Wie weiter nach den Anti-AfD-Protesten in Essen?

Der Protest gegen den Bundesparteitag der AfD in Essen war ein Erfolg für die Bewegung. Darauf darf sich jedoch nicht ausgeruht werden. Der Kampf gegen die AfD muss weiter vorangetrieben werden. Von Simo Dorn und Christine Buchholz

Am 28.-30. Juni stellte sich ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis dem Bundesparteitag der AfD in den Weg. Rund 70.000 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet folgten dem Aufruf der Bündnisse »Widersetzen« und »Gemeinsam laut« gegen die im Kern faschistische AfD. Der Beginn des Parteitages wurde durch das entschlossene und massenhafte Blockieren und Demonstrieren von Antifaschist:innen erstmalig verzögert und konnte nicht mit allen Delegierten starten.

Der Staat steht nicht auf der Seite der Demonstrierenden. Über ein Drittel der AfD-Delegierten berichteten, dass sie eine erschwerte bzw. konfrontative Anreise zum Parteitag hatten.
Delegierte mussten auf Grund von Blockaden weiträumige Umwege zur Grugahalle nehmen, mussten über Polizeiabsperrungen klettern, wurden in der Innenstadt in Geschäfte zurückgedrängt oder konnten einzeln nur mit massiver Polizeigewalt und Anstrengungen durch oder an Blockaden vorbei eskortiert werden. Vereinzelt kam es zu Auseinandersetzungen zwischen AfDlern und Protestierenden, in denen sich die Polizei mit ihrem massiven Aufgebot oft gegen die Protestierenden stellte.

Über den gesamten Tag kam es wiederholt zu Polizeigewalt. Das Bündnis Widersetzen berichtet von Knochenbrüchen, Schmerzgriffen, Pfefferspray-Einsatz, Schlagstockeinsatz auf Köpfe und Angriffe auf zusammengepferchte Gruppen, in denen es zu Panikattacken kam.

Die AfD kann verlieren

Der Protest gegen den Parteitag der AfD war ein hart erkämpfter Erfolg. Ausgehend von den veröffentlichten Deportationsplänen des faschistischen Kerns der AfD und weiterer Teile der extremen Rechten von Identitärer Bewegung bis Werteunion im Frühjahr mobilisierten sich hunderttausende Menschen gegen die AfD auf die Straßen. Dieser anfängliche und weitergetragene Proteste haben dazu beigetragen die Partei von 23 Prozent in Umfragen zu Jahresbeginn auf 16 Prozent in der Europawahl zu drücken. 

Essen symbolisiert nun den entscheidenden Punkt in diesem Jahr, der zeigt, dass die AfD effektiv angreifbar ist. Es braucht breite Bündnisse, lauten, bunten und konfrontativen Protest, um die AfD von ihrem Umfeld abzutrennen und sie in internen Streit um die richtige Strategie und Taktik zu treiben.

Und das ist auch nötig, denn Schein, dass die AfD bei ihrem Parteitag in Essen die internen Konflikte im Griff hätte, trügt. Dass kein offener Streit ausgetragen wurde, liegt daran, dass alle Teile der Partei den Anschein der Harmonie erwecken wollen, um die Wahlergebnisse im bei den Landtagswahlen im Herbst nicht zu gefährden. Dass Björn Höcke auf innerparteilichen Zusammenhalt drängt, zeigt das Wahlergebnis des Vorsitzenden Tino Chrupalla, der am Wochenende mit knapp 83 Prozent im Amt bestätigt wurde, wohingegen er auf dem Parteitag in Magdeburg lediglich 53 Prozent der Delegiertenstimmen erhielt. Höcke sieht die Partei noch nicht in der Situation, dass er sich an ihre Spitze setzen kann. Die aktuellen massenhaften Proteste spielen hier eine bedeutende Rolle.

Zugleich hat es eine weitere Verschiebung nach rechts bei den Wahlen gegeben, so wurde z.B. der Chef der Jungen Alternative (JA), Hannes Gnauck in den Bundesvorstand gewählt. Die JA gilt als gesichert rechtsextrem, an ihrem Stand verkaufte sie T-Shirts, dass mit dem Aufdruck »Döp Dödödöp« auf das Grölen von rassistischen Parolen in einer Sylter Nobelkneipe anspielte.

Die hohen Umfragewerte der AfD hängen auch mit der Politik der Ampelregierung und die restlichen bürgerlichen Parteien zusammen, die diese Verhältnisse verwalten und zu Gunsten der Reichen weiter zuspitzen. Dabei schrecken sie nicht davor zurück, Angst vor Zuwanderung und speziell gegen Muslime zu schüren. So zündelte Alexander Dobrint mit der Forderung nach Abschiebung von Ukrainern, die Sozialhilfe beziehen, bzw. Innenministerin Faeser, wenn sie die schneller Abschiebung von Straftätern aus Syrien oder Afghanistan fordert. Mit diesen massiven Angriffen auf Migrant:innen wollen die bürgerlichen Parteien von ihrer Verantwortung für die Missstände ablenken. Die AfD kann den wachsenden Rassismus und immer größer werdenden Abstiegsängste weiter Teile der Bevölkerung und des Mittelstandes auf ihre Mühlen lenken – nicht nur im Osten Deutschlands.

Die AfD konfrontieren, wo immer sie auftreten

Gerade bei den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern im September wäre es wichtig, die AfD dort zu konfrontieren, wo sie im öffentlichen Raum auftreten – Parteitage, Wahlkampfveranstaltungen, Infostände, Flugblattverteilungen. Deswegen wird es wichtig, antifaschistisches und antirassistisches Mobilisierungen zu unterstützen.

Wehret den Anfängen

Die AfD kann geschlagen werden. Anknüpfend an den Erfolg von Essen, brauchen wir nächste Schritte der Mobilisierung und eine Verständigung über die richtige Taktik im Kampf gegen die AfD. Denn für die Protestbewegung gibt es noch viel Platz nach oben. Bei allem Erfolg hat Essen auch gezeigt, dass es nicht automatisch gelingen muss eine stark wahrnehmbare Mobilisierung von Ort auf die Beine zu stellen. So waren die Bündnisse Gemeinsam Laut und Widersetzen im Stadtbild nicht gut sichtbar.

Auch wenn es gelungen ist, in einzelnen Berufsgruppen, wie bei den Pflegekräften zu mobilsieren, konnte die Mobilisierung noch nicht breit ausgreifen. Auch die migrantische Mobilisierung war viel zu schwach – gerade in dem breiteren Bündnis Gemeinsam Laut.
Erfreulich war, dass im Rahmen von Widersetzen ein migrantischer Finger organisiert wurde und dass viele Anwesende sich nicht das Recht nehmen ließen, ihre Solidarität mit Palästina auszudrücken. Gerade weil wir den Rassismus an jedem Arbeitsplatz, jeder Schule oder Universität bekämpfen, ist es wichtig, Betroffene in den gemeinsamen Kampf gegen Rassismus und Faschismus einzubinden.

Dabei dürfen keinerlei Bedingungen an das Klassenbewusstsein von Menschen oder an Vorstellungen zur Veränderung der Gesellschaft gestellt werden. Antimuslimischer Rassismus, der vor allem über die Frage der Migration und vor allem vor Wahlen von den etablierten Parteien immer wieder geschürt wird, indem die Einwanderung für Wohnungsnot und Sozialabbau verantwortlich gemacht wird, um von ihrer Verantwortung für die Misere abzulenken, ist Wasser auf die Mühlen der faschistischen AfD.

Entscheidend ist die Solidarität mit migrantisierten Kolleg:innen, Freund:innen, Nachbarn und fremden Menschen, die rassistisch angegangen werden, um uns nicht im Kampf um unsere gemeinsamen Interessen spalten zu lassen. Antimuslimischer Rassismus, der bis tief in die Gesellschaft legitimiert ist, ist die DNS der AfD und muss konsequent widersprochen werden. 


Titelbild: Svu