und Migrant:innen zu Sündenböcken für die Krise des Kapitalismus machen zu wollen. Es ist zu befürchten, dass die Politik der etablierten Parteien weiter bis zu den Bundestagswahlen fortgeführt wird. Es nutzt nur den Reichen und den AfD-Nazis.
Den bürgerlichen Konsens brechen
Was wir jetzt brauchen, sind gemeinsame und direkte Proteste gegen die AfD, wie beispielsweise das massenhafte Widersetzen gegen den AfD-Parteitag in Essen. Solche Aktionen müssen von uns weiter forciert und initiiert werden. Kampagnen wie »Aufstehen gegen Rassismus« und »Widersetzen« bieten mit lokalen Ortsgruppen die perfekte Möglichkeit breite Bündnisse im Kampf gegen Rechts aufzubauen und sollten unterstützt werden. Gleichzeitig müssen wir Migrant:innen, Muslim:innen und Geflüchtete aktiv schützen und auch unbedingt in die Bündnisarbeit gegen die AfD mit einbeziehen.
Der Wunsch vieler Brandenburger:innen, mit ihrer Wahlstimme zu verhindern, dass die AfD stärkste Kraft im Parlament wird, zeigt, dass das Potential im antifaschistischen Kampf liegt. Alle zusammen gegen den Faschismus! Ohne Ausnahme! Denn nur so können wir die Massen mobilisieren, die nötig sind, um den Faschismus zurückzudrängen. Stoppen wir die AfD-Nazis!
Titelbild: Svu