Trump hat die US Wahlen für sich entschieden. Im Wahlkampf hatte der Republikaner einen massiven Kurswechsel in der Wirtschafts- und Außenhandelspolitik angekündigt. Was man dazu wissen muss, analysiert Eric Fretz
Svu-Veranstaltung:
»Die Welt nach der US-Wahl: Epoche der Polarisierung«
29. November um 19:00 bis 21:00
In einer Welt, die von großen, ineinander greifenden Krisen heimgesucht wird, erleben die Vereinigten Staaten, die nach wie vor die größte Wirtschafts- und Militärmacht der Welt sind, eine unruhige Wahlsaison.[1] Die Vorhersagen eines Erdrutschsiegs für einen zunehmend unberechenbaren Donald Trump wurden fälschlicherweise zurückgewiesen, als Vizepräsidentin Kamala Harris den geschwächten Amtsinhaber Joe Biden auf dem Wahlzettel der Demokraten ablöste. Harris lag in den Umfragen bald zwei Prozentpunkte vor Trump, aber das Ergebnis im Wahlmännerkollegium wird durch sieben Swing States entschieden, in denen die beiden noch immer Kopf an Kopf lagen.[2] Nun hat Trump die Wahl für sich entschieden.
Die Rückkehr von Trump
Harris‘ Gegenkandidat Trump wirkt in seinem zweiten Wahlkampf wie ein Possenreißer, der Lügen und Beleidigungen ausstößt. Doch er ist auch eine überraschend effektive rechtsextreme Gallionsfigur, die eine bürgerliche Basis mit begeisterter Unterstützung von christlichen Nationalist:innen und der extremen Rechten sowie von Teilen der Kapitalistenklasse zusammengebracht hat. Während seiner Präsidentschaft und in den fast vier Jahren, in denen er nicht an der Macht war, haben er und seine Anhänger:innen die konservative Republikanische Partei übernommen und sie nach seinem eigenen widersprüchlichen und verleumderischen Bild umgestaltet. Dies konnte er nur in einer Zeit der tiefen Krise (des US-Imperialismus) tun, auf die der überparteiliche neoliberale Konsens der US-amerikanischen herrschenden Klasse keine Antwort bot.[3]
Trumps Präsidentschaft 2017 war das Ergebnis dieser Krise und verlief parallel zu einem internationalen Aufstieg der extremen Rechten. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern war ihr wahltaktisches Gesicht in der Republikanischen Partei zu finden.[4] Das Ausmaß von Trumps reaktionärer Rhetorik und Politik sowie seine wütende Anhängerschaft vor Ort hat viele an den Faschismus erinnert. Doch Trump als solchen zu bezeichnen, entlastet den Kapitalismus. Ja, der Trumpismus ist nicht der gewöhnliche Konservatismus, an den wir uns gewöhnt haben, und er ist durchaus in der Lage, faschistische Tropen und Rhetorik zu mobilisieren. Bislang scheint es jedoch nicht Trumps zentrales Bestreben zu sein, eine reaktionäre Massenbewegung außerhalb der staatlichen Institutionen zu schaffen, die in der Lage ist, die Demokratie zu zerstören, die Arbeiterklasse zu atomisieren und eine faschistische Diktatur zu errichten – zumindest noch nicht. Stattdessen ist er ein politischer Abenteurer, der versucht, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und andere Formen der Unterdrückung sowie antidemokratische Maßnahmen zu nutzen, um die Präsidentschaft zu gewinnen und zu behalten.
Nichtsdestotrotz gab es ein Hin und Her zwischen Trumps »Make America Great Again«-Anhängern (MAGA) und echten faschistischen Organisationen. Seit der tödlichen Demonstration in Charlottesville, Virginia, im Jahr 2017 ist klar, dass »Trump die Büchse der Pandora geöffnet hat, aus der eine ernsthafte nationale faschistische Bewegung entstehen könnte«.[5] Dies wurde durch die gewalttätige, aber chaotische Invasion im Kapitol noch verstärkt. In der Folge distanzierten sich einige führende Republikaner:innen und Unternehmen zunächst von Trump. Dennoch unterstützte die Mehrheit der Republikaner:innen ihn weiterhin, und bald schon nahmen Unternehmensverbände und die Wall Street ihre Spenden für diejenigen unter den Kongressabgeordneten, die das offizielle Wahlergebnis bestritten, wieder auf, wobei das Republican National Committee die Ereignisse zu einem Teil des »legitimen politischen Diskurses« erklärte.[6] Während mehr Anhänger:innen Trumps in den Kongress gewählt wurden, passten sich andere der MAGA-Sprache an, um die republikanischen Vorwahlen zu überstehen – und all dies hat zum weiteren Wachstum militanter rechtsextremer Kräfte außerhalb des Wahlbereichs beigetragen.
Trumps Wahlkampagne
Trumps feste Basis unter den republikanischen Wähler:innen macht höchstens ein Drittel der Wähler:innenschaft aus. Eine klare Mehrheit steht in Fragen wie Abtreibung, Besteuerung von Reichen und Unternehmen, Waffengesetzen und Unterstützung von Gewerkschaften links. Daraus ergibt sich ein Dilemma. Einerseits kann Trumps unartikuliertes und hasserfülltes Getöse seine Basis ermutigen. Andererseits kann es mit dem Eintritt von Harris in den Wahlkampf als echte Alternative auch andere Wähler:innen abschrecken. Der Widerstand der Republikaner gegen die Abtreibung trug dazu bei, ihren Vormarsch bei den Zwischenwahlen 2022 zu verlangsamen, und Trump distanziert sich nun von der Abtreibungsfrage.[7]
Das Schüren von Ängsten im Zusammenhang mit der Zuwanderung war der Bereich, in dem er am erfolgreichsten war. Er hat die Sprache der Nazis übernommen und behauptet, dass Einwandernde »das Blut unseres Landes vergiften«, und er hat die Erzählung des großen Austausches aufgegriffen. Im Programm der Republikaner heißt es: »Wir müssen die Millionen illegaler Einwander:innen abschieben, die Joe Biden absichtlich ermutigt hat, in unser Land einzudringen.« Diese Rhetorik hat dazu beigetragen, dass der Prozentsatz der Menschen, die eine Verringerung der Einwanderung wünschen, stark angestiegen ist und nun zum ersten Mal seit 2005 eine Mehrheit diese Meinung vertritt.[8]
Das zweite große Thema in Trumps Kampagne ist Bidens Umgang mit der Wirtschaft. Obwohl Trumps Berater ihn ermutigen, sich auf die Finanzierbarkeit zu konzentrieren und Harris mit der unter Biden erlebten Inflation in Verbindung zu bringen, neigt Trump dazu, sich auf Nebenschauplätze zu begeben und stattdessen Gegner zu beleidigen. Trumps Reden sind nicht mehr von der populistischen Kritik am Großkapital geprägt, die er 2016 übte.[9] Die Inflation auf »Bidens offene Grenzen« zu schieben, anstatt auf die Preiserhöhungen der Unternehmen, funktioniert nicht so gut, wie er es gerne hätte. Dies spiegelt das Ausmaß wider, in dem Trump auf die Verunglimpfung seiner Gegner:innen setzt. Harris und Walz »wollen, dass dieses Land sofort kommunistisch wird«, argumentiert er. Bidens Anerkennung des Trans Day of Visibility sei, so Trump, »entsetzlich und beleidigend« und Teil seines »jahrelangen Angriffs auf den christlichen Glauben«.[10] Dies spricht die christliche Rechte an, ist aber für die unentschlossenen Wähler:innen, die seine Kampagne erreichen muss, weniger attraktiv.
Trumponomics
Wenn es so etwas wie »Trumponomics« gibt, dann sind das protektionistische Zölle und die Abschiebung von Arbeitsmigranten, kombiniert mit Reaganite Deregulierung und Steuersenkungen für die Reichen. Im Falle einer zweiten Amtszeit plant er, all diese Maßnahmen zu intensivieren. Die Steuererleichterungen, die Trumps Präsidentschaft 2017 brachte, wurden von großen Teilen der Kapitalistenklasse begrüßt, laufen aber 2025 aus. Er hat versprochen, sie zu erneuern und auszuweiten und für jede neue Regelung zehn bestehende zu streichen.
Trumps protektionistische Zölle waren höchst umstritten, da sie von seiner Basis unterstützt, von vielen größeren und global ausgerichteten Unternehmen jedoch kritisiert wurden. Die neue republikanische Plattform fordert »universelle Grundzölle auf die meisten importierten Produkte« und »die Aufhebung des Meistbegünstigungsstatus Chinas und die Verabschiedung eines Vierjahresplans zur schrittweisen Einstellung aller chinesischen Importe wichtiger Waren«.[11] Trump hat einen Grundzoll von zehn Prozent und darüber hinaus 60-prozentige Zölle auf chinesische Waren vorgeschlagen. Sollten diese Zölle in Kraft treten, würde dies die US-Wirtschaft und den Welthandel erheblich stören. Außerdem würden die Kosten für importierte Produkte steigen, was die Inflation weiter anheizen und die Menschen mit geringem Einkommen unverhältnismäßig stark treffen würde.[12] Die Zahlen mögen typische Trumpsche Übertreibungen sein. Robert Lighthizer, ein möglicher Finanzminister im Falle eines Wahlsiegs von Trump, hat jedoch bestätigt, dass er eine »strategische Entkopplung« der US-amerikanischen und chinesischen Wirtschaft befürwortet.[13] Trump hat die Republikaner in eine nationalistische, isolationistische Richtung gelenkt. Bemerkenswert ist auch, dass alle Erwähnungen eines ausgeglichenen Haushalts, von Schulden oder Staatsdefiziten gestrichen wurden und die ganze Betonung auf dem Handelsdefizit liegt, das Trump tendenziell als eine Bilanz für die USA ansieht.
In seinen Wahlkampfreden ist Trumps andere Antwort auf die Wirtschaft ein republikanischer Wahlkampfslogan aus dem Jahr 2008: »Bohren, Baby, bohren!« Er versprach, die strategischen Ölreserven der USA wieder aufzufüllen, ein riesiges Geschenk an die Petrochemieunternehmen, aber nicht an den Planeten. Die USA sind aktuell der größte Ölproduzent der Welt und Trump hat die Absicht, dies weiter auszubauen. Er wird auch die gezielten Steuerbefreiungen aufheben, die unter Biden für Elektrofahrzeuge, Solaranlagen und andere umweltfreundliche Technologien gewährt wurden. Ebenfalls ist er dazu übergegangen, die energieintensive Kryptowährungsindustrie zu unterstützen. Trumps Rhetorik war für große Umwelt-Nichtregierungsorganisationen Anlass genug, Harris zu unterstützen, obwohl sie in Klimafragen relativ still ist.
Die republikanische und die demokratische Wirtschaftspolitik sind auf unterschiedliche Weise bereit, Elemente des rein neoliberalen Konsenses der späten 1990er und frühen 2000er Jahre über Bord zu werfen, aber keines der beiden Bündel von Maßnahmen wird die Lage der Arbeiterklasse verbessern.
Eric Fretz ist ein sozialistischer Aktivist, der in Brooklyn, New York, lebt.
Zuerst veröffentlich in ISJ Ausgabe 184. Aus dem Englischen vom Svu-Übersetzungskollektiv.
Referenzen:
[1] Dieser Artikel wurde nach den beiden Kongressen, aber vor der ersten Debatte zwischen Trump und Harris fertiggestellt. Ich danke Joseph Choonara und der Redaktion von International Socialism für ihre Kommentare und den Mitgliedern von marx21 US und Tempest in den USA für ihre Diskussionen.
[2] Die sieben Swing States, die zwischen Republikanern und Demokraten wechseln, sind Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin.
[3] Trump hat davon profitiert, dass er die Überreste der unter Obama entstandenen Tea-Party-Bewegung aufgesammelt hat. Zu letzterer siehe Trudell, 2011. Für eine Analyse der »Lumpenkapitalisten«, die hinter dem Trumpismus stehen, siehe Davis, 2020. Die christlichen Nationalisten, die Trump scheinheilig umarmten, gehen über die alte »moralische Mehrheit« hinaus und haben sich zu rechtsextremen autoritären Theisten entwickelt, wie Newsinger, 2020, analysiert.
[4] Choonara, Joseph, 2024, „Confronting Britain’s far-right problem“, International Socialism 184 (autumn), https://isj.org.uk/confronting-far-right/
[5] Callinicos, Alex, 2021, “Neoliberal Capitalism Implodes”, International Socialism 170 (spring), Callinicos, Alex, 2024, “Removing Biden Does Not Mean Stability for the US”, Socialist Worker (30 July), https://socialistworker.co.uk/alex-callinicos/removing-biden-does-not-mean-stability-for-the-us
[6] Callinicos, 2021 – Rappeport, Alan, Madeleine Ngo and Kate Kelly, 2022, “Corporations Donated Millions to Lawmakers Who Voted to Overturn Election Results”, New York Times (6 January) – Weisman, Jonathan, and Reid J Epstein, 2022, “GOP Declares Jan 6 Attack ‘Legitimate Political Discourse’”, New York Times (4 February). White House, 2024, “Statement from the Vice President Kamala Harris”, White House (25 July), www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2024/07/25/statement-by-vice-president-kamala-harris-3
[7] Rodino, Virginia, 2022, “After the US Midterm Elections: What’s Changed?”, International Socialism 177 (winter), https://isj.org.uk/after-the-us-midterms
[8] Astor, Maggie, 2024, “Trump Doubles Down on Migrants ‘Poisoning’ the Country”, New York Times (17 March) – RNC, 2024, “2024 GOP Platform,” Republican National Committee, https://rncplatform.donaldjtrump.com – Jones, Jeffrey, 2024, “Sharply More Americans Want to Curb Immigration to US”, Gallup (12 July), www.npr.org/2024/07/30/nx-s1-5055670/harris-trump-border-immigration-georgia
[9] Im Jahr 2016 machte Trump »eine globale Machtstruktur« verantwortlich, die »unsere Arbeiterklasse beraubt« habe, für »die Zerstörung unserer Fabriken und unserer Arbeitsplätze«, wobei »große Konzerne« den Reichtum des Landes einsteckten – zitiert in Nelson, 2016. Heute sind Trumps Spots meist personalisierte Angriffsanzeigen.
[10] Al Jazeera, 2024, “Trump, Biden Clash Over Transgender Day of Visibility Falling on Easter”, Al Jazeera (31 March), www.aljazeera.com/news/2024/3/31/trump-biden-clash-over-transgender-day-of-visibility-falling-on-easter
[11] Zitiert in Ax, Joseph, Nathan Layne and Gram Slatter, 2024, “Trump Running Mate JD Vance Vows to Fight for ‘Forgotten’ Workers”, Reuters (18 July), www.reuters.com/world/us/trump-lauded-by-former-rivals-haley-desantis-show-unity-republican-convention-2024-07-17/
[12] Flegenheimer, Matt, 2024, “How JD Vance Thinks About Power”, New York Times
(3 August) – Bouie, Jamelle, 2024, “Where Does JD Vance’s Ideology Really Come From?”, New York Times (August 10), www.nytimes.com/2024/08/10/opinion/jd-vance-right-wing-intellectual.html
[13] Pengelly, Martin, 2024, “JD Vance Pleads Sarcasm in Latest Effort to Clean Up ‘Childless Cat Ladies’ Remark”, Guardian (6 August), www.theguardian.com/us-news/article/2024/aug/06/jd-vance-childless-cat-ladies-tim-walz
Titelbild: Trump White House Archived