Friedrich Merz’ Programm ist das Problem. Auch, wenn er am Ende mit SPD und/oder den Grünen regiert. Von Jan Maas
»187 Faschos« schrieb jemand auf ein Wahlplakat der CDU in Berlin, nachdem die Partei für zwei rassistische Anträge eine Unterstützung durch die AfD in Kauf genommen hatte. Gemeint sind die 187 Unionsabgeordneten, die am 29. Januar für den ersten Antrag stimmten. Kritik an Friedrich Merz’ Kurs ist berechtigt. Doch mit Faschismus hat das, was die CDU gerade macht, nichts zu tun.
Die CDU sucht vielmehr nach Möglichkeiten, nach dem Ende der Ampel auf parlamentarischem Weg ihren Rechtskurs durchzusetzen. Stichwort: Agenda 2030. Die wesentlichen Merkmale sind Sozialabbau, Aufrüstung und Rassismus. Der Hintergrund ist die mindestens seit dem Immobiliencrash 2008 anhaltende Krise der Wachstumsraten.
Das Vorbild von Friedrich Merz’ Agenda 2030
Der Begriff Agenda 2030 erinnert an die Agenda 2010. So hieß das Kürzungsprogramm der rot-grünen Bundesregierung 1998-2005 unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder. Als Kern dieses Programms führte Schröder durch Angriffe auf Arbeitslose einen Niedriglohnsektor ein.
Damals hatte die SPD diese Rolle, weil die vorhergehende Bundesregierung aus Union und FDP unter CDU-Kanzler Helmut Kohl an der Aufgabe gescheitert war, den deutschen Kapitalismus zu sanieren. Deutschland galt ab Mitte der 90er Jahre als »kranker Mann Europas«.
Gewerkschaften gegen Kohl, aber nicht gegen Schröder
Kohls geplanter Sozialabbau stieß auf erbitterten Widerstand. Die Gewerkschaften verhinderten 1996 nacheinander ein Sparpaket und die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Schließlich streikten 1997 auch noch Studierende bundesweit für bessere Bedingungen an den Unis. 1998 wurde Kohl abgewählt und Schröder Kanzler.
Die SPD konnte dank ihrer engen Verbindung disziplinierend auf die Gewerkschaften einwirken. So setzte Schröder, der »Genosse der Bosse«, jenen Sozialabbau durch, den die Konzerne sich von Kohl gewünscht hatten. Diese Verbindung zwischen SPD und Gewerkschaften besteht immer noch. Nur hat sich die Lage grundsätzlich geändert.
Eine neue Agenda würde die SPD zerstören
Die SPD war seit dem Ende von Rot-Grün 2005 weiterhin an fast allen Regierungen der letzten 20 Jahre beteiligt. Obwohl Scholz – anders als Merz – verspricht, dass es Aufrüstung ohne Sozialabbau geben könne, ist seine Unterstützung auf Werte um 15 Prozent zurückgegangen. Eine neue Agenda würde die SPD zerstören.
Zugleich sind Sozialabbau und Aufrüstung aus Sicht der Bosse nötig. Die Agenda 2010 brachte dem deutschen Kapital zunächst einen Wettbewerbsvorteil. Doch seit Angela Merkel diese Politik nach der Eurokrise ab 2010 in der EU verallgemeinerte, ist dieser Vorteil dahin. Durch die ständige Konkurrenz auf dem Weltmarkt können solche Vorteile ohnehin nie von Dauer sein. Der Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 hat zudem deutlich gemacht, dass diese Konkurrenz leicht in Krieg umschlagen kann.
Friedrich Merz spielte seine Optionen durch
Darum hat jetzt die CDU die Aufgabe, eine neue Agenda 2030 durchzusetzen. Dafür hat Merz mit seinen Vorstößen die Optionen durchgespielt. Alleine geht es nicht. Eine Option ist die Zusammenarbeit mit ehemaligen Ampelparteien. Noch sind SPD und Grüne jedoch im Amt. Die FDP kommt vielleicht gar nicht mehr in den Bundestag.
Eine andere Option ist die Zusammenarbeit mit der AfD. Diese Option hat Merz getestet und sich dabei etwas verzockt. Gerade weil die CDU keine faschistische Partei ist, hat der Aufschrei über die Zusammenarbeit mit der AfD beim Antrag zwei Tage später ihre Reihen gespalten. So gab es für den Gesetzentwurf keine Mehrheit mehr.
Es wird auf die Opposition außerhalb des Bundestags ankommen
Dabei haben SPD und Grüne dem Rassismus von Friedrich Merz kaum inhaltlich widersprochen. Sie kritisieren vor allem die Unterstützung durch die AfD. SPD und Grüne haben sich mit den Abschiebungen der Ampel gebrüstet. Die einzige Partei, die den rassistischen Abschiebekurs nicht mitfährt, ist die Linke.
SPD und Grüne haben sich erpressbar gemacht. Merz ist bereit zu einer parlamentarischen Zusammenarbeit mit Faschist:innen, um sein Programm durchzuziehen. Es ist absolut richtig, dagegen zu mobilisieren. Das werden wir aber auch tun müssen, wenn Merz nach der Wahl mit SPD und Grünen zusammenarbeitet.
Angesichts der anhaltenden Krise wird der Druck des Kapitals auf Merz immens sein, einen Weg zur Durchsetzung der Agenda 2030 zu finden. Wir werden uns darauf vorbereiten müssen, unsererseits den Druck aufrechtzuerhalten. Sowohl gegen die Zusammenarbeit mit der AfD als auch gegen Sozialabbau, Aufrüstung und Rassismus.
Titelbild: Svu