Brandanschlag auf Palästina Camp in München

Der Brandanschlag auf das Palästina Camp in München zeigt deutlich, dass auf rassistische Hetze Taten folgen. Eine Bewertung des rassistischen Mordversuches auf Friedensaktivist:innen von Gerrit Peters

Gestern Nacht um 0:40 Uhr hat ein schwarz gekleideter Mann eine brennbare Flüssigkeit über Fahnen, Transparente und Holzpaletten des Palästina Camps in München geschüttet und angezündet. Dass nur ein Sachschaden entstand und keine Menschen zu Schaden kamen, ist nur den aufmerksamen Camp-Bewohner:innen zu verdanken, die schnell reagierten, alle zum Verlassen des Camps aufrufen und die Flammen löschen konnten.

Der Mann wurde im Vorfeld schon mehrmals am Camp gesichtet, wo er auf eine Palästina Flagge spuckte und Protestierende verbal attackierte. Die Polizei nahm daraufhin lediglich die Personalien des Mannes auf.

Anschlag war keine Willkür

Wir verurteilen diesen Anschlag aufs Schärfste. Überrascht sind wir allerdings nicht, denn das ist die logische Konsequenz der politischen und medialen Hetze gegen Palästinenser:innen sowie eines Staatsapparates, der immer autoritärer auftritt, indem er die Meinungs- und Versammlungsfreiheit immer weiter einschränkt und die Palästina-Solidaritätsbewegung seit 10 Monaten auf der Straße verprügelt. Schon letzte Woche hatte ein Islamhasser im Münchner Stadtteil Pasing versucht, zwei Menschen zu erstechen. 

Auch die Stadt München sowie die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) tragen eine Mitverantwortung für die jüngsten rassistischen Gewaltausbrüche. Erst am 5. Juni hatte die LMU eine Einladung des Palästina-Protestcamps zu einem offenen Dialog mit der Begründung abgelehnt, dass das Camp eine »erhebliche Störung und Belastung für die LMU darstelle«.

Die Staatsraison entmenschlicht Palästinenser:innen kategorisch

Am 10. Juli richtete die Stadt München den »Tag der Solidarität mit Israel« aus, auf dem nicht nur pauschal das Judentum mit dem Staat Israel gleichgesetzt wurde, sondern Muslim:innen sowie Palästinenser:innen und mit ihnen solidarische Menschen generell des Antisemitismus bezichtigt wurden.

Einer der Redner war der ehemalige israelische Armeesprecher Arye Sharuz Shalicar, nach dem die Staatsanwaltschaft Kleve mittlerweile wegen Volksverhetzung fahndet. Die Vorwürfe stammen noch aus seiner Zeit als Sprecher der israelischen Armee, wo er durch Äußerungen auffiel, dass es keine unschuldigen palästinensischen Zivilist:innen gäbe (»Gaza = Hamas«) oder, dass er palästinensische Kinder nicht als unschuldige Opfer sehe und sie stattdessen als »minderjährige Terroristen« bezeichnete. Er verkündete, dass man gegen Gegner:innen nicht allein mit Worten, sondern auch mit Taten vorgehen müsse.

Dominik Krause, zweiter Bürgermeister der Stadt München, beklagte den fehlenden Aufschrei der Gesellschaft bei dem, was er als linksradikalen und islamistischen Antisemitismus labelte und forderte muslimische Verbände auf, klarer als bislang Stellung zu beziehen.

Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann schlug in dieselbe Kerbe, indem er zwar auf die Bedeutung religiöser Toleranz verwies, dabei aber betonte, dass sie ihr Ende bei antisemitischen Straftaten finden müsse.

Antisemitismusvorwürfe als bewusste Waffe der Spaltung

Hier sei daran erinnert, mit wem sich Herrmann die Regierungsbank teilt: Nämlich mit Hubert Aiwanger, der letztes Jahr in den Schlagzeilen stand, nachdem ein antisemitisches Flugblatt aus seiner Schulzeit aufgetaucht war, indem er »Vaterlandsverräter[n]« einen »Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz« spendieren wollte. Die einzige Konsequenz für Aiwanger war, dass er im Anschluss erstmals und unter deutlichem Stimmenzuwachs ein Direktmandat in seinem Stimmkreis Landshut erringen konnte. Strafrechtliche Folgen hat das Flugblatt lediglich für den ehemaligen Lehrer Aiwangers, dem wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen ein Disziplinarverfahren aufgebrummt wurde.

Der Kampf gegen Antisemitismus ist wichtig und muss von uns mit aller Härte geführt werden. Genauso deutlich müssen wir allerdings widersprechen, wenn der Antisemitismusbegriff dermaßen ausgehöhlt und missbraucht wird, um Gegner:innen des deutschen Imperialismus zu diffamieren und antimuslimischen Rassismus sowie antipalästinensische Hetze zu schüren. Der Anschlag auf das Münchener Protestcamp für Palästina fand im Kontext dieser aufgehetzten Stimmungsmache gegen palästinensischen Aktivismus statt.

Die Solidarität muss sich verbreitern

Wer ein Protestcamp, das sich gegen die Unterstützung eines laufenden Genozids ausspricht, als »erhebliche Störung und Belastung« darstellt, gegen das man sich »nicht allein mit Worten, sondern auch mit Taten verteidigen müsse«, der trägt eine Mitschuld, wenn Rassist:innen sich ermächtigt fühlen, Palästinser:innen und mit ihnen solidarische Menschen anzugreifen und verbrennen zu wollen.

Wir stehen in Solidarität mit dem Palästina Protestcamp in München und allen Palästinenser:innen und Muslim:innen, die aktuell einer beispiellosen Hetze ausgesetzt sind, die immer öfter auch in offene Gewalt und Mordfantasien umschlägt.


Weiterlesen: Die Jerusalemer Erklärung zu Antisemitismus / The Jerusalem Declaration on Antisemitism

Titelbild: uniforpalestine_muc / instagram