Der Skandal ist nicht, dass Russland Offiziere abhört, sondern dass Offiziere der Bundeswehr planen, wie sie Taurus-Marschflugkörper in der Ukraine zum Einsatz bringen können. Kommentiert Christine Buchholz
Die ungeplante Veröffentlichung des Mitschnitts einer geheimen Besprechung von ranghohen Vertretern der Luftwaffe, darunter der oberste Chef der Luftwaffe, 3-Sterne-General Ingo Gerhartz, ist nicht nur eine Peinlichkeit und ein kommunikatives Desaster für die Bundeswehr und die Bundesregierung.
Sie zeigt vor allem, wie sich Deutschland immer tiefer im Krieg um die Ukraine verstrickt.
Die vier Militärs haben sich verabredet, um ein halbstündiges Briefing für Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorzubereiten. Thema ist die Lieferung von Taurus-Lenkwaffen an die Ukraine. Olaf Scholz (SPD) lehnt diese bisher ab, weil sie eine neue Eskalationsdynamik in Gang setzen könnte.
Die vier Militärs besprechen Szenarien, die die Lieferung von Taurus ermöglichen sollen, ohne die politische Vorgabe, dass deutsche Soldat:innen nicht an der Zielsteuerung der Lenkwaffen beteiligt sein dürfen, zu verletzen.
Sie diskutieren Einschätzungen der Fähigkeiten, Einsatzbedingungen und Einsatzmöglichkeiten des Taurus-Systems. Das schließt Überlegungen darüber ein, welche Ziele man damit zerstören könnte, ob und in welchem Umfang Angehörige der Bundeswehr bei der Programmierung der Lenkwaffen für konkrete Ziele beteiligt sein müssten, um diese effektiv zu zerstören, und wie man einen pragmatischen Umgang mit der Einarbeitung ukrainischer Soldat:innen finden könnte.
Militär und Industrie bereiten den Krieg vor, Hand in Hand
Die Militärs sind eng vernetzt mit der Rüstungsindustrie und den militärischen Partnern der Nato-Staaten. Einer der Beteiligten weilt zum Zeitpunkt des Gesprächs in Singapur und hat einer Veranstaltung zur Ablösung des US-Luftwaffengenerals Wilsbach, Kommandeur der US-Streitkräfte in der Pazifik-Region, beigewohnt.
Sie beraten die Politik und vermitteln so die ihrer Meinung nach notwendigen Schritte und Vorhaben.
Das Gespräch offenbart, dass die Vorstellung von einer parlamentarischen Kontrolle der Machtinstrumente des Staates irreführend ist. Es zeigt, dass der Staatsapparat und die politische Führung in wichtigen Fragen an der Bevölkerung vorbei planen und die tatsächlichen Gegebenheiten und Handlungen vor ihr verschleiern und verbergen wollen.
In einer Nebenbemerkung spricht einer der Beteiligten über die Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages – der nach ihrem Willen eine Verdopplung der Kosten für die Infrastruktur für die Beschaffung des Kampfjets F-35 durchwinken soll.
Kita-Plätze statt Taurus
Der Kriegskurs des deutschen Militärs und der deutschen Regierung ist nicht nur brandgefährlich und unkontrollierbar, sondern auch noch extrem teuer. Es ist absehbar, dass die Kosten für Rüstung durch Kürzungen in anderen Bereichen gedeckt werden sollen.
Der ganze Vorgang zeigt, wie notwendig es ist, jetzt Gegendruck gegen die Militarisierung und die direkte und indirekte Kriegsbeteiligung Deutschlands auf die Straße zu bringen. Der aktuelle Skandal um einen Videoclip des ZDF-Kindernachrichtenprogramms logoplus!, betreibt mit einer verniedlichten Taurus-Lenkwaffe menschenverachtende Kriegspropaganda für Kinder gegen das Versagen weiterer Waffenlieferungen an die Ukraine.
Sowohl die Regierung – insbesondere das Verteidigungsministerium – als auch die beteiligten deutschen Rüstungsunternehmen haben schnell entschlossenen Protest von allen verdient, die Aufrüstung und Krieg ebenso ablehnen wie den damit verbundenen Sozialabbau.
Lies hier den Artikel:
Antimilitarismus statt Friedenslogik
Warum die Friedensbewegung bisher keine gemeinsamen Antworten auf die Fragen nach den Ursachen und der Strategie gegen Krieg gegeben hat. Von Stefanie Haenisch
Titelbild: ILA