Die BDS Bewegung sieht sich massiver Repression ausgesetzt. Der Vorwurf: Antisemitismus. Doch was ist dran an der Kritik und wie sollten Linke damit umgehen? Ein FAQ der Svu-Redaktion
Was ist BDS?
Die Abkürzung BDS steht für Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen. BDS ist eine palästinensisch geführte Bewegung und wurde 2005 von 170 palästinensischen Organisationen – verschiedenen Parteien, Gewerkschaften, Frauenorganisationen, Kultur- und Sportvereinen sowie Nichtregierungsorganisation (NGOs) – gegründet. BDS wendet sich gegen die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung durch den israelischen Staat und ruft zum gewaltfreien, internationalen Boykott, Abzug von Investitionen und Sanktionen gegen Israel auf.
Warum fordern Palästinenserinnen und Palästinenser Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel?
BDS orientiert sich an einem einfachen Grundsatz: Palästinenserinnen und Palästinenser müssen die gleichen Rechte haben wie der Rest der Menschheit. Die Bewegung ist eine Reaktion auf die fortdauernde Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung durch den israelischen Staat. Diverse Studien und Berichte haben in den letzten Jahrzehnten die Vertreibung und Entrechtung der palästinensischen Bevölkerung dokumentiert: Von den jährlichen Berichten des Hilfswerks der Vereinten Nationen (UNRWA) bis hin zu den Analysen von Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International, der Internationalen Liga für Menschenrechte oder Human Rights Watch. BDS ist jedoch auch eine Antwort auf das Scheitern früherer Befreiungskämpfe der palästinensischen Bewegung. Es ist eine Alternative der palästinensischen Zivilgesellschaft zum bewaffneten Kampf. Dieser führte angesichts der militärischen Übermacht Israels in eine Sackgasse. BDS ist aber auch eine Konsequenz aus dem Scheitern der Strategie des diplomatischen Weges: Denn das Friedensabkommen von Oslo hat die Lage der palästinensischen Bevölkerung kein Stück verbessert.
Welche Menschen und Organisationen unterstützen international BDS?
BDS wird weltweit von Gewerkschaften, Kirchen, NGOs und sozialen Bewegungen unterstützt. BDS hat viele prominente Unterstützende, wie beispielsweise die Autorin Naomi Klein, den Friedensnobelpreisträger und Ex-Erzbischof von Kapstadt Desmond Tutu, die Bürgerrechtlerin Angela Davis, die Philosophin Judith Butler oder den verstorbenen Astrophysiker Stephen Hawking. Auch unter Kulturschaffenden hat BDS Unterstützende: Musikerinnen und Musiker wie Kate Tempest, Roger Waters, Carlos Santana, die Pixies, Lauryn Hill, Thurston Moore, Sinéad O’Connor, Elvis Costello, Lorde oder Lana Del Rey unterstützen die Kampagne.
Es gibt auch viele Gegnerinnen und Gegner von BDS. Wer sind diese und warum wenden sie sich gegen die BDS-Bewegung?
Die mächtigsten Gegnerinnen und Gegner von BDS sind die israelische Regierung und die mit ihr verbündeten Staaten. Dazu zählen vor allem die USA, Deutschland, Frankreich und England. In allen diesen Staaten sind Aktive und Organisationen, die BDS unterstützen, schweren politischen Angriffen sowie juristischer und finanzieller Repression ausgesetzt. Hintergrund dieser Repression ist, dass die israelische Regierung die BDS-Bewegung als die »größte aktuelle Bedrohung« ansieht, wie der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu im Frühjahr 2015 erklärte und deshalb enorme Anstrengungen unternimmt, die BDS-Bewegung zu delegitimieren und zu diffamieren. Gleichzeitig haben die mit Israel verbündeten Staaten auch ein Eigeninteresse, sie nutzen die Angriffe auf BDS, um die sozialistische Linke insgesamt anzugreifen.
Welche Mittel setzte die israelische Regierung ein, um BDS zu bekämpfen?
Um BDS zu bekämpfen, arbeitet der israelische Staat mit offenen und versteckten Methoden gegen Organisationen und Einzelpersonen, die BDS unterstützen oder mit BDS in Verbindung gebracht werden. So hat die Regierung zur Bekämpfung von BDS extra das Ministerium für strategische Angelegenheiten beauftragt. Es hat sich auf Lobbyarbeit gegen Länder, Bewegungen und NGOs, die die israelische Regierung als »strategische Bedrohungen« wahrnimmt, spezialisiert. Der zuständige Minister Gilad Erdan sieht BDS als »eine Gefahr für die ganze Welt«. In dem Artikel »Boykott gegen Israel« schreibt die französische Zeitung Le Monde Diplomatique: »Das Ministerium forderte außerdem, eine schwarze Liste von Organisationen und Personen anzulegen, die einen gewaltlosen Boykott unterstützen, und gründete eine Sondereinheit, die Boykottunterstützer öffentlich diskreditieren soll, indem sie unter anderem bezahlte Artikel in der israelischen Presse platzierte.« Neben dem Ministerium für strategische Angelegenheiten wird auch das Außen- und das Justizministerium sowie der Geheimdienst in Israel im Kampf gegen BDS eingesetzt. Die israelische Regierung stellt Millionenbeträge aus dem Staatshaushalt zur Verfügung und sammelt außerdem Spenden für den Kampf gegen BDS. Mit diesem Geld werden eigene Anti-BDS-Kampagnen (wie beispielsweise die »4IL-Kampagne«), aber auch Stiftungen, NGOs und Think Tanks finanziert, die die Ansichten der israelischen Regierung vertreten.
Was sind die historischen Vorbilder von BDS?
Die BDS-Kampagne orientiert sich an der Boykottkampagne gegen den südafrikanischen Apartheidstaat in den 1980er Jahren. Damals wurden nicht nur südafrikanische Produkte boykottiert. Künstlerinnen und Sportler weigerten sich, in Südafrika aufzutreten, bzw. gegen südafrikanische Sportler anzutreten. Aufgrund des zivilgesellschaftlichen Drucks zogen internationale Konzerne, wie beispielsweise Coca-Cola, aus Südafrika ab. Die damalige Boykottbewegung gegen den südafrikanischen Apartheidstaat hatte die Sensibilisierung westlicher Gesellschaften über die Menschenrechtsverletzungen des rassistischen Regimes zu Folge.
BDS spricht in Bezug auf Israel von einem Apartheidsystem. Worauf bezieht sich dieser Vergleich?
Apartheid bedeutet »Getrenntheit«. Es war der Name für das System der rassistischen Segregation und Unterdrückung der afrikanischen und anderen nicht-weißen Bevölkerung Südafrikas durch weiße Siedlerinnen und Siedler von 1948 bis 1994.
BDS bezieht sich jedoch in seiner Analyse zur Apartheid des israelischen Regimes auf die Anti-Apartheid-Konvention der UNO und das »Römische Statut« des Internationalen Strafgerichtshofs der Vereinten Nationen (UN). In den beiden völkerrechtlichen Verträgen ist der Begriff Apartheid juristisch generalisiert und von seiner Begrenzung auf Südafrika und den dortigen historischen Kontext gelöst worden. Insofern sind Vorwürfe, BDS würde eine Gleichsetzung Israels mit dem Apartheidsystem in Südafrika betreiben, nicht korrekt. Zu den prominentesten Israelis, die im Zusammenhang mit der Besatzungs- und Besiedlungspolitik der 1967 eroberten palästinensischen Gebiete zu unterschiedlichen Zeitpunkten entweder von einer drohenden oder bereits bestehenden Apartheid-Situation gewarnt haben, gehört der ehemalige Premierminister Jitzchak Rabin sowie weitere ehemalige Minister und hohe Staatsbeamte und Militärangehörige.
Die NGO American Jewish Committee in Berlin (AJC Berlin) behauptet, BDS verkenne den demokratischen Charakter Israels. Sie meinen: »Alle Bürger Israels, gleich welcher Religion, verfügen über unveräußerliche Grundrechte und ihnen stehen alle Möglichkeiten offen.« Haben sie Recht?
Nein, Israel verfügt über keine geschriebene demokratische Verfassung und diskriminiert seine palästinensischen Bürgerinnen und Bürger anhand einer Reihe von Gesetzen. Die israelische Menschenrechtsorganisation für die Rechte der arabischen Minderheit Adalah listet über 65 israelische Gesetze auf, die Palästinenserinnen und Palästinenser in Israel und den besetzten Gebieten diskriminieren. Die gesetzliche Diskriminierung umfasst alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens: Bürgerrechte, politische Partizipation, Boden- und Wohnrechte, Bildungsrechte, religiöse Rechte und viele mehr.
Ein institutionalisiertes System der Segregation sichert die gesetzliche Diskriminierung zusätzlich. Israel vergibt keine israelische Nationalität an seine Staatsbürgerinnen und -bürger. Stattdessen unterteilt der Staat die Nationalitäten seiner Bürger in »Juden«, »Araber«, »Drusen« und andere. Vor diesem Hintergrund ist auch das im Juli 2018 verabschiedete Nationalstaatsgesetz zu verstehen, das proklamiert, das »Recht auf nationale Selbstbestimmung im Staate Israel steht alleine dem jüdischen Volk zu«.
Im Mai hat der Deutsche Bundestag, mit den Stimmen von Union, SPD, Grünen und FDP, einen Beschluss verabschiedet, der die BDS-Bewegung verurteilt. Dort heißt es: »Die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung sind antisemitisch«. Was ist dran an den Vorwürfen?
Die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung sind nicht antisemitisch. Antisemitismus ist eine Form von Rassismus. Er weist Menschen jüdischer Religion oder jüdischem Hintergrund unveränderliche Charaktereigenschaften zu. Wie bei anderen Formen des Rassismus auch spielt es keine Rolle, ob die Konstruktion der Gruppe biologisch oder ethnisch-kulturell begründet wird. Die politischen Grundlagen der BDS-Bewegung stehen für das exakte Gegenteil.
BDS setzt nicht auf eine Diskriminierung von Jüdinnen und Juden oder Angriffe auf das Judentum, sondern kritisiert die israelische Politik gegenüber den Palästinenserinnen und Palästinensern.
Natürlich kann bei einer Sammlungsbewegung wie BDS nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Unterstützende von Judenhass motiviert sind. Der Bundestagsbeschluss ignoriert aber die ausdrückliche Ablehnung »aller Formen von Rassismus, einschließlich Antisemitismus« durch die BDS-Bewegung.
Auch aus diesem Grund wurde der Beschluss von verschiedenen Seiten scharf kritisiert. In einer Stellungnahme verschiedener Dachverbände, denen mehrere hundert Nichtregierungsorganisationen (NGOs) angehören, wird argumentiert, der Beschluss vermische »auf gefährliche Weise die BDS-Bewegung und Antisemitismus, während er alle zivilgesellschaftlichen Akteure ins Visier nimmt, die sich für die Grundrechte des palästinensischen Volks« einsetzen. Ebenso haben sich sechzehn Nahost-Expertinnen und -Experten aus Deutschland gegen den Beschluss ausgesprochen: »Die durch den Bundestagsbeschluss initiierte Stigmatisierung aller BDS-Unterstützerinnen und -Unterstützer als antisemitisch stellt aber die Zusammenarbeit der politischen Stiftungen, der Kirchen, der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und anderer Institutionen mit der palästinensischen Zivilgesellschaft und regierungskritischen Israelis grundsätzlich infrage. Das hat mit Antisemitismusbekämpfung nichts zu tun.« Auch die UN kritisierte den Bundestag: »Der Beschluss greift unverhältnismäßig in das Recht der Menschen auf politische Meinungsäußerung in Deutschland ein, nämlich Unterstützung für die BDS-Bewegung zum Ausdruck zu bringen«, heißt es in einem von fünf Sonderberichterstattern unterzeichneten Brief des Hochkommissariats der Vereinten Nationen.
Wann wäre eine Kritik Israels antisemitisch?
Wer Kritik an Israel mit verallgemeinernden Aussagen über Jüdinnen und Juden vermischt, bedient antisemitische Vorurteile. Kritik an Israel ist antisemitisch, wenn der Eindruck erweckt wird, »die Juden« als »Volkseinheit« wären verantwortlich für die Politik einer staatlichen Gewalt. Die zionistische Bewegung ist nicht identisch mit der israelisch-jüdischen Bevölkerung. Nicht »die Juden« entrechten die Palästinenser, sondern der zionistische israelische Staat und seine Unterstützerinnen und Unterstützer. Der israelische Sozialist Michel Warschawski bringt den Unterschied zwischen Antisemitismus und Antizionismus so auf den Punkt: »Wie jeder andere Rassismus negiert der Antisemitismus (oder die Judenfeindlichkeit) den Anderen in seiner Identität und in seiner Existenz. Der Jude ist, egal was er tut, egal was er denkt, Hassobjekt bis hin zur Ausrottung, nur weil er Jude ist. Der Antizionismus hingegen ist eine politische Kritik an einer politischen Ideologie und Bewegung; er greift nicht eine Menschengruppe an, sondern stellt eine bestimmte Politik in Frage.«
Aber knüpft BDS nicht am »Judenboykott« der Nazis an?
BDS wird vor allem in Deutschland gleichgesetzt mit dem »Judenboykott« der NSDAP. Dieser Vergleich ist historisch nicht haltbar und falsch. Die faschistische Rechte hatte in Deutschland seit den 1920er-Jahren und dann mit der Machtergreifung 1933 die gezielte, planmäßige Vernichtung von Menschen jüdischen Glaubens zum Ziel. Mit der Kampagne »Kauft nicht bei Juden« hatte die Ausgrenzung und Verfolgung der Juden durch die Nazis begonnen. Den Boykott jüdischer Unternehmen und Geschäfte gab es im völkischen Antisemitismus jedoch schon seit etwa 1890. Die NSDAP konnte daran anknüpfen und SA-Trupps der Partei versuchten seit 1925 immer öfter Gewalttaten gegen Jüdinnen und Juden, ihre Geschäfte, Wohnungen und Einrichtungen durchzuführen. Ziel der Kampagne waren Menschen jüdischen Glaubens.
Die BDS-Bewegung fordert nicht »Kauft nicht bei Juden« und richtet sich dementsprechend nicht gegen Menschen jüdischen Glaubens, sondern gegen die Politik des Staates Israel. BDS schreibt: »Wie beim Boykott gegen die Apartheid in Südafrika fordert die BDS-Bewegung einen Boykott des gesamten israelischen Unterdrückungsregimes, einschließlich aller israelischen Unternehmen und Institutionen, die an seinen Verletzungen des Völkerrechts beteiligt sind. BDS zielt nicht auf die Identität ab. Sie richtet sich strikt an Unternehmen und Institutionen, die sich auf Komplizenschaft bei der Verweigerung palästinensischer Rechte stützen.« Und an anderer Stelle: »Die BDS-Bewegung boykottiert oder kämpft nicht gegen Einzelpersonen oder Gruppen, nur weil sie Israelis sind.«
Die BDS-Bewegung spricht sich ausdrücklich gegen Einzelpersonen und Gruppen aus, die aus Feindschaft zu Juden die Bewegung unterstützen wollen: »Die BDS-Bewegung lehnt vermeintliche »Unterstützung« von Antisemiten und Rassisten aller Couleur ab. Ihr Fanatismus und ihr Hass sind unvereinbar mit unseren fortschrittlichen Werten und stehen im Gegensatz zur Vision unserer Bewegung für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit für alle.«
Warum wird BDS »Antisemitismus« vorgeworfen?
Hinter dem Vorwurf des Antisemitismus steht der Versuch der israelischen Regierung und ihrer Verbündeten, den Widerstand der Palästinenserinnen und Palästinenser gegen ihre Unterdrückung zu delegitimieren. Der Vorwurf des Antisemitismus ist zur Zeit das wichtigste Instrument der Regierenden im Kampf gegen die BDS-Bewegung.
Was genau hat der Bundestag gegen BDS beschlossen?
Der vom Bundestag verabschiedete gemeinsame Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel »BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen« beinhaltet, dass Menschen oder Organisationen, die BDS unterstützen, die finanzielle Förderung oder die Vergabe von kommunalen Räumen verweigert werden soll. Ebenso ruft der Bundestag »Länder, Städte und Gemeinden und alle öffentlichen Akteurinnen und Akteure dazu auf, sich dieser Haltung anzuschließen.«
Aktivistinnen und Aktivisten, die BDS in Deutschland unterstützen, sehen sich einer Welle von Repressionen ausgesetzt. Der Erziehungswissenschaftler und Senior Advisor am Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg Micha Brumlik spricht in diesem Kontext von einem »neuen McCarthyismus«. Übertreibt er?
Nein, der Vergleich ist durchaus treffend. In Deutschland haben bereits mehrere Landtage und Städte – wie München und Frankfurt – BDS zu einer »antisemitischen Organisation« erklärt und BDS-Aktive dürfen dort keine städtischen Räume nutzen. Für Verbotsforderungen von Veranstaltungen reicht es sogar, nur mit BDS in Verbindung gebracht zu werden.
Die TAZ berichtet über einen Fall: »Die Stadt München versuchte die Vorführung eines Dokumentarfilms über die Mauer im Westjordanland in einem städtischen Raum zu verhindern. Der Film »Broken« habe zwar nichts mit BDS zu tun. Doch bei der Diskussion sei zu erwarten, dass ein zentrales Ziel von BDS – der Abriss der Mauer – zur Sprache kommen könnte. Ein Gericht gab zwar im letzten Moment den Veranstaltern, der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe, Recht. Der Film wurde im Eine-Welt-Haus gezeigt. Doch der Fall zeigt, wie nah das Raumverbot einer Einschränkung von Meinungsfreiheit kommen kann.«
Die Raumverbote sind nur die Spitze des Eisberges: BDS-Aktive oder Menschen, denen zum Vorwurf gemacht wird, mit BDS in Kontakt zu stehen oder »nicht die notwendige Distanz zu BDS« zu haben, werden angegriffen. Das reicht von Raumverboten, Aberkennung von Preisen, Stipendien oder zugesagten Fördergeldern bis hin zu Ausladung von Podien und Kontensperrungen.
Micha Brumlik begründet den Vergleich in seinem Artikel »Unter BDS-Verdacht: Der neue McCarthyismus« wie folgt: »McCarthyismus – so der in diesem Fall treffende Eintrag bei Wikipedia – ist ein für die demagogische Kommunistenjagd in den USA der frühen 1950er Jahre benutzter Begriff, »bei der die hysterischen Ängste der Bevölkerung ausgenutzt worden seien, um Unschuldige oder relativ harmlose Andersdenkende zu verfolgen; er wird assoziiert mit Verschwörungstheorien und einer »Herrschaft des Terrors««. Und ganz ähnlich werden derzeit jene verfolgt, die auch nur in den Verdacht geraten, eine »falsche« Meinung zu vertreten oder einer bestimmten Haltung auch nur nahezustehen – nämlich der des BDS-Umfeldes. (…) Das Perfide des neuen, BDS-bezogenen McCarthyismus besteht zudem darin, dass er sich wegen des darin enthaltenen Antisemitismusvorwurfs kaum ausweisen muss und er zudem einen kaum widerlegbaren Vorwurf enthält: den der Kontaktschuld.«
Micha Brumlik ist mit seiner Einschätzung nicht alleine. Auch die Kulturwissenschaftler Jan und Aleida Assmann, die 2018 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden sind, sprechen in Deutschland von einer »Hexenjagd auf Kritiker der israelischen Politik.«
Wie sollte die Linke in Deutschland angesichts der Attacken auf BDS reagieren?
Unabhängig davon, ob Linke BDS unterstützen oder es aus verschiedenen Gründen ablehnen, sollte die Linke in Deutschland die Kriminalisierung von BDS scharf verurteilen und sich gegen den Bundestagsbeschluss aussprechen. Linke sollten an dem Protestaufruf von 240 israelischen und jüdischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegen den Bundestagsbeschluss orientieren. Sie schreiben: »Wir, darunter führende Antisemitismusforscher, erklären, dass man nach dem Inhalt und dem Kontext seiner Worte und Taten als Antisemit betrachtet werden sollte – ob sie nun von BDS-Unterstützern stammen oder nicht. (…) Die BDS-Bewegung versucht, die Regierungspolitik eines Staates zu beeinflussen, der für die anhaltende Besetzung und Unterdrückung des palästinensischen Volkes verantwortlich ist. Eine solche Politik kann nicht immun gegen Kritik sein. In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass viele jüdische und israelische Einzelpersonen und Gruppen BDS entweder ausdrücklich unterstützen oder das Recht darauf verteidigen. Wir halten es für unangemessen und beleidigend, wenn deutsche Regierungs- und parlamentarische Institutionen sie als antisemitisch abstempeln.« Die Linke in Deutschland muss Raumverbote, die Kündigung von Konten oder die Verleumdung von Personen, die mit BDS in Verbindung stehen, als Eingriff in ein demokratisches Grundrecht ablehnen.
Dieser Artikel erschien zuerst im Dezember 2020 auf marx21.de
Titelbild: alisdare1