Die Schüsse auf Burak Bektaş 2012 waren wahrscheinlich Nazi-Terror. Am Jahrestag erinnerten Menschen an das Versagen der Behörden. Von Milla
Burak Bektaş, 22 Jahre alt und ausgebildeter Automobilkaufmann, wurde am Abend des 5. April 2012 in Berlin-Neukölln ohne Vorwarnung von einem unbekannt gebliebenen Passanten gezielt erschossen. Am 5. April 2025 kamen – wie jedes Jahr – über hundert Menschen, um seiner zu gedenken, zu trauern sowie eine lückenlose Aufklärung zu fordern.
Opfer, Angehörige, Aktivist*innen und Anwält*innen haben zahlreiche Beweise, dass es seit 2009 eine zusammenhängende Serie rechter Terroranschläge in Berlin-Neukölln gab. Diese bleibt bis heute durch Ignoranz und Behördenversagen unaufgeklärt. Viele sind sich sicher, dass auch Burak Bektaş Opfer dieser Serie wurde.
Burak Bektaş Opfer von Nazi-Terror
Ein weißer Mann schoss gezielt mehrmals auf eine Gruppe von jungen Männern mit Migrationsgeschichte. Burak starb noch am Tatort. Zwei seiner Freunde überlebten schwer verletzt. Die Polizei jedoch behandelte die Tat – wie viele andere – als Einzelfall. Sie kehrte Täter und Opfer um und ermittelte unter anderem wegen »Verdacht auf Drogenhandel«.
Die Behörden ignorierten rassistische Motive und verschleppten die Ermittlungen jahrelang. Dadurch gingen nicht nur wertvolle Hinweise zur echten Aufklärung eines rechtsextremen Netzwerkes in Berlin-Neukölln verloren. Man vermittelte auch den Angehörigen, dass sie als Personen mit Migrationsgeschichte sich nie in Deutschland anerkannt und sicher fühlen können.
Nazi-Terror in Berlin-Neukölln
Diese Serie des Nazi-Terrors in Berlin-Neukölln begann 2009 durch eine jüngere Generation Berliner Neonazis. Sie nannte sich in Abgrenzung zu Parteistrukturen Autonome Nationalisten. Sie traten mit einer eigenen Webseite an die Öffentlichkeit. Im Laufe des Jahres 2009 erschienen auf dieser Seite in fünf Folgen Anti-Antifa-Listen und selbstgefertigte Fotos mit Informationen zu linken Kneipen, Buchläden und Einzelpersonen. Die aufgelisteten Personen und »Linke[n] Läden« wurden als »kriminell« diffamiert und sollten offensichtlich eingeschüchtert werden.
In den folgenden Jahren spielte sich die Anschlagsserie ab. Die Liste wurde regelrecht ›abgearbeitet‹. Im Zeitraum 2009 bis 2015 wurden allein in Neukölln vier Brandanschläge auf Fahrzeuge von gegen Rechtextremismus Engagierten bekannt, zwei Brandanschläge auf das Anton-Schmaus-Haus sowie über 50 rechte Sprühereien und Sachbeschädigungen.
Der Mord an Luke Holland – Rechtes Motiv ignoriert
2015 erschoss Rolf Zielezinski ohne Vorwarnung mit einer Schrotflinte Luke Holland auf der Straße in Neukölln. Holland telefonierte gerade auf Englisch vor der Bar Del Rex. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte Zielezinski wegen Mordes »aus Heimtücke« und wegen »Verstoßes gegen das Waffengesetz« zu 11 Jahren und 7 Monaten Haft. »Heimtücke« konnte das Gericht bei dem Mörder feststellen. Ein Tatmotiv konnte es hingegen nicht erkennen.
Die Wohnung von Zielezinski war voller Nazi-Devotionalien. Dazu gehörten eine Hitler-Büste, diverse illegale professionell manipulierte Schusswaffen, massenweise Munition und ein Kilo Schwarzpulver. Laut Zeug*innen hatte sich Zielezinski in der Bar Del Rex, die er ab und zu besuchte, abfällig darüber geäußert, das englisch gesprochen wurde und ebenso über die Homosexualität des Barbetreibers. Seine rassistische Einstellung war durch familiäre Zeug*innen bestätigt worden. Ein rechtes Tatmotiv mochte das Gericht jedoch daraus nicht ableiten.
Nicht auf den Staat verlassen
Opfer, Angehörige und Aktivist*inne haben durch jahrelange Kämpfe einen parlamentarischen Untersuchungsausschusses erreicht. Dieser soll seit 2022 Aufklärung in Sachen Mord und rechtsextremer Straftaten in Neukölln bringen. Dies kommt aber bis heute nur sehr schleppend voran.
Auffallend viele Zeug*innen aus Behörden vermeiden es systematisch, wichtige Fragen zu beantworten. Sie können sich beispielsweise an relevante Sachverhalte »nicht erinnern« oder es liegen keine Aussagegenehmigungen vor.
Die Präsenz der AfD in dem Gremium ist eine Zumutung und ein Sicherheitsproblem für die Betroffenen. Auch die Akten der polizeilichen Untersuchungen des Neukölln-Komplexes werden nach wie vor nicht freigegeben, obwohl die Opfer und Angehörigen dies seit Jahren fordern.
Wir können uns beim Kampf gegen Faschismus und rechten Terror nicht auf parlamentarische Arbeit oder die Polizei verlassen. Stattdessen müssen wir uns nach wie vor stark und gemeinsam zivilgesellschaftlich organisieren. Alle zusammen gegen den Faschismus!
Titelbild: Svu