Düsseldorf: »Das Problem ist ein System, das Profite über Menschen stellt«

Am 10. März streikte das Personal der Passagierabfertigung des Flughafen Düsseldorf. Warum sie sich an den Tarifauseinandersetzungen des öffentlichen Dienstes beteiligen erklärte uns Serhat Yılmaz, Beschäftigter am Flughafen

Svu: Hallo Serhat, du bist am Flughafen Düsseldorf angestellt. In welchem Bereich arbeitest du und was gehört dort zu deinen Aufgaben?

Serhat: Ich arbeite als sogenannter Check-in-Agent. Zu meinen Aufgaben gehören das Einchecken von Passagieren, die Überprüfung gültiger Einreisedokumente, das Boarding am Gate, die Betreuung der Passagiere und gegebenenfalls das Umbuchen von Flügen.

Du bist Mitglied in der Gewerkschaft ver.di und ihr habt euch dem Streikaufruf der Gewerkschaft zur Tarifrunde im öffentlichen Dienst angeschlossen. Wie ist die aktuelle Situation im Betrieb?

Die Lage ist äußerst angespannt. Wie in vielen Bereichen der Dienstleistung, wie Check-in, Operations oder an den Sicherheitskontrollen, fehlt es an Personal, was eine hohe Arbeitsbelastung für die Beschäftigten bedeutet. Die Arbeitsbedingungen sind prekär, befristete Verträge, überwiegend Teilzeitarbeit und unberechenbare Schichtpläne. Etwa 80 Prozent der Beschäftigten in meiner Firma arbeiten in Teilzeit, über 70 Prozent davon sind Frauen, viele von ihnen sind alleinerziehend. 

Obwohl der Flughafen Düsseldorf einer der größten Arbeitgeber der Region ist, gibt es keine betriebliche Kinderbetreuung. Die Schichtzeiten mit Einsätzen in der Nacht, an Feiertagen oder an Wochenenden erschweren das Privatleben erheblich. 

Als Angestellte in der Passagierabfertigung habt ihr am Montag (10.03.) gestreikt. Was fordert ihr und wie war die Stimmung der Kolleginnen und Kollegen?

Nach jahrelangen Verhandlungen haben wir 2024 endlich den Branchentarifvertrag für Bodenverkehrsdienste durchgesetzt, der sich am TVöD orientiert. Das war ein dringend notwendiger Erfolg, denn in unserer Branche war es lange üblich, sich den Airlines zu Dumpingpreisen anzubieten. Das geht natürlich nur auf Kosten der Beschäftigten und nicht etwa der Chefs. 

Jahrelang haben wir mit unseren niedrigen Löhnen die Ticketpreise der Passagiere subventioniert. Damit muss Schluss sein. Faire Bezahlung und sichere Arbeitsbedingungen sind kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für uns. 

Die Streikbereitschaft unter den Kolleg:innen war sehr hoch. Vielen Leuten ist bewusst geworden, dass es ohne Druck von unten keine Verbesserungen für sie geben wird; dass man uns nichts schenken wird. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. 

Nun hat unmittelbar mit Beginn der Arbeitsniederlegung der Kolleg:innen in Hamburg der Tagesschau-Moderator Constantin Schreiber auf X/Twitter gesundheitliche Notfälle beschrieb, um euch zu diffamieren. Wie siehst du seine Äußerungen?

Diese Kritik ist unbegründet und ein durchschaubarer Versuch, den Streik moralisch zu delegitimieren. Schwer erkrankte Menschen dürfen in den meisten Fällen ohnehin nicht fliegen, und für medizinische Transporte gibt es spezielle Lösungen, die von unseren Streikmaßnahmen nicht betroffen waren oder sind. Ob sich diese fantasievolle Geschichte wirklich so abgespielt hat, wage ich doch stark zu bezweifeln.

Wenige Tage darauf gab es bereits die nächste Kritik. Sogenannte Experten des Institut der deutschen Wirtschaft, wie Hagen Lesch behauptete: »Der Arbeitskampf im Öffentlichen Dienst läuft aus dem Ruder – dabei sind die Tarifverhandlungen noch gar nicht gescheitert«. Wie siehst du das? 

Wer sich über Flugausfälle beschwert, sollte die Verantwortung bei den Arbeitgebern suchen, die sich weigern, faire Löhne und Arbeitsbedingungen zu garantieren. Streiks sind ein grundlegendes demokratisches Recht, sie sind nicht das Problem, sondern ein Symptom eines Systems, das Profite über Menschen stellt.

Lesch sagte auch, dass »erst wenn die Schlichtung scheitert, sind wieder Streiks erlaubt.« Hierzu sagen wir als betroffene Belegschaft ganz klar, wie wir unseren Arbeitskampf führen, entscheidet nicht die Arbeitgeberseite und erst recht nicht Dr. Lesch. Umso mehr so, dass die Arbeitgeberseite in der Tarifauseinandersetzung noch überhaupt kein Angebot vorgelegt hat. Die wollen ihre Leute und diejenigen, die wie wir im Schatten des TVöDs beschäftigt sind, mit einer Nullrunde abspeisen. Das ist ein Armutszeugnis und dagegen wehren wir uns. 

Wenn die aktuelle Debatte um die Aufrüstung gerade eins zeigt, dann dass das Geld da ist, wenn es der politische Wille der Parlamentarier:innen auch ist. Als Beschäftigte müssen wir denen da oben zeigen, dass wir wichtiger sind als diese Todesmaschine namens Bundeswehr. Wir brauchen Kitas – ganz konkret die, die wir hier am Düsseldorfer Flughafen arbeiten, brauchen eine Versorgung unserer Kinder während des Schichtbetriebes. Niemand von uns braucht Panzer, die vom Fließband rollen.

Wie geht es für euch nun weiter?

Wir warten die dritte Verhandlungsrunde ab. Falls das Angebot der Arbeitgeber erneut unzureichend ist, werden wir unsere Maßnahmen ausweiten und diesmal ohne vorherige Ankündigung. Der Flughafenbetrieb hängt von uns ab, und das werden wir, wenn nötig, noch deutlicher machen.

Wir würden uns freuen, wenn die Hetze in den Medien bei den Leuten nicht verfängt. Eine breite Solidarität in der Bevölkerung für unsere Forderungen und unsere Belange würde ein anderes Klima schaffen, in dem die Verhandlungen stattfinden. Die Beschäftigten sollten hier branchenübergreifend zusammenstehen und sich nicht unter Wert verkaufen lassen. 

Danke dir Serhat für deine Zeit.


Die Fragen stellte Simo Dorn.

Bilder: Panorama and Politics