Bashar al-Assad in Russland

Assad und sein blutiges Regime wurden gestürzt

Assads Regime wurde gestürzt. Interview mit einem syrischen Sozialisten über die Bedeutung

Der syrische Sozialist Ghayath Naisse sagt Arthur Townend im Interview, dass der Sturz von Baschar al-Assad die Möglichkeiten für eine Rückkehr des Kampfes von unten eröffnet hat.

Nach Jahrzehnten einer blutigen und repressiven Diktatur in Syrien wurde das Assad-Regime gestürzt. Bashar al-Assad, der das Land seit dem Tod seines Vaters im Jahr 2000 regierte, floh am Sonntagmorgen aus der Hauptstadt Damaskus.

Hayat Tahrir al-Sham (HTS), eine bewaffnete islamistische Gruppe, startete vor zehn Tagen eine Blitzoffensive gegen das Assad-Regime. Nachdem sie die nördliche Stadt Aleppo gestürmt hatte, rückte die HTS nach Süden in Richtung Damaskus vor.

Damit wurde der seit langem andauernde Bürgerkrieg neu entfacht, in dem Assad 2011 eine Volksrevolution blutig niederschlug und rivalisierende imperiale Mächte in das Land eingriffen.

Der Sturz von Assad birgt Chancen – und Gefahren

Der syrische Sozialist Ghayath Naisse sagte dem Socialist Worker, dass der Sturz Assads »ein großer Moment in der Geschichte Syriens« sei. »Es gibt viele Chancen und viele Gefahren«, erklärte er. »Es war eine große Freude, dieses Ereignis nach all der Zeit und all den Kämpfen zu sehen.

Die Freude ist groß, weil es das Assad-Regime nicht mehr gibt – diese autoritäre, blutige Diktatur. Aber neben dieser Freude haben wir auch Angst, weil der Akteur des Wandels nicht der ist, den wir uns wünschen. Es gibt so viel Angst wegen der HTS und dem, was sie ist.«

Der »Akteur des Wandels« – die HTS-Gruppe unter der Führung von Abu Muhammad al-Dscholani – stürzte Assad mit türkischer Unterstützung. Er wurde nicht durch Massenmobilisierungen der Bevölkerung gestürzt.

Warum Assad gestürzt werden konnte

Das türkische Regime von Recep Erdogan unterstützte die Offensive der HTS, um das Assad-Regime zu schwächen und mehr regionalen Einfluss zu gewinnen. Dies geschah nicht nur aus wirtschaftlichen Interessen, sondern auch, damit Erdogan die kurdische Bevölkerung in Syrien und der Türkei, die ihre Rechte einfordert, weiter angreifen konnte.

Doch die HTS konnte das Assad-Regime mit schockierender Kraft stürzen und die leere Hülle von Assads Herrschaft aufdecken. Ghayath sagte, es sei wichtig, den Kontext zu verstehen – und warum das Assad-Regime so schnell gestürzt wurde.

Er sagte: »Erstens sind nach Jahren des Bürgerkriegs alle in Syrien sehr müde, auch das Regime. Die Situation ist sehr schlecht, die Wirtschaft verschlechtert sich von Jahr zu Jahr und das Regime ist nicht in der Lage, den Menschen das Nötigste zu bieten. Assad hatte also keine wirkliche soziale Basis in Syrien.«

Zweitens sind die Hauptmächte, die Assad unterstützen – Russland und Iran – geschwächt. Er erklärte, dass »Russland, das in der Ukraine beschäftigt ist, Assad nicht mehr so helfen kann wie 2015, als es zur Rettung des Regimes intervenierte.«

»Auch dem Iran geht es nicht so gut«, fügte er hinzu. »Der Krieg in Gaza und im Libanon hat den iranischen Einfluss in der Region enorm geschwächt. So sehen wir heute, wie regionale Mächte das Assad-Regime fallen lassen, weil sie nicht helfen können.«

Im Bürgerkrieg intervenierten rivalisierende imperialistische und regionale Mächte in Syrien, darunter die Vereinigten Staaten, Russland, der Iran und die Türkei.

Geopolitische Interessen

Ghayath, der Syrien zuvor als Schmelztiegel imperialistischer Rivalitäten bezeichnet hatte, meint, die Spannungen zwischen den verschiedenen Mächten werden zunehmen. »Der Sturz des Regimes hat viele Auswirkungen auf geopolitischer Ebene«, erklärte er.

»Israel, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Russland werden ein Übergangsprogramm wollen, das sie einschließt. Das ist nicht das, was die Menschen in Syrien brauchen und viele werden sich dem, was die HTS tun wird und den Vereinbarungen, die sie treffen wird, widersetzen.«

Einige argumentieren, dass die HTS das Erbe der syrischen Revolution von 2011 fortsetzt. Die Wut über jahrelange Armut und Diktatur kochte in Massenprotesten über und im März 2011 kämpften große Kräfte gegen die staatliche Repression.

Als Reaktion darauf begann Assad einen brutalen, sektiererischen Bürgerkrieg, um die Revolution in Blut zu ertränken. Sein Krieg war darauf ausgerichtet, den Kampf der Massen unmöglich zu machen. Rivalisierende imperiale Mächte nutzten ihn als Vorwand, um zu intervenieren.

Den Kampf von unten organisieren

Ghayath sagte, die HTS führe die Volksrevolution nicht fort. »HTS hat keine soziale Basis in Syrien«, erklärte er. »Sie rekrutiert sich aus verzweifelten Menschen, aber sie ist keine Volksorganisation.«

Ghayath wies jedoch darauf hin, dass der Sturz Assads den einfachen Syrern die Möglichkeit eröffnete, den Kampf von unten zu organisieren. »Wir sind gegen die HTS, aber trotzdem öffnet sie die Türen für den sozialen und politischen Kampf – und das ist der wichtigste Aspekt«, sagte er.

»Die HTS sind nicht die einzigen, die heute die Geschicke Syriens lenken. Die Menschen können sich in dieser Zeit organisieren. Der Sturz des Assad-Regimes hat den Menschen in Syrien die Möglichkeit eröffnet, wieder zu kämpfen und sich gegen die Reproduktion eines anderen autoritären Regimes zu wehren.«

Es ist die Möglichkeit solcher Kämpfe von unten »für demokratische Ziele und die Verwirklichung der politischen und sozialen Bedürfnisse des Volkes«, die in Syrien Hoffnung bietet.


Dieses Interview erschien zuerst im Dezember 2024 auf socialistworker.co.uk

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