Etwa 250.000 Menschen protestierten im Januar 2024 gemeinsam gegen rechts, nachdem die Deportationspläne der AfD bekannt wurden

Können wir die AfD noch stoppen?

Ja, können wir. Mit breitem und entschlossenem Widerstand einerseits und offener Systemkritik andererseits kann die AfD gestoppt werden. Von Jan Maas

Bei der Europawahl wurde die AfD in den ostdeutschen Bundesländern stärkste Kraft. Im Herbst droht das auch bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen.

Das gute Abschneiden der AfD ist umso erschreckender, als erst vor wenigen Monaten die Recherchen von Correctiv die Deportationsphantasien der faschistischen Netzwerke in und um die AfD enthüllten.

Seitdem gingen Millionen Menschen gegen die AfD und ihr Naziumfeld auf die Straße. Das hat dazu beigetragen, die AfD von ihren hohen Umfragewerten bundesweit von bis zu 24,5 Prozent im Januar auf um die 16 Prozent im Mai zu drücken. Das Ergebnis der AfD war also schwächer, als noch im Winter befürchtet werden musste.

Trotzdem verzeichnete die Partei einen Stimmenzuwachs gegenüber 2019. Und wenn Massenproteste vom Ausmaß der Bewegung in diesem Frühjahr und die Enthüllung offen faschistischer Tendenzen in der AfD deren Aufstieg nur bremsen, nicht aber stoppen konnte, was dann?

AfD auf den Trümmern der Ampel 

Ihr Zuwachs bei der Europawahl ging einher mit dem Niedergang aller drei Ampelparteien. Besonders die Wählerschaft der SPD und der Grünen ist enttäuscht von deren gebrochenen Versprechen.

Die Klimabewegung sorgte 2019 für ein Rekordergebnis der Grünen. Die Klimawende blieb die Partei an der Regierung schuldig. Die Grünen plakatierten 2021 noch gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete – und liefern sie jetzt in die Ukraine und nach Israel.

Die SPD versprach “Soziale Politik für Dich” und rechtfertigt jetzt Sparpolitik, um die Aufrüstung der Bundeswehr zu finanzieren. Ein Teil der Wählerschaft mag das richtig finden – ein anderer Teil wanderte zum Beispiel zum BSW. 

Soziale Krise 

In Deutschland werden die Armen ärmer und die Reichen reicher. Dieser Trend, der seit Jahrzehnten anhält und von keiner Regierung unter egal welcher Partei auch nur angegangen wurde, hat sich mit der Inflation letztes Jahr noch verschärft.

Trotz einiger Lohnerhöhungen haben die meisten Menschen heute weniger Geld zur Verfügung als vor der Wahl der Ampel.

Zwar steigen die Preise inzwischen nicht mehr ganz so schnell – aber sie gehen auch nicht wieder zurück. So erlebt ein Teil der Bevölkerung seit langem, dass es ihm immer schlechter geht und dass in der Gesellschaft etwas grundsätzlich schiefläuft.

Politische Krise

Diese Erfahrung führt zu einer Krise des bestehenden Parteienspektrums. Egal was wir wählen, es kommt doch immer dieselbe Politik raus. Und “die da oben” machen eh was sie wollen. Das ist der Eindruck, der sich bei einem wachsenden Teil der Bevölkerung durchsetzt.

Und dieser Eindruck ist völlig berechtigt. Alle Regierungsparteien und Regierungen haben ein wesentliches Ziel gemeinsam: Die Interessen des deutschen Kapitals, also der winzigen superreichen Minderheit dieses Landes, zu vertreten – mit Waffengewalt nach außen und mit Sozialabbau nach innen.

Gleichzeitig führen diese Parteien Debatten, die den Eindruck erwecken, Migrant:innen wären zumindest Teil des Problems: Abschottung gegen Flüchtlinge, faktische Abschaffung des Asylrechts, absurdes Theater über die Verteilung von Flüchtlingen in der EU und zwischen Bundesländern, “deutsche Leitkultur” (was auch immer das sein soll), oder Abschiebung “schwerer Straftäter” – all das signalisiert, das Land wäre besser dran ohne, ja ohne was? Die anderen eben.

Diese Mischung aus sozialer und politischer Krise und allgegenwärtigem Rassismus ist der Nährboden für die AfD.

Linke fällt aus

Die Linke scheitert an der Aufgabe, dem eine echte Systemopposition entgegenzusetzen. Es ist, als hätte ihre Führung die Tiefe der Krise nicht verstanden. Es reicht nicht, nette Projekte und ein linkes Reformprogramm vorzuschlagen, das keine Chancen auf Umsetzung hat.

Was für eine Partei, die sich als sozialistisch versteht, nötig wäre: Eine radikale Kritik des Kapitalismus. Kein Schielen auf Regierungsbeteiligungen, die dieselbe Politik brächten, wie sie von den anderen Parteien kommt – siehe Thüringen. Keine Rücksichtnahme auf (potentielle) Koalitionspartner.

Ausgerechnet dem BSW ist es gelungen, einen Teil der zu Recht abgegessenen Menschen abzuholen. Dabei hat die Partei nichts anzubieten als alte sozialdemokratische Konzepte und rassistische Sündenbockpolitik. Sie lenkt die Wut in eine falsche Richtung. 

Hoffnungslosigkeit und Enttäuschung

Hoffnungslosigkeit und Enttäuschung sind die Säulen, auf denen faschistische Bewegungen und Parteien in der Vergangenheit aufbauen konnten. Das gilt auch für die AfD heute – und die Rechte in Nachbarländern wie Frankreich.

Gegenüber dem Pol der organisierten Hoffnungslosigkeit braucht es einen Pol der Hoffnung, schrieb der russische Revolutionär Leo Trotzki in seinen Schriften über Deutschland angesichts des Aufstiegs der NSDAP.

Solidarität 

Was ist nötig für einen solchen Pol der Hoffnung? Es braucht zum einen Solidarität gegen Rechts: eine aktivistische antifaschistische Bewegung, die die AfD und ihr Umfeld herausfordert und konfrontiert, wo immer sie sich zeigt.

Die Millionen, die gegen die AfD auf die Straße gegangen sind, sind immer noch gegen die AfD. Verhindern wir gemeinsam ihren Parteitag in Essen. Das kann ein Sprungbrett für weitere regionale und lokale Aktionen sein.

Alle zusammen gegen den Faschismus

Eine wirkungsvolle Bewegung gegen die AfD muss von Dauer sein. Sie muss alle umfassen, die die Nazis stoppen wollen: Von den Kirchen zur autonomen Antifa. Das schließt auch die SPD, die Grünen und die Gewerkschaften ein.

Olaf Scholz’ Ablehnung der AfD ist echt. Er hat nicht vergessen, dass Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zu den ersten Opfern des Naziterrors gehörten. Nehmen wir ihn beim Wort. 

Hoffnung auf ein besseres Leben

Zum zweiten braucht es neben einer solidarischen Bewegung gegen die AfD Hoffnung auf ein besseres Leben. Auch wenn wir mit Olaf Scholz gegen Rechts demonstrieren, vergessen wir nicht, dass seine Politik der AfD den Boden bereitet.

Es ist die Politik der Ampel, die Verzweiflung schafft. Und es war Olaf Scholz, der mehr Abschiebungen forderte und der Hetze der AfD den Boden bereitete. Diese Politik wird die Nazis auf Dauer nicht stoppen, sondern sie weiter stark machen.

Sozialismus von unten

Darum braucht es innerhalb der Bewegung gegen die AfD Kräfte, die das herrschende Elend nicht vorantreiben oder verteidigen, sondern abschaffen wollen. Wir müssen wieder über Sozialismus reden. Eine solche Kraft will Sozialismus von unten aufbauen.


Titelbild: H-stt