Antiimperialismus

FAQ: Was ist Antiimperialismus?

Was Antiimperialismus heute bedeutet, warum das wichtig ist und welche Fehler Linke in der Vergangenheit gemacht haben.

Was ist Imperialismus?

Imperialismus beschreibt nicht nur eine bestimmte gewaltsame Politik oder die Tatsache, dass mächtige Nationen wie die USA oder Deutschland über kleinere Nationen bestimmen können. Militärische Gewalt folgt einer enormen Zuspitzung ökonomischer Konkurrenz. Der moderne, kapitalistische Imperialismus ist also in erster Linie ein ökonomisches Stadium des reifen Kapitalismus, ist Ausdruck der rücksichtslosesten internationalen Konkurrenz nationaler Monopole – wir würden heute sagen transnationaler Konzerne. 

Die ökonomische Konkurrenz schlägt in politisch-militärische um und insofern nimmt diese die Form eines globalen Systems von konkurrierenden kapitalistischen Staaten an. Dieses System ist ständigen Veränderungen unterworfen. Mit der Entwicklung des Kapitalismus werden Konzerne und Staaten zunehmend abhängig voneinander. Der kapitalistische Konkurrenzkampf wurde so zur Quelle einer immer kriegerischen Welt. Gleichzeitig können Kämpfe und Protestbewegungen nicht verstanden werden, ohne ihre Beziehung zum Imperialismus zu beleuchten.

Was bedeutet Antiimperialismus?

Antiimperialismus bedeutet die prinzipielle Ablehnung imperialistischer Politik – dazu gehört die Ablehnung von Kriegen und militärischer Besatzung anderer Länder, aber auch die Opposition gegen die wirtschaftliche Knebelung ärmerer Staaten durch Reiche mittels neokolonialer Handelsabkommen. Kern antiimperialistischer Politik in reichen Ländern ist die Solidarität mit nationalen Befreiungsbewegungen, die sich oftmals in den ärmeren Regionen der Welt gegen Unterdrückung und Ausbeutung wehren, sowie der Kampf gegen Nationalismus und Militarismus der eigenen Staaten. Antiimperialistische Linke kämpfen gegen jeden einzelnen Krieg und neokoloniale Abhängigkeitsverhältnisse, aber auch gegen das System, das diese hervorbringt.

Warum ist antiimperialistische Politik heute überhaupt noch wichtig?

Das Leben der Menschen auf der Welt wird auch heute noch durch imperialistische Dominanz und davon ausgehenden Konflikten bestimmt. Auch heute sehen wir das Auseinanderbrechen von Staaten sowie den Wunsch, neue zu schaffen – so wie beispielsweise die Forderungen nach Autonomie oder einem eigenen Staat von Kurd:innen und Palästinenser:innen. Trotz des Endes des Kolonialismus besteht auch heute noch weiterhin massive Ungleichheit auf der Welt. Etwa zwei Drittel aller Menschen leben in sogenannten Entwicklungsländern – welche in Abhängigkeit von den reicheren Ländern stehen. Reiche und sehr reiche Länder dominieren in wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht die Welt. Wir sehen, wie diese Staaten, ärmere und militärisch unterlegene Regionen mit Kriegen überziehen, um sie meist vorübergehend zu besetzen, um ihnen genehme Regierungen zu installieren und um ihre Rohstoffe zu plündern oder zu kontrollieren. 

An die Stelle der alten Kolonialreiche ist ein System neokolonialer Abhängigkeitsverhältnisse zugunsten reicher und mächtiger Staaten getreten. Angesichts dieser Verhältnisse entstehen immer wieder Bewegungen, welche die Forderungen nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung erheben und sich dem Imperialismus und Neokolonialismus entgegenstellen.

Ist die USA immer der »Hauptfeind« von Antiimperialist:innen?

Die Einteilung in einen »Hauptfeind« und andere »weniger« imperialistische Länder ist nicht hilfreich, weil auch »kleinere« Länder das System des Imperialismus stützen und ihre eigenen imperialen Interessen verfolgen.

Die USA sind ohne Zweifel die größte imperialistische Macht auf dem Planeten, alleine schon, weil sie mit Abstand die mächtigste Militärmacht auf der Welt sind. Rund 40 Prozent der weltweiten Ausgaben für Militär und Rüstung entfallen auf die USA. Mit 738 Milliarden US-Dollar (rund 603 Milliarden Euro) lag das Budget des größten NATO-Landes fast vier Mal höher als das von China (193,3 Milliarden Dollar) und mehr als zwölf Mal höher als das von Russland (60,6 Milliarden Dollar). Die globalen Militärausgaben sind 2020 laut Internationalem Friedensforschungsinstitut Sipri um 2,6 Prozent auf 1,981 Billionen US-Dollar gestiegen.

Das bedeutet aber nicht, dass andere Länder weniger kriegerisch sind. Die unterschiedlichen Länder auf der Welt haben auf Grundlage ihrer jeweiligen Stärke die Welt unter sich aufgeteilt. Diese Aufteilung der Welt, die der relativen Stärke der großen Mächte zu einem bestimmten Zeitpunkt entspricht, ändert sich, weil im Konkurrenzkampf um Einflusssphären, Absatzmärkte und Rohstoffe ständig gerungen wird. Der Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das sich über den gesamten Globus ausweitet und alle Staaten prägt. Entwicklungen in der kapitalistischen Produktion erfolgen aber gleichzeitig ungleichmäßig und sprunghaft. Ungleiche wirtschaftliche Veränderungen auf globaler Ebene können wiederum zu neuen Kräfteverhältnissen zwischen Staaten führen. 

So lässt sich seit den 2000er Jahren etwa der Aufstieg der BRICS nachzeichnen: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika möchten ihrerseits ein »Stück vom Kuchen«. Die Aufteilung der Welt führt zu immer neuen Bündnissen und Konfliktlinien. Lenin schrieb: »Friedliche Bündnisse bereiten Kriege vor und wachsen ihrerseits aus Kriegen hervor, bedingen sich gegenseitig, erzeugen einen Wechsel der Formen friedlichen und nicht friedlichen Kampfes auf ein und demselben Boden imperialistischer Zusammenhänge und Wechselbeziehungen der Weltwirtschaft und der Weltpolitik.«

Wenn der Imperialismus organisch mit dem Gesamtsystem verbunden ist, muss das System gestürzt werden, um die Bedrohung zu beseitigen – nicht nur des jeweils stärksten Imperialisten auf der Welt.

Ist Deutschland eine imperialistische Macht?

Auch Deutschland hat wirtschaftliche und geopolitische Interessen außerhalb der Landesgrenzen, die notfalls mit Gewalt durchgesetzt werden. Beispiele sind die Bundeswehreinsätze in Afghanistan (2001-21) oder Mali (seit 2013). Diese Politik ist vergleichsweise jung: Beispielsweise beschlossen SPD/Grüne den ersten Kampfeinsatz der Bundeswehr erst 1999. Dass die Bundeswehr bis dato keine Kampfeinsätze ausführte, hing auch mit dem Machtverlust Deutschlands durch die verlorenen Weltkriege, aber auch infolge des starken Antimilitarismus in der Bevölkerung -ebenfalls bedingt durch die bitteren Erfahrungen der Weltkriege- zusammen.

Für die herrschende Klasse in Deutschland ist es allerdings ein Hindernis, dass sie nach dem zweiten Weltkrieg zwar wirtschaftlich ein Riese, aber militärisch ein Zwerg war. Der Rückzug aus Afghanistan hat erneut deutlich gemacht, dass Deutschland und die anderen europäischen Mächte bisher kaum in der Lage sind, völlig unabhängig vom enormen militärischen Potential der USA zu agieren. Auch aus diesem Grund betreibt die herrschende Klasse in Deutschland seit den 1990er Jahren einen aggressiven Kurs von Aufrüstung und Militarisierung, mit dem Ziel, die militärische Macht mehr in Einklang mit der wirtschaftlichen Macht zu bringen. 

Das wichtigste Ziel war es, die Bundeswehr des vereinigten Deutschlands von einer Verteidigungsarmee umzurüsten in eine international einsatzfähige Interventionsarmee. Ebenso wichtig war und ist es für Deutschlands herrschende Klasse, den immer noch vorhandenen Widerstand gegen Auslandseinsätze und Kriege weiter zu dämpfen. Mit der Verschärfung der internationalen Konkurrenz in den letzten Jahren hat diese Tendenz zu mehr Eigenständigkeit weiter zugenommen, auch vermittelt über das Wirken Deutschlands in der NATO oder der EU. Die gewachsene Bedeutung macht Deutschland zu einem der wichtigsten Länder für antiimperialistische Politik.

Ist das Herangehen »der Feind meines Feindes, ist mein Freund« für Antiimperialist:innen hilfreich?

Manche Sprecher:innen der Friedensbewegung meinen, eine Art »Lagerpolitik« sei heute wichtiger denn je. Da die NATO unter Führung der USA die Welt mit neuen Kriegen überzieht, müsse linke Außenpolitik darin bestehen, Staaten und Regime zu unterstützen, die sich dem »Hauptimperialisten« der NATO entgegenstellen. Diese Linke handeln nach der Maxime »der Feind meines Feindes, ist mein Freund« und verteidigten beispielsweise die Politik von Wladimir Putin in Russland oder Baschar al-Assad in Syrien. Es ist natürlich richtig, dass die Linke die aggressive Politik der NATO kritisiert und gegen die neuen Kriege der NATO mobilisiert. Aber: Auch beim Aufbau einer solchen Antikriegsbewegung in Deutschland darf die Linke keinen Kriegstreiber dieser Welt verharmlosen und Morde weder verschweigen noch schönreden; weder aus Washington, Moskau, Damaskus, noch an einem anderen Ort. Denn: Der Feind unseres Feindes, Putins Russland oder Assads Syrien, ist eben nicht unser Freund oder Verbündeter.

Schon vor langer Zeit haben linke Organisationen und Parteien immer wieder den Fehler gemacht, die Regierung eines Staates zu unterstützen, nur weil sie mit der »eigenen« Regierung verfeindet war. Weder in der DDR noch in der Sowjetunion, weder in China noch in Syrien gab oder gibt es eine Regierungspolitik, die auch nur annähernd den Begriff »links« verdient hätte. Linke Außenpolitik als Gegenmodell zur NATO-treuen Regierung sollte nicht darin bestehen, eine andere imperialistische Regierung in ihrem Kampf um mehr Einfluss auf der Weltbühne zu unterstützen. Die Parole Karl Liebknechts aus dem ersten Weltkrieg ist auch heute noch aktuell. Sie lautete: »Der Hauptfeind steht im eigenen Land.« 

Das gilt für alle Antiimperialist:innen und Anhänger:innen einer neuen friedlichen Weltordnung auch heute noch, unabhängig davon, ob sie in der BRD oder in den USA oder Dänemark wirken. Der Begriff des »Hauptfeinds« schließt das Bündnis mit anderen »kleineren« oder angeblich friedlichen Imperialismen aus, denn auch die mit der eigenen herrschenden Klasse verfeindeten Konkurrenten bleiben Feinde, Feinde einer friedlichen Weltordnung und Feinde der arbeitenden Klassen. Putins imperialer Großmachtpolitik in Syrien oder in der Ukraine müssen sich Sozialist:innen und Antiimperialist:innen entgegenstellen, auch wenn der Hauptfeind im eigenen Land (und im westlichen Militärbündnis NATO) steht.

Warum sollten Linke antiimperialistische Bewegungen unterstützen?

Linke, vor allem in den reichen Ländern, sollten sich immer bewusst sein, dass sie auf der Seite der Unterdrückten stehen und nicht auf der Seite der Herrschenden. Das ist außerordentlich wichtig, weil es dazu beiträgt, den Rassismus und Nationalismus zu untergraben, der in der Vergangenheit immer wieder Arbeiter:innen der entwickelten Länder an ihre herrschenden Klassen gebunden hat. Schon Marx und Engels waren sich darüber sehr im Klaren. 

Sie schrieben: »Das Volk, das ein anderes Volk unterjocht, schmiedet seine eigenen Ketten« und »Ein Volk, das andere unterdrückt, kann sich nicht selbst emanzipieren«. Diese Position ist heute aktueller denn je. Alleine die G20-Staaten sind heute für 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Welt und 80 Prozent des Welthandels verantwortlich. Zwischen diesen Staaten gibt es Unterschiede in der imperialistischen Hackordnung – von den 200 größten Konzernen der Welt kommen 171 aus den USA, Deutschland, Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada.

Aber im Zentrum der Außenpolitik aller G20-Staaten steht ihr Interesse, im Wettlauf um Rohstoffe, Absatzmärkte und Einflusssphären ihren Nationalökonomien und den mit ihnen verwobenen Konzernen, Vorteile zu verschaffen. Der Wettstreit dieser Staaten findet Ausdruck in Handelskriegen, aber auch in direkten militärischen Konfrontationen. Für Linke sollte klar sein, dass die Politik dieser Staaten deswegen voller Widersprüche steckt. Keiner dieser Staaten hat etwas Fortschrittliches. Immer wieder wird der Schutz von Menschenrechten als Vorwand für imperialistische Militärinterventionen missbraucht, das war so im Libyen-Krieg 2011 und im jüngsten Afghanistankrieg (2001-2021). Wo es Widerstand gegen imperialistische Interventionen gibt, sollten Linke diesen unterstützen, weil und insofern er das herrschende imperialistische System schwächen hilft. 

Wann sollten Linke eine antiimperialistische Bewegung unterstützen?

Es gibt dafür keine vorgefertigte Schablone. Der Kampf unterdrückter Nationen und Völker ist nicht einfach, da das kapitalistische Weltsystem mächtig ist. Nationale Minderheiten haben häufig erlebt, wie ihr Streben nach einem eigenen Staat zuerst geweckt und dann wieder zunichte gemacht wurde, wenn es den imperialistischen Großmächten passte. Auch unterdrückte Völker und Nationen gehen Bündnisse mit imperialistischen oder subimperialistischen Mächten ein oder entwickeln selbst eine zerstörerische Dynamik, die Nationalismus und Unterdrückung Vorschub leistet. Die einzige Möglichkeit für Sozialist:innen, sich in diesem Geflecht von Gebietsansprüchen und Gegenansprüchen zurechtzufinden, besteht darin, von einer eindeutigen Position auszugehen: Linke sollten gegen diejenigen sein, deren Aktionen die Macht des Imperialismus stärken, und all diejenigen unterstützen, deren Kämpfe dieses System schwächt.

Was bedeutet unterstützen?

Unterstützung von Befreiungsbewegungen geschieht hauptsächlich politisch – durch die Verteidigung des Rechts auf Widerstand gegen Krieg und Besatzung sowie durch Opposition gegen die »eigene« herrschende Klasse. Dazu kann etwa gehören, Demonstrationen und Mahnwachen anzumelden, Rüstungsbetriebe zu blockieren, in Medien auf die Lage der Unterdrückten aufmerksam zu machen oder Verwicklungen der »eigenen« bürgerlichen Kräfte in das Besatzungsregime aufzuzeigen. Erst im Kampf um die Unabhängigkeit und durch die Loslösung von imperialistischen Kräften kann sich die Arbeiter:innenklasse selbst befreien.

Dafür sollten Sozialist:innen aber nicht in die Falle tappen, nationalistisch-bürgerliche Kräfte in den vom Imperialismus unterdrückten Ländern rot und »sozialistisch« anzumalen, obwohl sie es nicht sind – wie auch immer fortschrittlich sie sich geben. So betonten Linke wie die Initiative »Waffen für Rojava« stets die »Fortschrittlichkeit« der Kurd:innen und andere Linke sahen in ihrem Kampf gar ein sozialistisches Projekt und verglichen den Aufstand in Rojava mit dem der Pariser Kommune von 1871. Doch Abdullah Öcalan, die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), sowie die syrisch-kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD), die eng miteinander verbunden sind, haben den Klassenkampf schon lange zugunsten eines linken Nationalismus aufgegeben – Unternehmer und Großgrundbesitzer sind gleichberechtigter Teil der Selbstverwaltung in Rojava, die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse werden nicht angetastet. 

Im konkreten Fall sollten Sozialist:innen trotzdem für das kurdische Selbstbestimmungsrecht und beispielsweise für eine Aufhebung des Verbots der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eintreten, weil sie unterdrückt und weltweit das größte Volk ohne eigenen Staat sind und ihr Kampf den türkischen Subimperialismus schwächt.

Sind antiimperialistische Bewegungen immer links?

Nein. Es gibt unterschiedliche Formen des Antiimperialismus. Die meisten antiimperialistischen Bewegungen der letzten Jahrzehnte waren keine genuin antikapitalistischen Bewegungen. In ihrer Klassenbasis vereinten sie sowohl Teile der Lohnabhängigen oder Bauern als auch Teile des Kleinbürgertums oder sogar der nationalen Bourgeoisie. Antiimperialismus wird oft mit Bewegungen gleichgesetzt, die links scheinen. Religiöse geprägten Bewegungen oder Organisationen, die sich gegen den Imperialismus wehren, wird hingegen abgesprochen »antiimperialistisch« sein zu können. Nach dieser Logik kann die PKK antiimperialistisch sein, weil sie formell ein linkes Programm vertritt, aber die Hamas in Palästina nicht, weil sie sich auf den Islam berufen. Diese Sichtweise geht davon aus, dass Antiimperialismus auch immer links und antikapitalistisch sein müsste. So wünschenswert dies wäre, so fernab der Realität ist diese Vorstellung.

Der russische Revolutionär Lenin hat sich viel mit der Frage des Selbstbestimmungsrechtes und der Positionierung von Sozialist:innen auseinandergesetzt. Schon damals hielt er den Anspruch an nationale Befreiungsbewegungen, sie müssten Linke sein, für illusorisch. 

Er schrieb: »Denn zu glauben, daß die soziale Revolution denkbar ist ohne Aufstände kleiner Nationen in den Kolonien und in Europa, ohne revolutionäre Ausbrüche eines Teils des Kleinbürgertums mit allen seinen Vorurteilen, ohne die Bewegung unaufgeklärter, proletarischer und halbproletarischer Massen gegen das Joch der Gutsbesitzer und der Kirche, gegen die monarchistische, nationale usw. Unterdrückung – das zu glauben heißt der sozialen Revolution entsagen. Es soll sich wohl an einer Stelle das eine Heer aufstellen und erklären: »Wir sind für den Sozialismus«, an einer anderen Stelle das andere Heer aufstellen und erklären: »Wir sind für den Imperialismus«, und das wird dann die soziale Revolution sein! (…) Wer eine »reine« soziale Revolution erwartet, der wird sie niemals erleben. Der ist nur in Worten ein Revolutionär, der versteht nicht die wirkliche Revolution.«

Welche Fehler haben antiimperialistische Linke in der Vergangenheit gemacht?

Allzu oft haben westliche Linke nationalen Befreiungsbewegungen, die sich linker oder sozialistischer Sprache bedienen, diese unkritisch unterstützt. Die Enttäuschung wog dann umso größer, wenn diese Bewegung nur dazu führten, dass ein weiterer kapitalistischer Staat gebildet wurde und die Hoffnung auf einer sozialistische Transformation der Gesellschaft sich nicht erfüllte – wie beispielsweise im Fall von Vietnam (Sieg des Vietkong über den US-Imperialismus) oder jüngst in Venezuela (Chavez Behauptung gegenüber den US-Imperialismus).

Der andere Fehler liegt in einer sektiererischen Verweigerung jeglicher Unterstützung, wenn es sich nicht um linke oder sozialistische Bewegungen handelt. Sozialist:innen heute sollten aus der Vergangenheit lernen und antiimperialistische Kämpfe unabhängig von deren ideologischen Führung unterstützen. Auch bei nationalen Befreiungsbewegungen, die sich als links oder sozialistisch verstehen, sollte die Linke deren politische Schwächen nicht verschweigen. Diese Haltung macht es möglich, sowohl grundsätzlich in Gegnerschaft zum Imperialismus zu treten als auch kompromisslos den bürgerlichen Nationalismus und seine Politik der Klassenkollaboration zu kritisieren, ganz gleich, ob es sich nun um die Hamas in Palästina oder um Maduro und seine Vereinigte Sozialistische Partei in Venezuela handelt. Die Parole der frühen, noch marxistisch geprägten Parteien der Komintern prägten dafür die Parole: Bedingungslose aber kritische Unterstützung für antiimperialistische Befreiungsbewegungen.

Was ist der Unterschied zwischen Marxismus und Nationalismus?

Der Marxismus sieht den grundlegenden Konflikt nicht zwischen den Nationen, sondern zwischen den Klassen: Zwischen Arbeiter:inneklasse und Kapitalist:innenklasse. Nationalist:innen sehen es genau umgekehrt: Die Welt ist aus ihrer Sicht in Nationen gespalten. Für Nationalist:innen gibt es keinen grundlegenden Klassenkonflikt, der sich nicht innerhalb der selbstbestimmten Nation lösen lässt. Für den Nationalismus in seinen verschiedenen Formen müssen Arm und Reich »zusammenstehen«: Lohnabhängige und Unternehmer:innen hätten ein gemeinsames Interesse: Die Nation. Der Kampf der unterdrückten und ausgebeuteten Klassen stellt aus der Sicht des Nationalismus eine große Gefahr dar, weil er die Einheit der Nation unterhöhlt.

Viele Befreiungsbewegungen Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts verschrieben sich nationalistischen Ideologien – dazu gehörte zum Beispiel auch Ägypten unter dem Offizier Gamal Abdel Nasser, trotz seines Bekenntnisses zu einem »Arabischen Sozialismus«. Ein wichtiger Grund dafür war, dass die Arbeiterklasse vergleichsweise schwach war und ein Großteil der Befreiungsbewegungen vom Kleinbürgertum angeführt wurde. Ein anderer war, dass die damals führende und starke Arbeiterpartei Ägyptens, die Kommunistische Partei, sich Nassers Führungsanspruch unterwarf, um dann von ihm verboten und verfolgt zu werden. Der Marxismus unterscheidet sich nicht nur in der Theorie vom Nationalismus. Seine Strategie der sozialistischen Revolution ist internationalistisch.


Weiterlesen:

Volkhard Mosler (1999): »An Krieg wieder gewöhnen? Niemals! Die Rückkehr des deutschen Militarismus« (EUR 4,00) zur Zeit ausverkauft

Chris Harman (2003): »Imperialismus: Vom Kolonialismus bis zu den Kriegen des 21. Jahrhunderts« (EUR 6,50) bestellbar hier

Tobias ten Brink (2008): »Staatskonflikte« (gebraucht ab EUR 5) bestellbar hier

Fraktion Die Linke im Bundestag & Rosa Luxemburg Stiftung (2016): »Schwarzbuch. Kritisches Handbuch zur Aufrüstung und Einsatzorientierung der Bundeswehr« (kostenfrei) online abrufbar hier

Callinicos, Alex & Michael Löwy (2018): »Marxismus und nationale Befreiungsbewegungen« (EUR 4,50) bestellbar hier


Bild: Hamza / Intifada Street