Hunderttausende wünschen sich, dass die AfD von der Bildfläche verschwindet. Deshalb findet die Forderung nach einem Verbot der AfD großen Anklang. Aber kann damit erreicht werden, dass die AfD tatsächlich verschwindet? Von der Svu Redaktion
Die AfD ist inzwischen eine faschistische Partei und gewinnt auf dieser Grundlage neue Mitglieder. Sie kann aber noch nicht auf die Unterstützung einer faschistischen Massenbewegung zählen.
Ein Verbotsverfahren würde sich über Jahre hinziehen. In dieser Zeit könnte sich die AfD weiter aufbauen. Die nächsten Meilensteine für sie sind die Wahlen in diesem Jahr, die EU-Wahl und die Landtagswahlen in drei Bundesländern, in denen die AfD die stärkste Partei werden könnte. Das würde ihre Anziehungskraft weiter vergrößern. Darum kommt es jetzt darauf an, sie an solchen unmittelbaren Erfolgen zu hindern. Das gelingt mit einem AfD-Verbot nicht.
Die AfD muss daran gehindert werden, dass sie öffentlich Propaganda für ihre rassistischen, arbeiter- und frauenfeindlichen Vorstellungen machen kann. Deshalb ist es wichtig, dass überall, wo die AfD in der Öffentlichkeit auftritt – auf Veranstaltungen, Demonstrationen, Wahlkampfständen – ihr von allen, die sich heute in berechtigter Empörung auf den Straßen sammeln, entgegengetreten wird.
Die große Gefahr eines Verbotsverfahrens ist, dass es die Bewegung gegen die AfD auf der Straße bremsen könnte.
Außerdem kann man kein Vertrauen in die Staatsorgane für innere Sicherheit haben. In den letzten Jahren hat sich wiederholt deutlich gezeigt, dass sie Teil des Problems waren, nicht der Lösung. Von der Nazi-Terrorgruppe NSU in Sachsen über den NSU 2.0 in Hessen bis zum „Neukölln-Komplex“ in Berlin waren und sind Organe wie die Polizei und der Verfassungsschutz in faschistische Aktivitäten verstrickt
Der Verfassungsschutz ist die schlechteste Adresse, an die man sich wenden kann, wenn es um Antifaschismus geht. 2019 entzog das Berliner Finanzamt der antifaschistischen VVN-BdA die Gemeinnützigkeit – mit Verweis auf eine Nennung der Gruppe als „extremistisch“ im Verfassungsschutzbericht. Diese Entscheidung ist zwar nach Protesten zurückgenommen worden, aber sie zeigt, dass der Staat Linke in der Regel als Feind ansieht. So wurde zwar 1952 die SRP als Nachfolger der NSDAP verboten, doch 1956 wurde als nächstes die KPD (Kommunistische Partei Deutschland) verboten.
Jeder Ausbau staatlicher Einschränkungen von Freiheitsrechten richtet sich gegen Linke und die konsequentesten Gegner:innen des Faschismus sowie Gegner:innen unsozialer oder repressiver Maßnahmen des kapitalistischen Staates und der Kapitalist:innen. Bei der Unterdrückung von Demonstrationen wie zum Beispiel gegen den Genozid in Gaza stoßen Polizei und AfD ins gleiche Horn.
Statt eines langwierigen Verbotsverfahrens in den Gerichten ist eine entschlossene Bewegung auf der Straße und gegen öffentliche Auftritte der AfD nötig.
Die AfD tarnt sich als ganz normale bürgerliche Partei. Mit der Correctiv-Recherche ist es gelungen, ihr die bürgerliche Maske abzureißen und die faschistische Fratze dahinter zu entblößen. Überall, wo die AfD auftritt, braucht es Proteste und Aktionen, die den Nazikern der Partei enthüllen. Aktionen können klein sein. Man kann sich beispielsweise mit Müllsäcken neben AfD-Ständen platzieren und Menschen auffordern, den Propaganda-Müll der AfD in diesen Säcken zu entsorgen.
Doch gegen große Kundgebungen der AfD braucht es große Aktionen. Adolf Hitler meinte, durch Kundgebungen und Aufmärsche würde sich ein kleiner Wurm als Teil eines großen Drachens fühlen. Dieses Gefühl von Macht verleiht faschistischen Parteien ihre Anziehungskraft. Darum ist es nötig, solche öffentlichen Demonstrationen wirksam zu verhindern, um diese Anziehungskraft zu brechen und den harten Nazi-Kern von seinem weichen Umfeld zu trennen.
Das bedeutet, sich Kundgebungen der AfD entschlossen und ausdauernd mit breiten und entschiedenen Bündnissen entgegenzustellen. Dabei gilt es, die Faschist:innen vor Ort zu konfrontieren, ihre Versammlungen zu be- und verhindern und nicht nur weit weg von ihnen, Protest gegen sie zu artikulieren.
Nach dem zweiten Weltkrieg gab es schon viele Versuche, neue Naziparteien aufzubauen. Oft blieben sie klein. Die Studentenbewegung stellte sich 1969 der erstarkenden NPD entgegen. Ende der 1970er Jahren wurde drei Jahre lang gegen den Versuch der NPD, die Straße zu erobern, gekämpft, bis aus der Mobilisierung zu „Rock gegen Rechts“ heraus trotz eines Demonstrationsverbot 50.000 einen Aufmarsch der NPD verhinderten. Auch in den 2000er Jahren schwächten Blockaden und Demonstrationen die NPD. Die AfD stellt den bisher gefährlichsten Versuch dar, eine neue faschistische Partei mit Massenbasis aufzubauen. Doch gemeinsam und mit Entschlossenheit ist es möglich, auch die AfD zu stoppen.
Aufstehen gegen Rassismus ist ein breites, bundesweites Bündnis. Seine Kampagne gegen die AfD wird getragen von einer Vielzahl an Organisationen, Einzelpersonen und regionalen Bündnissen. Alle, die sich anschließen möchten, sind herzlich willkommen.
Faschismus ist eine besondere Gefahr
Die Correctiv-Recherche hat es auf den Punkt gebracht: Die AfD bedroht das Leben zahlreicher Menschen in Deutschland. Sie zählt Faschisten wie Björn Höcke in ihren Reihen. Außerdem verbindet sie sich mit weiteren Faschisten außerhalb der Partei wie Martin Sellner, mit ehemaligen Konservativen auf dem Weg nach rechts wie der Werteunion und einzelnen Geldgebern und Unternehmern, die deren Ziele unterstützen. Das heißt: Die AfD spielt eine Schlüsselrolle. Sie hat 2023 mehr als ein Drittel Mitgliederzugewinne verzeichnet. Diese 40.000 Menschen können den Kern einer zukünftigen faschistischen Massenorganisation in Deutschland bilden. Es gilt, diesen Aufbau jetzt zu stoppen. Denn die Bedrohung, die von der AfD ausgeht, hat eine besondere Qualität.
Der Faschismus entfesselt eine von der Regierung unabhängige Terrorherrschaft, insbesondere gegen die Organisationen der Arbeiterbewegung wie ihre Parteien und Gewerkschaften sowie deren soziale Errungenschaften. Die Wurzel dieses Terrors ist die Organisation gewaltbereiter Menschen in einer paramilitärischen Truppe auf der Straße – im Fall Deutschlands die SA und später die SS. Diese Organisationen waren die Grundlage für den späteren Terrorstaat.
Die AfD ist noch lange nicht an diesem Punkt. Gewaltbereite Nazitrupps gibt es aber bereits. Seit der Wiedervereinigung haben diese über 200 Menschen ermordet. Teile dieser Nazitrupps sammeln sich bereits unter dem Schirm der AfD. Zahlreiche AfD-Abgeordnete beschäftigen Nazikader in ihren Abgeordnetenbüros. Die Sammlung ist also im Gange, aber es ist noch nicht zu spät, sie wieder zu sprengen. Eine Machtübernahme steht zwar nicht unmittelbar bevor, aber in Krisen können faschistische Organisationen sprunghaft wachsen – und die Zeiten sind alles andere als stabil.
Der Kitt, der die faschistische Bewegung zusammenhält, besteht in der Beschwörung einer vermeintlichen Volksgemeinschaft. Die Kehrseite dieser Volksgemeinschaft ist der Hass auf alles, was sie stört, was nicht zur Vorstellung der AfD vom Volk gehört. Dazu gehört der Rassismus – im Fall Deutschlands vor allem in der Form des antimuslimischen Rassismus und des Antisemitismus. Dazu gehört aber auch der Hass auf Frauen, FLINTA und queere Menschen allgemein.
Eine besondere Rolle spielt der Hass auf die organisierte Arbeiterbewegung und die gesellschaftliche Linke. Ihr Blickwinkel ist der Klassenkampf, der Menschen über Geschlechter und Nationalitäten hinweg verbinden kann, und nicht der ethnische Volkskrieg, den die Faschisten beschwören. Alle, die nicht ins Bild der vermeintlichen Volksgemeinschaft passen, sind aus Sicht des Faschismus Parasiten, Störenfriede und Zielscheiben, für uns stellen sie jedoch eine Kraft dar, die gemeinsam den Faschismus stoppen kann.
Ganz Palästina hasst die AfD
Der Rassismus der AfD richtet sich unter anderem auch gegen Palästinenser:innen. Als Hunderttausende im Oktober vor den israelischen Bomben flohen, forderte Alice Weidel, keine weiteren Menschen aus Gaza oder dem Nahen Osten aufzunehmen. Schon in den Jahren zuvor hatte die AfD zum Beispiel gefordert, Palästinenser:innen den Flüchtlingsstatus abzuerkennen und das Hilfswerk UNRWA aufzulösen. Die AfD forderte über die bestehende Einschränkung der Meinungsfreiheit gegen die gewaltfreie BDS-Kampagne für die Menschenrechte der Palästinenser:innen hinaus ihre vollständige Kriminalisierung und damit verbundene Repression.
Diese Hetze der AfD gegen Palästinenser:innen reiht sich ein in die Dämonisierung von Menschen muslimischen Glaubens jedweder Herkunft. Dabei ist die AfD nicht alleine: Die Bild-Zeitung titelte im Oktober 2023 „Die Barbaren sind unter uns.“ Palästinenser:innen sind sowohl in Israel, den USA, weiten Teilen Europas als auch in Deutschland Opfer von Rassismus und staatlicher Unterdrückung.
Die AfD steht beim aktuellen Terror Israels gegen die Palästinenser:innen an der Seite Israels. Das gilt auch für einen großen Teil der europäischen faschistischen Bewegung: Wilders (Niederlande), Le Pen (Frankreich), Meloni (Italien), Abascal (Spanien), Åkesson (Schweden). Die AfD, ihre Verbündeten in Deutschland und ihre Bundesgenossen in Europa fordern massenhafte Deportationen. Die rechtsextreme Regierung Israels versucht gerade, eine solche Deportation an den Palästinener:innen praktisch durchzusetzen. Ungeachtet des Antisemitismus der europäischen Faschisten stellt Israel für sie ein Idealbild eines ethnisch reinen und militärisch hochgerüsteten Staates dar.
Gegen den Faschismus in Form der AfD zu kämpfen, bedeutet, geflüchtete Menschen und Palästinenser:innen jetzt in den Reihen der Bewegung gegen die AfD aufzunehmen. Es ist die Aufgabe dieser Bewegung, geflüchtete Menschen und Palästinenser:innen genauso wie alle anderen Opfer von Rassismus gegen die Angriffe sowohl der AfD als auch der Regierung und Polizei zu verteidigen.
Die Politik der Ampel macht die Nazis stark
Die AfD wächst auf dem Nährboden, den die Regierung liefert. Unsoziale Politik und rassistische Hetze wirken dabei zusammen: Auswirkungen der Pandemie, Preissteigerungen und Kürzungen des Haushalts 2024 schüren zu Recht Wut. Andere sind enttäuscht davon, dass die Ampel in Sachen Klimaschutz selbst ihre eigenen Minimalziele verrät. Gleichzeitig hetzt die Ampel gegen Arme und Geflüchtete: Finanzminister Lindner bringt den Mittelstand gegen „Arbeitsscheue“ in Stellung. Bundeskanzler Scholz will „im großen Stil abschieben“. Diese Stimmung birgt die Gefahr, dass die Wut sich gegen Arme und Geflüchtete richtet statt gegen die Profiteure des kapitalistischen Systems.
Die AfD gewinnt an Zustimmung, weil sie an die Hetze andockt und gleichzeitig die unbeliebte Ampel angreift. Auch die Aufrüstung und die Rede von der „Kriegstüchtigkeit“ Deutschlands helfen der AfD. In dieser Lage kann die AfD auftrumpfen und sich zugleich als scheinbar schärfste Oppositionskraft darstellen. Der Widerstand gegen die Prioritäten der Ampel von Sozialabbau bis Aufrüstung wird den Herausforderungen bis jetzt nicht gerecht.
Darum ist es nötig, nun neben dem Widerstand gegen die AfD auch den Widerstand gegen die unsoziale Politik der Ampel aufzubauen. Wenn Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit herrschen, können die Faschisten wachsen. Wenn sich Menschen jedoch erfolgreich zusammen wehren, lassen sie sich weniger leicht spalten. Aktuelle Beispiele für Proteste gibt es einige. Die Tarifrunde im öffentlichen Dienst hat zwar den Reallohnverlust nicht ausgeglichen, aber einige der größten Warnstreiks der letzten Zeit mit sich gebracht. Aktuell streiken die Lokführer für bessere Arbeitsbedingungen. Die Tarifrunde im Nahverkehr steht unmittelbar bevor. All diese Kämpfe haben Unterstützung aus der Bewegung gegen die AfD verdient.
Doch die Ampel betreibt Sozialabbau und Aufrüstung nicht aus bösem Willen, sondern weil sie Politik im Interesse der Herrschenden macht. Jahr für Jahr werden die Reichen reicher, während die Zahl der Armen steigt. Obwohl der Reichtum absolut wächst, haben immer weniger Menschen etwas davon. Zugleich findet das Wachstum auf Kosten des Klimas statt. Auch unter den Folgen der Klimakatastrophe leiden in erster Linie arme Menschen. Zudem spitzt sich die Konkurrenz zwischen den Nationalstaaten seit Jahren zu. Kriege, die weitere Menschen in die Flucht zwingen, nehmen zu. In diesen Zusammenhang gehört Scholz‘ Rede von der „Zeitenwende“. Wiederum treffen die entsprechenden Kürzungen für die Aufrüstung zuerst die Armen. Der Kapitalismus ist offenbar nicht in der Lage, die technischen Mittel zum Wohle der Mehrheit einzusetzen. Vielmehr schafft er Elend, das aktuell wieder die Gefahr des Faschismus nährt. An die Stelle der chaotischen Konkurrenz der Unternehmen gehört eine demokratisch geplante Produktion im Interesse der Mehrheit – eine sozialistische Gesellschaft.