Nach dem schrecklichen Messerangriff in Solingen versucht die AfD, die Morde für ihre rassistische Hetze auszunutzen.

Compact-Verbot: Und jetzt die AfD?

Am 16. Juli wurde das Compact-Magazin vom Bundesinnenministerium verboten. Das Fehlen des Leitmediums der extremen Rechten wird die faschistische Propaganda und Hetze schwächen aber nicht beenden. Ebenso wird ein AfD-Verbot die Nazis nicht stoppen. Von Simo Dorn

Das Verbot des Compact-Magazins ist ein herber Schlag für die extreme Recht und ihre Propaganda. Über dieses staatliche Verbot sollte aber auch gesagt werden, dass es die Hetze von Rechts zwar schwächt aber dies nicht ausreicht. So kann davon ausgegangen werden, dass es sehr bald ein anderes Magazin entstehen wird, das an dessen Stelle tritt.

Das Verbot um das Compact-Magazin soll als Anlass dienen, um das Verbot rechter Strukturen allgemein und der AfD im Speziellen zu beleuchten. Der Ruf nach einem Verbot der im Kern faschistischen AfD ist seit den Correctiv-Recherchen im Frühjahr 2024 lauter geworden und hat einen so großen Zuspruch wie noch nie. 

Um die Forderung nach einem Verbot der AfD zu bewerten, sind die realen staatlichen Institutionen zu betrachten und nicht das Trugbild der kapitalistischen Demokratie. Der bürgerliche Staat hat höchstens dann ein Interesse, faschistische Strukturen wie die Reichsbürger zu zerschlagen, wenn sie seine Autorität und Glaubwürdigkeit bedrohen, aber nicht, wenn diese gegen Sozialist:innen oder Arbeiter:innen vorgehen. Außerdem bekämpft der Staat faschistische Organisationen mit dem bürgerlichen Recht, bzw. mit staatlichen Werkzeugen und eben nicht jenen, die es brauchen würde. In der Geschichte Westdeutschlands hat sich gezeigt, dass Maßnahmen, die der Staat mit dem Kampf gegen die extreme Rechte begründet hat, sich stets gegen linke Strukturen und Organisationen gerichtet haben – bspw. das Verbot der KPD 1952 als auch der sogenannte Radikalenerlass und die daraus folgenden Berufsverbote ab 1972. Die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse werden von faschistischen Ideologien nicht in Frage gestellt.

Die AfD muss weg

Nach den Correctiv-Recherchen hat ein Verbot der AfD gegenwärtig bedeutenden öffentlichen Zuspruch. Dieser scheint einem Wunsch in Bezug auf die AfD zu entsprechen: »Diese Partei muss weg«. Die entscheidende Frage lautet nicht, ob man für oder gegen ein Verbot der AfD ist, sondern wer der Adressat dieser Verbotsforderung ist. Das Entscheidende im Kampf gegen die AfD ist, das Verbot nicht an den Staat zu delegieren, sondern eine antifaschistische Bewegung aufzubauen, die der AfD ihre Tätigkeit faktisch verbietet: »Ihr gehört nicht in diese Gesellschaft«.

Für den Staat besteht die Gefahr, dass sich die Arbeitenden die fortlaufenden Angriffe auf Sozialkassen, das Streikrecht und ihre Klasse nicht mehr gefallen lassen könnten. Für solche Ernstfälle muss sich die herrschende Klasse die Option faschistischer Schlägertruppen und ihrer Organisationen – heute die AfD – gegen die organisierten Arbeiter:innen stets offenhalten. Netzwerke der extremen Rechten, die Polizei, Militär, Verfassungsschutz und Justiz durchsetzt haben und mehr als 400 aktive Polizeibeamt:innen unter Extremismusverdacht, die ihre Gesinnungsgenoss:innen schützen, wie den NSU, wie den NSU 2.0, wie über 500 per Haftbefehl gesuchte Nazisschläger, bilden die Anfänge einer neuen SA.

Der Erfolg eines Verbotes ist keine Garantie

Darüber hinaus würde sich ein juristisches Verbotsverfahren über Jahre hinziehen und ist im unmittelbaren Kampf gegen rechts kein vertrauenswürdiges Mittel. Im Gegenteil, es schwächt die Selbstaktivität der Menschen, gegen die AfD auf die Straße zu gehen, sobald das Verfahren beginnt. Bei diesem Verfahren kann nicht gesichert gesagt werden, ob die Partei auch verboten werden wird. Es kommt darauf an, an den Wunsch nach einem Verbot der AfD in einer Weise anzuknüpfen, die der Partei ihre Aktivität Schritt für Schritt schwerer macht.

Ebenso wird das rechtliche Vorgehen zum Entzug des passiven Wahlrechts gegen Björn Höcke faktisch wirkungslos bleiben. Höckes Führungsrolle in der AfD ist gefestigt und auch wenn der »Flügel« um Höcke offiziell als ausgelöst benannt wurde, so sind seine Netzwerke in der Partei weiterhin aktiv und funktionieren. Es schwächt die AfD kaum, sollte Höcke als parlamentarischer Fraktionsführer nicht mehr im thüringischen Landtag sitzen. Ein Parteienverbot findet nicht im luftleeren Raum statt und auch Richter:innen sind politischem Druck und gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen ausgesetzt. Sie formen ihre Urteile nicht allein auf Basis von Recht und Gesetz. »Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.« Dies gilt sowohl für Menschen an der Wahlurne als auch für Menschen in Robe. Es gibt keinen Grund, der Justiz des Staates zu vertrauen, der durch Urteile beispielsweise gegen Klimaaktivist:innen immer wieder beweist, dass er nicht an der Seite der Arbeitenden und ihrer Interessen steht.

Die Klassenverhältnisse geben Faschist:innen immer wieder die Chance des Aufstiegs

Ein staatliches Verbot der AfD bekämpft weder die Verhältnisse, in denen sich diese im Kern faschistische Partei bilden konnte, noch die Umstände, die dazu führten, dass sie als einzig wahrnehmbare Opposition zu eben jenen Verhältnissen wahrgenommen wird. Die AfD wird sich nicht verbieten lassen, sondern eine größere und entschlossene antifaschistische Bewegung muss sie zerschlagen.

Die besondere Qualität des Faschismus

Die Entstehung des deutschen Faschismus zeigt, wie verheerend es sein kann, den Faschismus-Begriff für jede Form gewaltsamer Unterdrückung durch den kapitalistischen Staat zu gebrauchen. Die Sozialfaschismus-These (also das Verständnis, dass die Sozialdemokratie als bürgerliche Partei den linken Flügel des Faschismus darstelle und damit vorrangig zu bekämpfen sei) war ein schwerwiegender Fehlschluss der radikalen Linken in der Weimarer Republik, den manche erst erkannten, als es zu spät war. Dies darf der antifaschistischen Bewegung bei der gegenwärtigen Ampel-Koalition, oder einer anderen Regierungsspielart des Kapitalismus, nicht noch einmal geschehen. Dies bedeutet aber nicht, dass wir von radikaler Kritik an der Bundesregierung und ihrer menschenverachtenden Politik Abstand nehmen.

Auf dem Reichsparteitag der NSDAP im Jahr 1933 blickte Hitler zurück auf den Weg der Partei an die Macht: »Allmählich entstand im Staat der Demokratie der Staat der Autorität, im Reiche der jammervollen Gesinnungslosigkeit ein Kern fanatischer Hingebung und rücksichtsloser Entschlossenheit. Eine einzige Gefahr konnte es gegen diese Entwicklung geben: Wenn der Gegner […] mit letzter Brutalität am ersten Tag den ersten Keim der neuen Sammlung vernichtete.«

Dieser Keim ist seit einigen Jahren in der AfD zu erkennen. Ihn zu ersticken, ist immer noch möglich. Doch endgültig können wir den Faschismus kann nur besiegen, wenn der Kapitalismus einer solidarischen, sozialistischen Gesellschaft weicht.


Dieser Artikel ist ein Auszug aus unserer neuen Broschüre »Wieso wir die AfD JETZT stoppen müssen – Nie Wieder Faschismus«.

Was ist Faschismus? Welche Funktion hat der Rassismus für die Nazis? Wie gegen den Faschismus kämpfen? Und welche Rolle spielt der Kapitalismus in diesem Kampf? Auf diese Fragen geben wir mit unserer Broschüre konkrete Antworten mit einer klaren Klassenperspektive von unten.

Was ist Faschismus? Wie können wir ihn beenden?

Am 18. August 2024 organisieren wir einen Crashkurs auf Grundlage unserer neuen Broschüre zu Faschismus und wollen die Lehren der antifaschistischen Geschichte und des Kampfes gegen die AfD diskutieren. Anmeldung.


Titelbild: Svu