Die Lokführer:innen wollen streiken und ihr Arbeitskampf ist umstritten. Doch wenn sie Erfolg hätten, hätten Arbeiter:innen ebenso Rückenwind wie Klimaaktivist:innen.
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat ihre Mitglieder zur Urabstimmung über einen Streik aufgerufen. Schon am 15./16. November hatte die GDL den Bahnverkehr mit einem Warnstreik weitgehend lahmgelegt. Medien und Parteien kritisieren diese Warnstreiks – wie sie es meistens tun.
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland sprach zum Beispiel von einer „Ego-Show“ des Vorsitzenden Claus Weselsky. Und die CDU prangerte an, dass Weselsky die „Streikkeule“ auf den Rücken der Fahrgäste niedersausen lasse.
Klar: Wer auf die Bahn angewiesen ist, ist von Streiks dort genervt. Man weiß aber auch, dass am alltäglichen Chaos weder die GDL noch die anderen DB-Angestellten Schuld sind. Der Zustand der Bahn ist die Folge von Privatisierung und Sparpolitik. Das verdient Kritik.
Lokführer:innen wollen kürzere Arbeitszeiten
Der Arbeitskampf der Lokführer:innen hingegen verdient volle Unterstützung. Worum geht es? Die GDL fordert, die Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden pro Woche zu senken; bei vollem Lohnausgleich in einer Vier-Tage-Woche für Beschäftigte im Schichtdienst.
Das würde die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern. Alle, die im Schichtdienst arbeiten, werden diese Forderung der GDL nachvollziehen können. Ein Erfolg der Lokführer:innen würde allen anderen die Diskussion darüber leichter machen.
Dazu kommt, dass Lokführer:innen, wie zum Beispiel auch Pfleger:innen, bei ihrer Arbeit Verantwortung für Menschen tragen. Alle Arbeiter:innen brauchen ausgeruhte Pfleger:innen und Lokführer:innen, die nicht von einem Zweitjob oder zu wenig freien Tagen übermüdet sind.
Lokführer:innen kämpfen für Inflationsausgleich
Neben der kürzeren Arbeitszeit fordert die GDL eine Lohnerhöhung von mindestens 555 Euro, eine Erhöhung der Zulagen für Schichtarbeit um 25 Prozent und eine steuerfreie Inflationszahlung von 3.000 Euro.
Zur Einordnung: Die Mehrheit kann sich trotz Lohnerhöhungen 2023 weniger leisten als im Vorjahr. Die Inflation zehrte Zuwächse auf. Die Hans-Böckler-Stiftung gab im September für das erste Halbjahr einen Reallohnverlust von 1,7 Prozent an.
Dieser gilt auch für Lokführer.:innen. Darum sind die Lohnforderungen der GDL mehr als gerechtfertigt. Bahn-Chef Lutz hat sich selbst einen Bonus von mehr als 1,26 Millionen Euro genehmigt – insgesamt zahlte das Unternehmen 100 Millionen Euro an Boni aus. Dafür war Geld da.
Bahnnetz ausbauen
Aber nicht nur die Lokführer:innen, die Bahn insgesamt braucht mehr Geld. Der Klimawandel erfordert, viel weniger CO2 auszustoßen. Das bedeutet unter anderem, das Bahnnetz so auszubauen, dass Menschen nicht mehr auf das Auto als Transportmittel angewiesen sind.
Das kostet viel Geld. Dieses Geld gibt es, es liegt bei Superreichen und Konzernen. In Deutschland flossen 81 Prozent des gesamten Vermögenszuwachses zwischen 2020 und 2021 an das reichste Prozent der Bevölkerung.
Bessere Arbeitsbedingungen und Klimaschutz brauchen beide eine Umverteilung des Reichtums, den menschliche Arbeit geschaffen hat. Daher ist der Streik der Lokführer:innen auch Teil eines größeren Kampfes. Wenn sie gewinnen, macht das den Kampf für alle leichter.
Aktualisierung – 04.03.24: Am 7. März streikt die GDL erneut für 35 Stunden bis Freitags um 13 Uhr. Die Vorlage der Schlichtung, die eine Arbeitszeitreduktion von einer Stunde die Woche und einem Wahlmodell der Arbeitszeitgestaltung beinhaltete, wurde von der GDL abgelehnt. Weitere Wellenstreiks wurden angekündigt. Von der Gewerkschaft werden 35 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich gefordert.
Titelbild: bigbug21