Erklärung von Sozialismus von unten zum Ausschluss von Ramsis Kilani aus der Linken

12.12.2024

Am 07.12.2024 hat das Berliner Landesschiedsgericht der Linken unseren Genossen Ramsis Kilani mit sofortiger Wirkung aus der Partei ausgeschlossen. Ramsis, Basismitglied der Linken in Neukölln, habe der Partei schweren Schaden zugefügt, da er »den Terror der Hamas relativiert« und »das Existenzrecht Israels infrage gestellt« habe. Bündnispartner:innen hätten eine Zusammenarbeit mit der Partei infrage gestellt.

In einer ausführlichen Stellungnahme hat Ramsis sich allen Vorwürfen gestellt und sie entkräftet. Dies war auch Thema der gut einstündigen Anhörung, die am 07.12. stattfand. Offenbar hat sich die Landesschiedskommission in der mündlichen Begründung ihrer Entscheidung die Argumente und die Position der Antragstellenden zu eigen gemacht. Die schriftliche Begründung liegt noch nicht vor. 

Der Urteilsspruch ist skandalös, der Antrag auf Ausschluss war es auch. Dass der ehemalige Parteivorsitzende Martin Schirdewan und die ehemalige Berliner Landesvorsitzende Katina Schubert diesen mit Unterstellungen, Verkürzungen und Verzerrungen gespickten Ausschlussantrag gestellt haben, ist mindestens genauso kritikwürdig wie die bewusste Verleumdung von Ramsis und anderen Genoss:innen über die Presse.

Ramsis Kilani wird einen Rechtsbeistand beauftragen, Widerspruch gegen das Urteil einzulegen, damit aus diesem Schiedsspruch kein Präzedenzfall gegen palästinasolidarische Mitglieder der Linken wird. 

Linke versagt gegen rassistische Hetze und Repression

Wir bleiben bei der Auffassung, dass es möglich sein muss, in einer linken, pluralistischen Partei Positionen zu vertreten, die innerhalb der internationalen Linken, aber auch in immer größeren Teilen der Bevölkerung in Deutschland eine Selbstverständlichkeit sind. Der seit über einem Jahr mit deutscher Unterstützung stattfindende Völkermord in Gaza wird inzwischen auch von Amnesty International als solcher bezeichnet. Amnesty fordert Konsequenzen. Das Klima der Angst und der Repression, das auch viele im Kulturbetrieb und der Wissenschaft spüren, wird jetzt sogar von den Hochschulrektoren kritisiert, die sich gegen die Implikationen der letzten »Antisemitismus-Resolution« stellen, die im Bundestag von den Grünen bis zur AfD unterstützt wurde. Linke Positionen sind immer an der Realität zu messen.

Es ist ein politisches Versagen, dass sich die Parteiführung nicht der Hetze von Teilen der Medien entgegenstellt, die Linke habe ein Antisemitismusproblem. In einem Klima der Denunziation und der Repression ist es nicht mehr möglich, offen und sachlich zu diskutieren. Viele Mitglieder der Linken, die in der Sache kritisch zu den Auffassungen des rechten Flügels der Partei standen, haben sich nicht mehr getraut, Position zu beziehen. Das ist auch nachvollziehbar, denn wer will schon in die Nähe des Antisemitismus gerückt werden – und das auch noch von eigenen »Genoss:innen«?

Für universelle Menschenrechte

Die Formelkompromisse der Linken zum »Existenzrecht Israels« und zur »Zweistaatenlösung« halten angesichts der Realität nicht stand, in der ein Genozid stattfindet und Israel politische und territoriale Fakten geschaffen hat.

Die Linke glaubt, wenn sie ein Bekenntnis zum »Existenzrecht Israels« ablegt, ziehe sie eine richtige Konsequenz aus den Verbrechen der Nazis. 

Wir hingegen ziehen aus den Verbrechen des deutschen Faschismus die Konsequenz, überall für universelle Menschenrechte einzutreten.

Dazu gehört es selbstverständlich, für das Recht der jüdischen Bevölkerung einzutreten, im Gebiet des historischen Palästinas in Frieden und Sicherheit zu leben. Dazu gehört aber auch, für das Recht der palästinensischen Bevölkerung einzutreten, im Gebiet des historischen Palästinas in Frieden und Sicherheit zu leben. Das setzt voraus, gegen die systematische Entrechtung und Vertreibung der Palästinenser:innen, die vom deutschen Staat und politischen Establishment unter anderem mit Waffenlieferungen unterstützt wird, Widerstand zu leisten.

Wir sind für das Recht aller Menschen, dort zu leben, wo sie leben wollen. Wir sind gegen rassistische Kriterien dafür, wer Bürger:in sein darf und wer nicht.  

Die Linke muss sich entscheiden, auf welcher Seite sie stehen will, wenn sie weiterhin eine sozialistische, internationalistische Partei sein will. Das bedeutet auch, ihre Position zu Israel und Palästina an den Prinzipien des Internationalismus und Menschenrechten auszurichten und nicht an den Interessen und Argumenten des deutschen Establishments.

Symptom eines tieferliegenden Problems

Die aktuelle Auseinandersetzung ist allerdings nur Symptom eines tieferliegenden Problems. Die Linke war stark, als sie sich auf gesellschaftliche Kämpfe orientierte und diese mit voran trieb. Die zunehmende Fokussierung auf die parlamentarische Arbeit und Koalitionsfähigkeit unterminiert diese Rolle gerade in Zeiten sich zuspitzender imperialistischer Konflikte und verkleinert immer mehr den Raum für sozialistische Politik. Entsprechend ist die Arbeit in den Parlamenten zum Zentrum der Aktivität an vielen Orten geworden. Kampagnen dienen vor allem dazu, die Linke zu positionieren, um sie sichtbar und letztlich wählbar zu machen.

Die Vorstellung, dass die Regierung die Macht habe, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern, führt zu der stellvertreterischen Vorstellung, mit Regierungsbeteiligung »Macht zu gewinnen, um für die Menschen etwas zu verbessern«. Sie führt außerdem dazu, dass sich die Linke auf verschiedenen Feldern nicht mehr als sozialistische Alternative positioniert, sondern koalitionsfähig sein will. Infolgedessen werden die Stimmen in der Partei lauter, die antimilitaristische Positionen infrage stellen. Immer wieder gibt die Linke dem Druck nach, sich die Solidarität mit Israel als Staatsräson zu eigen zu machen.

Angesichts des Erstarkens der Rechten, von »Zeitenwende« und Sozialabbau wäre eine starke, konsequent klassenkämpferische und antiimperialistische Partei links von der SPD nötig.

Empfehlen Arbeit in der Linken zu beenden

Bereits nach dem Bundesparteitag in Halle haben wir erklärt, dass wir zu dem Schluss gekommen sind, dass unsere politische Arbeit außerhalb der Linken effektiver vorangebracht werden kann, auch in Wirkung auf die Linke.

Für uns ist jetzt der Punkt erreicht, an dem wir unseren Mitgliedern empfehlen, die Arbeit in der Linken zu beenden und ihre Kraft, Energie und Mitgliedsbeiträge in den Aufbau von außerparlamentarischen Bewegungen und der Gruppe Sozialismus von unten zu stecken.

Wir blicken mit Bedauern auf die Entwicklung der Partei zurück. Viele von uns haben die Linke von Anfang an mit aufgebaut und auf verschiedenen Ebenen Verantwortung getragen. Dabei haben wir über die letzten 20 Jahre viele Genoss:innen in gemeinsamen Aktionen trotz unterschiedlicher Positionen in einzelnen Fragen schätzen gelernt. Über viele Jahre haben wir um die Ausrichtung der Partei gekämpft – für eine klassenkämpferische, antimilitaristische und antirassistische Partei in Theorie und Praxis. 

Diese Erfahrung ist unheimlich wertvoll – auch für die Zukunft. Wir werden weiterhin die solidarische Zusammenarbeit im Kampf für eine internationale sozialistische Gesellschaft suchen.

Für die erfahrene Solidarität bedanken wir uns. Denjenigen, die aus Ärger über den Ausschluss die Linke verlassen, sagen wir: Ein Rückzug in die Vereinzelung ist keine Lösung. Bleibt aktiv und organisiert Euch, gern auch bei Sozialismus von unten.

Wir sehen uns – am 11. Januar beim Protest gegen den AfD-Bundesparteitag in Riesa, bei Kundgebungen gegen die deutsche Unterstützung des Genozids in Gaza, bei Streiks und Sozialprotesten.


Titelbild: Svu